OGH 11Os50/17p

OGH11Os50/17p4.7.2017

Der Oberste Gerichtshof hat am 4. Juli 2017 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Schwab als Vorsitzenden sowie die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Bachner‑Foregger, Mag. Michel und Mag. Fürnkranz und den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. Oberressl als weitere Richter in Gegenwart der Richterin Dr. Sadoghi als Schriftführerin in der Strafsache gegen Erich S***** wegen des Verbrechens des Suchtgifthandels nach § 28a Abs 1 fünfter Fall, Abs 2 Z 1, Z 3 SMG und weiterer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Graz als Schöffengericht vom 2. Februar 2017, GZ 23 Hv 43/16x‑31, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2017:0110OS00050.17P.0704.000

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufung werden die Akten dem Oberlandesgericht Graz zugeleitet.

Dem Angeklagten fallen die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

 

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde Erich S***** des Verbrechens des Suchtgifthandels nach § 28a Abs 1 fünfter Fall, Abs 2 Z 1 und Z 3 SMG (1./) sowie der Vergehen des unerlaubten Umgangs mit Suchtgiften nach § 27 Abs 1 Z 1 zweiter Fall SMG (2./) und nach § 27 Abs 1 Z 1 zweiter Fall, Abs 2 SMG (3./) schuldig erkannt.

Danach hat er in G***** vorschriftswidrig Suchtgift

1./ in einer das Fünfzehnfache der Grenzmenge (§ 28b SMG) übersteigenden Menge anderen überlassen, indem er von 2012 bis 30. August 2016 in unzähligen Angriffen zumindest 330 Gramm Kokain (zumindest 265 Gramm Cocain‑Base) sowie zumindest 20 Stück Ecstasy‑Tabletten und zumindest 30 Gramm Amphetamin an verschiedene, großteils nicht ausgemittelte Abnehmer gewinnbringend veräußerte, wobei er „die Tat“ (nach § 28a Abs 1 SMG) in der Absicht beging, sich durch ihre wiederkehrende Begehung längere Zeit hindurch ein nicht bloß geringfügiges fortlaufendes Einkommen zu verschaffen, und er mehr als zwei solcher Taten begangen hat sowie schon einmal wegen einer Straftat nach § 28a Abs 1 SMG verurteilt worden war;

2./ besessen, indem er am 30. August 2016 rund 11 Gramm Kokain bis zur Sicherstellung verwahrte;

3./ ausschließlich zum persönlichen Gebrauch besessen, indem er von einem unbekannten Zeitpunkt an bis 30. August 2016 unbekannte Mengen an Kokain bis zum Konsum innehatte.

Rechtliche Beurteilung

Dagegen richtet sich die auf § 281 Abs 1 Z 10 und 11 StPO gestützte Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten.

Die gegen die Annahme der Gewerbsmäßigkeit (nach § 28a Abs 2 Z 1 SMG) gerichtete Subsumtionsrüge (Z 10) vermisst eine hinreichende Aussage zum Zeitraum, für den der Angeklagte beabsichtigte, sich durch die wiederkehrende Begehung von (die Grenzmenge überschreitenden) Suchtgiftverkäufen eine fortlaufende Einnahmequelle zu verschaffen. Sie nimmt dabei aber nicht Maß an der Gesamtheit des Urteilssachverhalts, wonach der Angeklagte bereits im Sommer 2013 (US 4 f iVm US 3) den Entschluss fasste, seine ab 2012 begonnenen Suchtgiftgeschäfte auszuweiten und in der Folge über einen Zeitraum von rund drei Jahren bis August 2016 zumindest 255 Gramm Cocain‑Base gewinnbringend veräußerte, wobei er in der Absicht handelte, sich längere Zeit hindurch aus der gewinnbringenden Veräußerung von die Grenzmenge übersteigenden Suchtgiftquanten ein nicht bloß geringfügiges fortlaufendes Einkommen (von jedenfalls mehr als 400 Euro monatlich) zu verschaffen, dadurch seinen Lebensstil aufrechtzuerhalten und sein wirtschaftlich wenig ertragreiches Unternehmen weiterzubetreiben (US 4, 6, 8 und 9 f). Welche darüber hinausgehende Aussage zur zeitlichen Komponente der Gewerbsmäßigkeit (Jerabek in WK² StGB § 70 Rz 7; RIS‑Justiz http://www.ris.bka.gv.at/Ergebnis.wxe?Abfrage=Justiz&Rechtssatznummer=RS0107402&SkipToDocumentPage=True&SucheNachRechtssatz=True&SucheNachText=False ) die Beschwerde (beim hier aktuellen dreijährigen Tatzeitraum) noch vermisst, lässt sie offen.

Soweit der Nichtigkeitswerber einen Rechtsfehler mangels Feststellungen (Z 10) zur Reinsubstanz der inkriminierten Kokainmenge ortet, wird nicht klar, weshalb die zwischen 2012 und 30. August 2016 insgesamt veräußerten 330 Gramm Kokain mit zumindest 265 Gramm Cocain‑Base (US 5 f) keine ausreichende Sachverhaltsgrundlage für die verlässliche Beurteilung der Überschreitung eines Fünfzehnfachen der Grenzmenge bieten sollten; beziehen sich doch gemäß § 2 der Suchtgift-Grenzmengenverordnung (SGV) die dort im Anhang angeführten Suchtgifte – sofern das Bestehen von Salzen möglich ist – auf die Base des jeweiligen Suchtgifts (vgl insb zu Kokain: 11 Os 116/10h, 14 Os 86/12x). Inwiefern demnach einem (vom Nichtigkeitswerber thematisierten) Gehalt an „Cocain‑Hydrochlorid“ Bedeutung für die rechtsrichtige Beurteilung des Sachverhalts als Verbrechen des Suchtgifthandels nach § 28a Abs 1 fünfter Fall, Abs 2 Z 3 SMG zukäme, legt die Beschwerde nicht dar.

Aus dem Gesamtkontext ist – der Beschwerde zuwider – auch eindeutig erkennbar, dass sich der im Urteil verwendete Begriff „Cocain‑Base“ (im Gegensatz zu „Kokain“) bereits auf die Menge an Reinsubstanz bezieht (US 5 f: 300 Gramm Kokain mit einem Reinsubstanzgehalt von rund 85 % im ungestreckten Zustand [255 Gramm Cocain-Base] und weitere 30 Gramm Kokain mit einem Reinsubstanzgehalt von rund 33 % [10 Gramm Cocain‑Base]).

Die überdies erhobene Forderung nach (eingehenderen) Konstatierungen zu Wirkstoffart und Wirkstoffmenge der ebenfalls veräußerten Ecstasy-Tabletten (MDMA; US 5) und Amphetaminprodukte (US 5) lässt eine Erklärung vermissen, weshalb diesem Aspekt – mit Blick auf die zugleich angenommene Veräußerung von zumindest 265 Gramm „Cocain‑Base“, demnach einer die Grenzmenge (15 Gramm) bereits um das 17‑fache übersteigenden Suchtgiftmenge – noch subsumtionsrelevante Bedeutung zukommen sollte (RIS‑Justiz RS0099497).

Der Sanktionsrüge (Z 11) zuwider findet der für verfallen erklärte Vermögensbetrag (von 110.000 Euro) in den nachvollziehbar begründeten Urteilsannahmen zum erzielten (auch als „Umsatz“ oder „Verkaufserlös“ bezeichneten) Reingewinn (US 6, 9 f, 11) Deckung (Schwaighofer in WK2 SMG Vor §§ 27–40 Rz 66). Dass nach dem anzuwendenden Bruttoprinzip auch eine höhere Summe für verfallen erklärt werden hätte können, gereicht dem Angeklagten ohnehin zum Vorteil.

Auch hat das Schöffengericht, das einen für verfallen erklärten Geldbetrag bestimmte und insofern unmissverständlich einen Wertersatzverfall gemäß § 20 Abs 3 StGB anordnete (US 2, 8 f, 11), durch die im Urteilsspruch erfolgte (undifferenzierte) Anführung des „§ 20 StGB“ (US 2) sowie die in der rechtlichen Beurteilung enthaltene (offenbar aufgrund eines Schreibfehlers erfolgte) Bezugnahme auf § 20 „Abs 1“ StGB (US 11) die Grenzen der ihm zustehenden Strafbefugnis (Z 11 erster Fall) nicht überschritten (vgl Lendl, WK‑StPO § 260 Rz 34 f, 43; 15 Os 47/16z).

Mit dem Hinweis auf die Einkommens- und Vermögenslage des Angeklagten (US 3) wird kein Rechtsfehler bei der Ermessensentscheidung (vgl Fuchs/Tipold, WK‑StPO § 443 Rz 57) angesprochen, ob nach § 20a Abs 3 StGB der Verfall außer Verhältnis zum Verfahrensaufwand steht (dazu: Fuchs/Tipold in WK2 StGB § 20a Rz 33 ff). Die darauf basierende Reklamation eines Härtefalls (vgl Fuchs/Tipold in WK² StGB § 20a Rz 38 ff) enthält nur ein Berufungsvorbringen.

Die Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten war daher bereits bei nichtöffentlicher Beratung sofort zurückzuweisen (§ 285d Abs 1 StPO), woraus die Zuständigkeit des Oberlandesgerichts zur Erledigung der Berufung folgt (§ 285i StPO).

Die Kostenentscheidung beruht auf § 390a Abs 1 StPO.

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