OGH 9ObA5/17a

OGH9ObA5/17a25.7.2017

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits‑ und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Hopf als Vorsitzenden, die Hofrätinnen Hon.‑Prof. Dr. Dehn und Mag. Korn sowie die fachkundigen Laienrichter Mag. Klaus Oblasser und ADir. Gabriele Svirak als weitere Richter in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei E*****, vertreten durch Mag. Norbert Huber, Rechtsanwalt in Innsbruck, gegen die beklagte Partei I***** GmbH, *****, vertreten durch Dr. Paul Delazer, Rechtsanwalt in Innsbruck, wegen Feststellung (Streitwert 75.000 EUR), über die außerordentliche Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Innsbruck als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 21. Oktober 2016, GZ 13 Ra 39/16g‑48, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2017:009OBA00005.17A.0725.000

 

Spruch:

Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

Begründung:

Rechtliche Beurteilung

1. Auf das Dienstverhältnis zwischen den Parteien ist die Dienst‑ und Besoldungsordnung (DBO) für die Bediensteten der österreichischen Privatbahnen anzuwenden. Die Beklagte beruft sich im Revisionsverfahren nur noch darauf, dass die Entlassung des Klägers nach § 39 Abs 2 lit b DBO, gerechtfertigt gewesen sei, weil der Kläger der Weisung nach § 14 DBO, sich einer ärztlichen Untersuchung zu unterziehen, nicht Folge geleistet habe.

2. Nach ständiger Rechtsprechung stellt die Beurteilung, ob im Einzelfall ein Kündigungs‑ oder Entlassungsgrund verwirklicht wurde, keine erhebliche Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO dar (RIS‑Justiz RS0106298). Auch die Frage, ob sich ein Bediensteter durch ein konkretes Verhalten einer besonders schweren Verletzung der Dienstpflicht schuldig macht, durch die er das Vertrauen für den Dienst einbüßt, muss nach den konkreten Umständen des Einzelfalls beurteilt werden (RIS‑Justiz RS0105955).

3. Ob Vertrauensunwürdigkeit vorliegt – hier im Sinne der zitierten Entlassungsbestimmung –, hängt davon ab, ob für den Dienstgeber vom Standpunkt vernünftigen kaufmännischen Ermessens die gerechtfertigte Befürchtung besteht, dass seine Belange durch den Arbeitnehmer gefährdet sind. Maßgebend ist, ob das Verhalten des Arbeitnehmers das Vertrauen des Dienstgebers so schwer erschüttert hat, dass diesem die Fortsetzung des Dienstverhältnisses nicht mehr zugemutet werden kann. Diesbezüglich entscheidet allerdings nicht das subjektive Empfinden des Dienstgebers, sondern ein objektiver Maßstab, der nach der Verkehrsauffassung unter Berücksichtigung des Umstands des Einzelfalls anzuwenden ist (RIS‑Justiz RS0108229).

4. Der Kläger wurde von der Beklagten schriftlich aufgefordert, sich entsprechend § 14 DBO einer fachärztlichen Untersuchung zu unterziehen. Dabei wurde darauf hingewiesen, dass der beauftragte Arzt „selbstverständlich der ärztlichen Schweigepflicht unterliegt“ (./N, ./10). Der Kläger hat den bekanntgegebenen Termin wahrgenommen und auch erklärt, sich einer ärztlichen Untersuchung zu unterziehen. Er hat sich jedoch geweigert, den Arzt von seiner Verschwiegenheitspflicht zu entbinden, weshalb dieser letztlich keine Untersuchung durchführte. Daraufhin wurde die Entlassung ausgesprochen.

Selbst unter der Annahme der Wirksamkeit einer Verpflichtung nach § 14 DBO verwirklicht dieses Verhalten des Klägers jedenfalls keine schwere Dienstpflichtverletzung. Zu einer Untersuchung war er bereit, zu einer Entbindung von der ihm zuvor zugesicherten Verschwiegenheit bestand grundsätzlich keine Veranlassung. Ob aus § 14 DBO eine Verpflichtung abgeleitet werden kann, den vom Dienstgeber namhaft gemachten Arzt zur Weitergabe von (ausschließlich) Beginn, Dauer und Ursache der Arbeitsunfähigkeit zu ermächtigen, muss schon deshalb nicht geprüft werden, weil die Beklagte den Kläger dazu nie aufgefordert hat. Vielmehr hat sie ihm gegenüber überhaupt nicht offengelegt, welche Informationen sie benötigt und konnte der Kläger aufgrund vorhergehender angeordneter Untersuchungen, bei denen nach einer Entbindung detaillierte Diagnosen eingefordert und samt entsprechendem Befund auch bekanntgegeben wurden (vgl ./4), nicht damit rechnen, dass sich bei einer Entbindung ohne Einschränkung eine Informationsweitergabe im Rahmen des § 4 Abs 1 EFZG hält. Vor diesem Hintergrund ist selbst unter Zugrundelegung der Wirksamkeit der in § 14 DBO normierten Verpflichtung das Vorliegen eines Entlassungsgrundes zu verneinen.

5. Die von der Beklagten als wesentlich relevierte Rechtsfrage, ob die Verpflichtung des Dienstnehmers, sich von einem vom Dienstgeber namhaft gemachten Arzt untersuchen zu lassen, zulässig ist oder ob – wie vom Berufungsgericht angenommen – § 14 DBO gegen die zwingenden Normen der § 8 Abs 8 AngG und § 4 Abs 1 EFZG verstößt, stellt sich im konkreten Fall daher nicht.

Voraussetzung für das Vorliegen einer erheblichen Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO ist aber, dass die Entscheidung des Falls von der Lösung der von der Revisionswerberin aufgeworfenen und als erheblich bezeichneten Rechtsfrage abhängt (RIS‑Justiz RS0088931). Die außerordentliche Revision ist daher mangels Vorliegens einer erheblichen Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO zurückzuweisen.

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