OGH 8Ob59/17k

OGH8Ob59/17k29.6.2017

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofs Prof. Dr. Spenling als Vorsitzenden, die Hofrätin Dr. Tarmann‑Prentner, den Hofrat Dr. Brenn und die Hofrätinnen Mag. Korn und Dr. Weixelbraun‑Mohr als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Parteien 1) R* R*, und 2) H* R*, ebendort, beide vertreten durch Dr. Kurt Kozak, Rechtsanwalt in Salzburg, gegen die beklagte Partei W* S*, vertreten durch Dr. Wolfgang Lang, Rechtsanwalt in Salzburg, wegen 3.000 EUR sA und Unterlassung, über die außerordentliche Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Landesgerichts Salzburg als Berufungsgericht vom 29. März 2017, GZ 22 R 94/17b‑139, den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2017:E118827

Rechtsgebiet: Zivilrecht

 

Spruch:

Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen (§ 510 Abs 3 ZPO).

Begründung:

Rechtliche Beurteilung

1. Die behauptete Nichtigkeit und die geltend gemachten Verfahrensmängel liegen – wie der Oberste Gerichtshof geprüft hat – nicht vor. Der Urteilsspruch erstreckt sich nur auf Wegflächen, die sich auf dem belasteten Wiesengrundstück der Kläger befinden. Selbst die behauptete Ersitzung des Eigentumsrechts an einem Teil dieses Grundstücks durch den Beklagten, was in einem anderen Verfahren geprüft wird, hätte auf die Formulierung des Urteilsspruchs aus Sicht des Beklagten keine Auswirkung.

Die Beweiswürdigung der Tatsacheninstanzen kann vor dem Obersten Gerichtshof nicht mehr angegriffen werden (RIS‑Justiz RS0069246). Daran ändert sich auch nichts, wenn die Tatsachenrüge unter dem Titel „sekundäre Feststellungsmängel“ wiederholt wird. Auch die sonst geltend gemachten sekundären Feststellungsmängel liegen nicht vor. Ob es zugunsten des Beklagten Wegerechte über andere Grundstücke gibt oder nicht, ist für das vorliegende Verfahren unerheblich. Die Kostenentscheidung kann vor dem Obersten Gerichtshof ebenfalls nicht bekämpft werden.

2.1 Der Beklagte stützt sich zum einen auf die im Grundbuch eingetragene Grunddienstbarkeit des Fahrrechts aufgrund des Kaufvertrags vom 16. Februar 1846. Darüber hinaus behauptet er die Ersitzung von drei weiteren Zufahrtsstellen auf dem Wiesengrundstück der Kläger zu seinen Waldgrundstücken. Dazu hat er vorgebracht, dass die Dienstbarkeit über die gesamte Länge des Grundstücks der Kläger ausgeübt werde.

Die Vorinstanzen haben die Ersitzung zusätzlicher Nutzungsrechte an Zufahrtswegen verneint. Diese Beurteilung erweist sich als nicht korrekturbedürftig.

2.2 Für die Ersitzung einer Wegeservitut an einer fremden Sache ist die – dem Eigentümer der belasteten Liegenschaft erkennbare – Ausübung des Dienstbarkeitsrechts im Wesentlichen gleichbleibend zu bestimmten Zwecken in bestimmtem Umfang erforderlich (RIS‑Justiz RS0033018). Die bloße Ausübung des Gemeingebrauchs oder einer jedermann offenstehenden örtlichen Übung genügt für eine Ersitzung nicht. Der Eigentümer der belasteten Liegenschaft muss daher aus der Art der Benützungshandlung erkennen können, dass damit ein individuelles Recht ausgeübt wird (RIS‑Justiz RS0010135; 10 Ob 14/15d). Die Ausübung des Nutzungsrechts muss während der gesamten Ersitzungszeit redlich und echt sein (3 Ob 54/16m). Wenn etwa der Ausübende eines Gebrauchsrechts den Liegenschafts-eigentümer um Erlaubnis fragt, einen Weg benützen zu dürfen, kann weder eine schlüssige Vereinbarung eines Wegerechts noch die Ersitzung eines solchen Rechts angenommen werden (vgl 3 Ob 145/12p; auch 4 Ob 123/14p).

Im Anlassfall war eine ausdehnende Rechtsausübung durch den Beklagten in Bezug auf das gesamte in Rede stehende Wiesengrundstück der Kläger für diese nicht erkennbar. Außerdem hat der Vater des Beklagten immer um Erlaubnis gefragt, bevor er Holz über das Grundstück der Kläger transportierte.

3.1 Der Beklagte vertritt weiters den Standpunkt, dass die Vorinstanzen durch die Festlegung von bestimmten Trassen für die Holzbringung gegen die Judikatur verstoßen hätten, wonach sich die Trassen der Bringung nicht nach einer in der Natur bereits vorgegebenen Bahn, sondern vornehmlich nach dem Ort der Schlägerung richten würden.

3.2 Sollte der Beklagte damit die vom Urteilsspruch erfassten Zufahrtswege 1 und 2 meinen, so gilt Folgendes: Der Zufahrtsweg 1 wurde von den Klägern von vornherein aus ihrem Klagebegehren ausgeklammert, weil sie diesen Zufahrtsweg dem Beklagten zugestehen. Beim Zufahrtsweg 2 handelt es sich um die planliche Darstellung des im Grundbuch eingetragenen Fahrrechts.

Sollte sich der Beklagte mit seinen Überlegungen auf weitere Flächen auf dem Wiesengrundstück der Kläger beziehen, so betreffen diese Flächen die behauptete, in Wirklichkeit aber nicht erfolgte Ersitzung zusätzlicher Wegerechte. Bei den Ausführungen des Berufungsgerichts, wonach Holzbringungsrechte nur dann als individuelle Wegerechte anzusehen seien, wenn sie sich auf bestimmte Trassen beziehen würden, während räumlich nicht näher bestimmte Bringungsrechte nur Nutzungsrechte im Sinn der öffentlich‑rechtlichen (Sonder‑)Vorschriften seien (vgl RIS‑Justiz RS0011577; RS0011578; 9 Ob 64/15z), handelt es sich lediglich um eine Hilfsbegründung.

Davon abgesehen unterscheidet die vom Beklagten zitierte Entscheidung 4 Ob 528/78 gerade zwischen einem individuellen Wegerecht einerseits und dem allgemeinen Holzbringungsrecht nach § 66 Abs 1 ForstG andererseits. Demnach setzt das Wegerecht nicht unbedingt einen gebahnten und als solchen erkennbaren Weg, aber doch einen ganz bestimmten vereinbarten oder ersessenen Weg voraus. Demgegenüber ist die allgemeine Holzbringung durch „Abtrieb des Holzes über fremden Grund“ ihrem Wesen nach nicht auf einen bestimmten, räumlich begrenzten Weg beschränkt. Ein allgemeines Holzbringungsrecht ist somit gerade kein individuelles Wegerecht.

4.1 Der Beklagte führt zudem noch aus, dass für die von ihm behauptete Ersitzung weiterer Wegerechte die Grundstücksgrenze des dienenden Grundstücks genau geklärt sein müsse.

Diese Argumentation scheitert schon daran, dass die Voraussetzungen für die Ersitzung zusätzlicher Wegerechte nicht gegeben sind. Davon abgesehen ist unzweifelhaft, dass die vom klagsstattgebenden Urteilsspruch erfassten Zufahrtswege 1 und 2 über das in Rede stehende Wiesengrundstück der Kläger verlaufen.

4.2 Sollten die Ausführungen des Beklagten auch allgemein dahin zu verstehen sein, dass der Urteilstenor nicht klar erkennen lasse, in welchen Bereichen die festgestellten Zufahrtswege verlaufen, so gilt Folgendes: Das Erstgericht hat den Plan mit der Bezeichnung „Aufnahme 1“ als integrierenden Bestandteil zum Gegenstand des Urteilsspruchs erklärt und auf die darin in unterschiedlichen Farben dargestellten Zufahrtswege 1 und 2 Bezug genommen. Dadurch ist der Verlauf der vom Urteilsspruch erfassten Zufahrtswege ausreichend bestimmt. Die Beschreibung von Wegerechten durch Bezugnahme auf einen Lage‑ oder Vermessungsplan oder auf eine Skizze, die zum Gegenstand des Urteilsspruchs gemacht werden, ist nach der Rechtsprechung zulässig (vgl 7 Ob 228/13z).

5. Insgesamt gelingt es dem Beklagten nicht, mit seinen Ausführungen eine erhebliche Rechtsfrage aufzuzeigen. Die außerordentliche Revision war daher zurückzuweisen.

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