OGH 13Os132/16k

OGH13Os132/16k28.6.2017

Der Oberste Gerichtshof hat am 28. Juni 2017 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Hon.‑Prof. Dr. Kirchbacher als Vorsitzenden sowie die Hofräte und die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Lässig, Mag. Michel, Dr. Oberressl und Dr. Brenner in Gegenwart des Richteramtsanwärters Mag. Plesser als Schriftführer in der Finanzstrafsache gegen Bela K***** und einen anderen Angeklagten wegen des Verbrechens des Abgabenbetrugs nach §§ 33 Abs 2 lit a, 39 Abs 1, Abs 3 lit c FinStrG über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des genannten Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Wien als Schöffengericht vom 7. September 2016, GZ 17 Hv 78/15k‑94, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2017:0130OS00132.16K.0628.000

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufung werden die Akten dem Oberlandesgericht Wien zugeleitet.

Dem Angeklagten Bela K***** fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

 

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde Bela K***** des Verbrechens des Abgabenbetrugs nach §§ 33 Abs 2 lit a, 39 Abs 1 „lit b“, Abs 3 lit c FinStrG schuldig erkannt.

Danach hat er im Bereich des Finanzamts Wien 4/5/10 als Geschäftsführer der E***** GmbH unter Verletzung der Verpflichtung zur Abgabe von § 21 UStG entsprechenden Voranmeldungen eine Verkürzung an Umsatzsteuer, und zwar für

Jänner 2014 um 30.245,82 Euro;

Februar 2014 um 61.639,12 Euro;

März 2014 um 125.385,99 Euro;

April 2014 um 219.208,88 Euro;

Mai 2014 um 312.099,85 Euro und

Juni 2014 um 373.890,17 Euro

„unter Verwendung von Scheingeschäften“ bewirkt, indem er aus „durch Peter W***** unterfertigten umsatzsteuerausweisenden Scheinrechnungen“ „resultierende Vorsteuer“ „in die Umsatzsteuervoranmeldungen aufnahm und die sich richtigerweise ergebenden Vorauszahlungen nicht rechtzeitig abführte“, wobei er den Eintritt der Verkürzung nicht nur für möglich, sondern für gewiss hielt.

 

Rechtliche Beurteilung

Dagegen wendet sich die aus § 281 Abs 1 Z 4, 5, 5a, 9 lit a und 11 StPO ergriffene Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten Bela K*****.

 

Entgegen der Verfahrensrüge (Z 4) wurden durch die Abweisung (ON 93 S 35) des in der Hauptverhandlung gestellten Antrags des Angeklagten auf „Öffnung“ von (im Antragsvorbringen bezeichneten) Bankkonten des W***** zum Beweis dafür, dass darauf gebuchte Zahlungen des K***** „bzw.“ der E***** GmbH „im guten Glauben“ geleistet wurden (ON 93 S 32), Verteidigungsrechte nicht geschmälert.

Gleiches gilt für die Ablehnung (ON 93 S 35) des – der Sache nach auf Vertagung der Hauptverhandlung (§ 226 Abs 1 Z 3 StPO) gerichteten – Antrags des Angeklagten auf Gewährung einer 14tägigen Frist zur Vorlage „des“ (erkennbar gemeint: in Kopie ohnedies in der Hauptverhandlung vorgelegten – ON 93 S 16 iVm Beilage ./1) „Originalkaufvertrags mit der Originalunterschrift“ des W***** zum Beweis dafür, dass K***** „auf die Richtigkeit der“ (gemeint offenbar:) durch Überweisung auf die oben erwähnten Konten des W***** geleisteten „Zahlungen“ „vertraut hat“ (ON 93 S 35).

Der Begründung beider Anträge war nämlich weder zu entnehmen, warum die gewünschten Beweisaufnahmen das behauptete Ergebnis (Aufschluss über subjektive Vorstellungen des K***** zur „Richtigkeit“ an W***** geleisteter Zahlungen) hätten erwarten lassen, noch ließen sie einen Konnex zur Schuld- oder zur Subsumtionsfrage erkennen (RIS‑Justiz RS0118444).

In der Beschwerde nachgetragenes Antragsvorbringen ist prozessual verspätet und daher unbeachtlich (RIS‑Justiz RS0099618).

Der Mängelrüge zuwider lassen die Feststellungen zur Wissentlichkeit des Angeklagten in Bezug auf das Bewirken der Abgabenverkürzung (US 8) an Deutlichkeit (Z 5 erster Fall) nichts vermissen.

Mit der Behauptung von Unvollständigkeit (Z 5 zweiter Fall) gibt das Rechtsmittel einzelne, angeblich unerörtert gebliebene Passagen der – im angefochtenen Urteil umfassend gewürdigten (US 12, 14 f, 16) – Zeugenaussage Emese-Laura Ki***** nur zusammenhanglos wieder. Welcher Feststellung über welche entscheidende Tatsache diese Aussagedetails aus welchem Grund erörterungsbedürftig entgegenstehen sollten, bleibt damit offen.

Die leugnende Verantwortung des Angeklagten wurde keineswegs „völlig unerörtert“ gelassen (nominell teils letzter, inhaltlich nur zweiter Fall der Z 5), sondern als unglaubwürdig verworfen (US 8 ff und 15). Indem er aus dieser Einlassung anhand eigenständig entwickelter Beweiswerterwägungen von jenen der Tatrichter abweichende Schlüsse zieht, bekämpft er bloß deren Beweiswürdigung nach Art einer – im kollegialgerichtlichen Verfahren nicht vorgesehenen – Berufung wegen des Ausspruchs über die Schuld.

Die Aussage des Zeugen Ludwig Kr*****, wonach ein Teil der inkriminierten Umsatzsteuervoranmeldungen erst „im Laufe der Prüfung“ durch die Finanzbehörde erstattet worden sei (ON 88 S 41, 43), spricht nicht gegen die – mit dem diesbezüglichen Rechtsmittelvorbringen erkennbar bekämpften – Tatsachenannahmen zum subjektiven Handlungselement (US 7 f). Das Unterbleiben einer Auseinandersetzung mit diesem Beweisergebnis in den Urteilsgründen bedeutet daher keine Unvollständigkeit (Z 5 zweiter Fall; zum Umfang der Erörterungspflicht siehe RIS‑Justiz RS0106295).

Die Feststellung, den von W***** ausgestellten, (vom Beschwerdeführer als Vorsteuerabzug geltend gemachte) Umsatzsteuer ausweisenden Rechnungen seien keinerlei Leistungen gegenübergestanden, erschloss das Schöffengericht – frei von Verstößen gegen Gesetze der Logik oder grundlegende Erfahrungswerte (Z 5 vierter Fall) – aus einer vernetzten Betrachtung einer Vielzahl von Verfahrensergebnissen (US 9 bis 15). Dabei erachtete es die Überlegung, jene Liefergeschäfte (über „Containertankstellen“), die mit den Rechnungen dokumentiert werden sollten, hätten im Unternehmensgegenstand der E***** GmbH laut Firmenbuch keine Deckung gefunden, (bloß) als „erstes Indiz“, jedoch erkennbar nicht als notwendige Bedingung für die erwähnte Tatsachenannahme (US 9).

Das isoliert gegen die zuletzt genannte Urteilsaussage gerichtete Beschwerdevorbringen (nominell Z 5 vierter und letzter Fall) verfehlt daher von vornherein den Bezugspunkt der Mängelrüge (Ratz, WK‑StPO § 281 Rz 410).

Indem die weitere Rüge – ohne an der Gesamtheit der Entscheidungsgründe Maß zu nehmen – jeweils nur einzelne Elemente der Argumentationskette des Erstgerichts als „Scheinbegründung“ (Z 5 vierter Fall) bezeichnet und diesen eigene, ihrem Standpunkt günstigere Schlussfolgerungen entgegensetzt, verlässt sie gleichfalls den Anfechtungsrahmen (RIS‑Justiz RS0119370).

Die Kritik am Unterbleiben amtswegiger Beweisaufnahmen (Z 5a als Aufklärungsrüge, teils nominell verfehlt auch Z 4) versäumt (schon) die – zur prozessförmigen Ausführung des geltend gemachten Nichtigkeitsgrundes jedoch gebotene (Ratz, WK‑StPO § 281 Rz 480 mwN) – Darlegung, wodurch der Beschwerdeführer an sachgerechter Antragstellung in der Hauptverhandlung gehindert war.

Das weitere Vorbringen zur Tatsachenrüge (Z 5a) verfehlt die Ausrichtung nach der Verfahrensordnung, indem es die Richtigkeit dem Ausspruch über die Schuld zugrunde liegender entscheidender Tatsachen nicht anhand konkreter, in der Hauptverhandlung vorgekommener Beweismittel (Ratz, WK‑StPO § 281 Rz 481) infrage stellt, sondern bloß aufgrund eigenständig entwickelter Plausibilitätserwägungen – teils unter Berufung auf den Zweifelsgrundsatz (siehe aber RIS‑Justiz RS0102162) – einzelne Passagen der tatrichterlichen Beweiswürdigung bekämpft (RIS‑Justiz RS0119424; Ratz, WK‑StPO § 281 Rz 487).

Mit der (bloßen) Behauptung, „die rechtliche Beurteilung des im Urteil festgestellten Sachverhaltes durch das Erstgericht“ sei „unrichtig“ „bzw.“ habe dieses „die Rechtsfragen unrichtig gelöst“, weil der Angeklagte „nicht tatbildmäßig agiert bzw. gehandelt“ habe, unterlässt die Rechtsrüge (Z 9 lit a) – anders als zu ihrer gesetzmäßigen Ausführung erforderlich – den Vergleich des im Urteil festgestellten Sachverhalts mit dem darauf angewendeten Strafgesetz (RIS‑Justiz RS0099658).

Das Erstgericht ging davon aus, dass die (inhaltlich unrichtigen) Umsatzsteuervoranmeldungen der E***** GmbH nicht vierteljährlich (§ 21 Abs 2 erster Halbsatz UStG), sondern monatlich (§ 21 Abs 1 allenfalls iVm Abs 2 zweiter Halbsatz UStG) eingereicht und die für die jeweiligen Voranmeldungszeiträume (die einzelnen Kalendermonate Jänner bis Juni 2014) abzuführenden Steuern (Vorauszahlungen) weder am jeweiligen Fälligkeitstag noch sonst entrichtet wurden (US 7).

Indem die Sanktionsrüge ihre Behauptung rechtsfehlerhafter Annahme von Vollendung statt Versuch (Z 11 zweiter Fall) auf von diesem Urteilsinhalt abweichende Sachverhaltsprämissen stützt, erstattet sie der Sache nach nur ein Berufungsvorbringen (RIS‑Justiz RS0122137 [insbesondere T1, T2]; zum [Vollendungs-]Zeitpunkt des „Bewirkens“ der Abgabenverkürzung bei – wie hier – selbst zu berechnenden Abgaben siehe § 33 Abs 3 lit b FinStrG).

 

Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher – in Übereinstimmung mit der Stellungnahme der Generalprokuratur – gemäß § 285d Abs 1 StPO schon bei nichtöffentlicher Beratung sofort zurückzuweisen, woraus die Zuständigkeit des Oberlandesgerichts zur Erledigung der Berufung folgt (§ 285i StPO).

Die Kostenentscheidung beruht auf § 390a Abs 1 StPO.

Hinzugefügt sei, dass ein „Scheingeschäft“ im Sinn der lit b des § 39 Abs 1 FinStrG dann vorliegt, wenn sich die Parteien (schon) beim Abschluss eines Vertrags dahingehend geeinigt haben, dass das offen geschlossene Geschäft nicht oder nicht so gelten soll, wie die Erklärungen lauten (Lässig in WK2 FinStrG § 39 Rz 9 mwN).

Die Urteilsaussage, die vom Schuldspruch erfassten Taten seien „unter Verwendung von Scheingeschäften“ begangen worden (US 2, 20), bleibt insoweit ohne Sachverhaltsbezug (RIS‑Justiz RS0119090); die dazu festgestellte Verbuchung und Verwendung vom Mitangeklagten W***** ausgestellter „Scheinrechnungen“ (US 5 ff, 20) erfüllt dieses Tatbestandsmerkmal nicht. Vielmehr liegt darin die Verwendung falscher Beweismittel (dazu Kirchbacher in WK2 StGB § 147 Rz 36), die nach § 39 Abs 1 lit a FinStrG zu beurteilen ist. Die daher verfehlte Annahme der lit b (anstelle von lit a) dieser Bestimmung durch das Erstgericht (US 2, 20) ist jedoch im Hinblick auf die rechtliche Gleichwertigkeit der Begehungsformen des § 39 Abs 1 FinStrG (RIS‑Justiz RS0130666 = 13 Os 82/15f; 13 Os 98/15h) unter dem Aspekt der Z 10 bedeutungslos.

Mit Blick auf § 290 Abs 1 zweiter Satz StPO bleibt ferner anzumerken, dass die Wertung „völligen“ (gemeint:) Fehlens einer „Unrechtseinsicht“ des „nicht einsichtigen“ Angeklagten als eine für die (fakultative: Lässig in WK2 FinStrG § 39 Rz 25) Verhängung einer Geldstrafe (mit-)entscheidende Tatsache (US 21) eine im Sinn des § 281 Abs 1 Z 11 StPO unrichtige Gesetzesanwendung darstellt (RIS‑Justiz RS0090897). Diesem von der Beschwerde nicht aufgegriffenen Umstand wird das Oberlandesgericht bei der Berufungsentscheidung Rechnung zu tragen haben (RIS‑Justiz RS0122140).

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