European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2017:E119074
Spruch:
Der Revisionsrekurs wird zurückgewiesen.
Begründung:
Der durch den Kinder‑ und Jugendhilfeträger vertretene Minderjährige stellte im Jänner 2016 den Antrag, den Vater zu einer monatlichen Unterhaltsleistung von 685 EUR ab 1. 11. 2015 zu verpflichten. Mit Vereinbarung nach § 210 Abs 2 ABGB verpflichtete sich der Vater am 19. 2. 2016 zu einer monatlichen Unterhaltszahlung von 560 EUR ab 1. 11. 2015 und 580 EUR ab 1. 11. 2016 bis auf weiteres, längstens bis zur Selbsterhaltungsfähigkeit des Kindes. Der Vereinbarung lagen ua eine Bemessungsgrundlage von ca 5.000 EUR, die Anrechnung der Transferleistungen und eine weitere gesetzliche Sorgepflicht zugrunde.
Mit seinem Antrag vom 22. 12. 2016 begehrte der Minderjährige, die monatliche Unterhaltsverpflichtung des Vaters auf 662 EUR zu erhöhen und brachte im Wesentlichen vor, dass seine Bedürfnisse seit der letzten Unterhaltsbemessung wesentlich gestiegen seien. Zudem sei dem Abzug der Transferleistungen die Grundlage entzogen worden. Der Vater hielt dem Antrag – für das Revisionrekursverfahren noch relevant – entgegen, dass er der Mutter am 6. 5. 2014 einen „Unterhaltsvorschuss“ von 3.000 EUR geleistet habe. Die Mutter habe sich bereit erklärt, mit den zukünftigen Unterhaltszahlungen gegenzurechnen, was jedoch nicht durchgeführt worden sei. Auch das Jugendamt habe sich nicht für zuständig erklärt. Es werde daher beantragt, diesen Betrag auf künftig werdende Unterhaltszahlungen anzurechnen.
Die Vorinstanzen setzten die Unterhaltsverpflichtung des Vaters antragsgemäß mit insgesamt 662 EUR ab 1. 6. 2016 fest. Dem Unterhaltspflichtigen sei die Geltendmachung neuer, den letzten Unterhaltstitel betreffender Umstände verwehrt. Der erst im Jänner 2017, also nach Schaffung des ursprünglichen Unterhaltstitels, erhobene Einwand einer im Jänner 2014 geleisteten Zahlung könne nicht berücksichtigt werden. Das Rekursgericht ließ den ordentlichen Revisionsrekurs nachträglich zu, weil keine oberstgerichtliche Rechtsprechung zur vorliegenden Fallkonstellation vorliege.
Rechtliche Beurteilung
Der rechtzeitige Revisionsrekurs des Vaters ist entgegen dem – den Obersten Gerichtshof nicht bindenden (§ 71 Abs 1 AußStrG) – Ausspruch des Rekursgerichts mangels der Voraussetzungen des § 62 Abs 1 AußStrG nicht zulässig.
1. Im Fall einer wirksamen Vorauszahlung von Unterhaltsbeträgen, die beim Eintritt der jeweiligen Fälligkeit zur Tilgung führen (vgl nur 1 Ob 117/13g mwN), ist auch für die Zukunft nur eine entsprechend verminderte Zahlungsverpflichtung auszusprechen bzw für Perioden, in denen die Vorauszahlung zur vollständigen Tilgung geführt hat, das Unterhaltsbegehren abzuweisen (zuletzt 1 Ob 44/17b).
2. Die Vorinstanzen sind im Ergebnis davon ausgegangen, dass der nach Punkt 1 allenfalls mögliche Einwand des Vaters von der Bereinigungswirkung des Unterhaltsvergleichs umfasst ist, weil die Zahlung vor Abschluss des Vergleichs erfolgte.
2.1 Die Verhältnisse zur Zeit des Vergleichsabschlusses bilden – wenn nichts anderes vereinbart wurde – den Gegenstand des Vergleichs und damit auch seiner Bereinigungswirkung. Nur später eintretende Änderungen der Verhältnisse sind von der Bereinigungswirkung des Vergleichs nicht erfasst (3 Ob 540/89; 5 Ob 241/10t uva).
2.2 Die Auslegung eines Vergleichs und ebenso die Beurteilung der Reichweite der Bereinigungswirkung können nur anhand der Umstände des konkreten Einzelfalls erfolgen und begründen daher in der Regel keine erhebliche Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO (zuletzt 9 ObA 35/17p mwN). Anderes gilt nur dann, wenn eine vom Obersten Gerichtshof aufzugreifende Fehlbeurteilung des Rekursgerichts vorliegt. Dies ist hier nicht der Fall.
2.3 Abgesehen davon, dass sich dem Vorbringen des Vaters nicht entnehmen lässt, welchen Zeitraum die tilgende Wirkung der behaupteten Vorauszahlung betreffen soll, hält sich die angefochtene Entscheidung im Rahmen der zur Bereinigungswirkung eines Vergleichs referierten Rechtsprechung.
3. Der Vater argumentiert damit, dass das Jugendamt eine Berücksichtigung der Vorauszahlung bei der Festlegung des Unterhalts ab 1. 11. 2015 verweigert hätte. Damit behauptet er aber, dass vor dem Abschluss des Vergleichs divergierende Rechtsansichten über die Anrechnung der im Jahr 2014 getätigten Zahlung auf die nach dem 1. 11. 2015 fälligen Unterhaltsleistungen bestanden hätten. Mit diesem Hinweis kann er die Zulässigkeit des Rechtsmittels aber schon deshalb nicht begründen, weil nach der Rechtsprechung durch einen Vergleich gerade derartige Zweifelhaftigkeiten eines Rechts beseitigt werden. Insoweit wirkt der Vergleich, soweit er von der wahren Rechtslage abweicht, konstitutiv. Nach einem Vergleichsabschluss können die Parteien auf das, was strittig war, nicht mehr zurückgreifen (1 Ob 256/05m; 5 Ob 241/10t; RIS-Justiz RS0032674).
4. Einer weiteren Begründung bedarf dieser Beschluss nicht (§ 71 Abs 3 AußStrG).
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