OGH 3Ob96/17i

OGH3Ob96/17i7.6.2017

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Dr. Hoch als Vorsitzenden sowie die Vizepräsidentin Dr. Lovrek, die Hofräte Dr. Jensik und Dr. Roch und die Hofrätin Dr. Kodek als weitere Richter in den verbundenen Rechtssachen des Antragstellers Ing. R*****, vertreten durch Dr. Heide Strauss, Rechtsanwältin in Gänserndorf, gegen die Antragsgegner 1. mj C*****, geboren ***** 2002, 2. mj A*****, geboren ***** 2004, beide vertreten durch die Mutter E*****, wegen Einwendungen gegen den Anspruch und Unzulässigerklärung der Exekution (§§ 35, 36 EO), über den außerordentlichen Revisionsrekurs des Antragstellers gegen den Beschluss des Landesgerichts Korneuburg als Rekursgericht vom 30. März 2017, GZ 20 R 59/17t‑12, womit der Beschluss des Bezirksgerichts Gänserndorf vom 23. März 2017, GZ 6 Fam 96/16h‑9, bestätigt wurde, den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2017:0030OB00096.17I.0607.000

 

Spruch:

Dem Revisionsrekurs wird Folge gegeben.

Die Entscheidungen der Vorinstanzen werden aufgehoben. Dem Erstgericht wird die Einleitung des gesetzlichen Verfahrens unter Abstandnahme von dem gebrauchten Zurückweisungsgrund aufgetragen.

Der Antrag des Antragstellers auf Zuspruch der Kosten des Revisionsrekurses wird abgewiesen.

 

Begründung:

Der im Sprengel des Erstgerichts wohnhafte Antragsteller wendet sich mit seinen jeweils am 7. Dezember 2016 beim Erstgericht eingelangten, als „Einwendungen gegen den Anspruch gemäß § 35 EO und gemäß § 36 EO“ bezeichneten und gegen seine in Ungarn wohnhaften minderjährigen Kinder gerichteten Anträgen gegen die mit Beschluss des Erstgerichts vom 8. November 2016 bewilligte Unterhaltsexekution. Dieser Exekutionsbewilligung liegt ein vor dem Bezirksgericht Döbling am 26. Februar 2008 geschlossener Unterhaltsvergleich zugrunde.

Das Erstgericht wies den Antrag a limine zurück.

Das Rekursgericht gab dem Rekurs des Antragstellers nicht Folge und ließ den ordentlichen Revisionsrekurs nicht zu. Der Klägergerichtsstand des Art 3 lit b EuUVO sei geschaffen worden, damit der Unterhaltsberechtigte nicht genötigt sei, seinen Anspruch vor dem Gericht geltend zu machen, das für den Beklagten (Antragsgegner) zuständig sei. Diese Zielsetzung würde konterkariert, ließe man die Geltendmachung geänderter anspruchshindernder Umstände in jenem Staat zu, in dem der Unterhaltsschuldner seinen allgemeinen Gerichtsstand habe. Der Unterhaltsschuldner als Kläger oder Antragsteller könne somit keinen Aktivgerichtsstand für sich ins Treffen führen. Das entspreche auch der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs (3 Ob 174/16h).

Rechtliche Beurteilung

Der außerordentliche Revisionsrekurs des Antragstellers ist zulässig, weil das Rekursgericht die Heilungsmöglichkeit nach Art 5 EuUVO nicht beachtet hat. Der Revisionsrekus ist im Ergebnis auch berechtigt.

Nach Art 5 der hier anzuwendenden Verordnung (EG) 2009/4 des Rates vom 18. Dezember 2008 über die Zuständigkeit, das anwendbare Recht, die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen und Zusammenarbeit in Unterhaltssachen (EuUVO) wird das Gericht eines Mitgliedstaats, sofern es nicht bereits nach anderen Vorschriften dieser Verordnung zuständig ist, zuständig, wenn sich der Beklagte auf das Verfahren einlässt.

Zur inhaltsgleichen Vorschrift des Art 26 EuGVVO 2012 (Art 24 EuGVVO alt) vertritt der Oberste Gerichtshof in ständiger Rechtsprechung die Auffassung, dass das angerufene Gericht im Anwendungsbereich der EuGVVO eine internationale Zuständigkeit nicht von Amts wegen a limine wahrnehmen darf, sondern dem Beklagten die Möglichkeit zu geben hat, sich einzulassen (RIS‑Justiz RS0111247). Dieser Grundsatz gilt auch im Anwendungsbereich der EuUVO (3 Ob 2/17s iFamZ 2017/80, 122 [Fucik] = RIS‑Justiz RS0111247 [T10]).

Der Sachantrag ist daher den Antragsgegnern zuzustellen, damit diesen die Gelegenheit gegeben wird, den Mangel der internationalen Zuständigkeit durch rügelose Einlassung auf das Verfahren zu heilen. Die im Revisionsrekurs aufgeworfene Frage nach der internationalen Zuständigkeit des Erstgerichts ist in diesem Verfahrensstadium nicht zu beantworten.

Der Ausspruch, dass der Antragsteller die Kosten des Revisionsrekurses selbst zu tragen hat, gründet sich auf § 101 Abs 2 AußStrG (vgl 3 Ob 2/17s).

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