OGH 4Ob32/17k

OGH4Ob32/17k30.5.2017

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Dr. Vogel als Vorsitzenden und die Hofräte Dr. Jensik, Dr. Schwarzenbacher, Dr. Roch und Dr. Rassi als weitere Richter in der Rechtssache des Klägers W***** K*****, vertreten durch Aigner Rechtsanwalts-GmbH in Wien, gegen die Beklagte B***** PLC, *****, vertreten durch WOLF THEISS Rechtsanwälte GmbH & Co KG in Wien, wegen 21.995,14 EUR sA und Rechnungslegung (Streitwert 3.000 EUR), im Verfahren über den Revisionsrekurs des Klägers gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts Wien als Rekursgericht vom 30. November 2016, GZ 1 R 152/16d-18, womit der Beschluss des Handelsgerichts Wien vom 18. Juli 2016, GZ 58 Cg 202/12g‑11, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2017:0040OB00032.17K.0530.000

 

Spruch:

Das Verfahren 4 Ob 32/17k wird bis zur Entscheidung des Gerichtshofs der Europäischen Union über den vom Obersten Gerichtshof am 10. Mai 2017 zu 3 Ob 28/17i gestellten Antrag auf Vorabentscheidung unterbrochen.

Nach Einlangen der Vorabentscheidung wird das Verfahren von Amts wegen fortgesetzt.

 

Begründung:

Der in Österreich ansässige Kläger nimmt die beklagte britische Bank aus der Emission einer Schuldverschreibung in Anspruch. Dabei stützt er sich auf vertragliche Ansprüche aus dem Anleiheverhältnis und auf deliktische Ansprüche aufgrund von Prospekt- und Kontrollmängeln. Zur internationalen Zuständigkeit des angerufenen Gerichts beruft sich der Kläger auf die Gerichtsstände der Art 15 Nr 1 lit c EuGVVO 2001, hilfsweise auf Art 5 Nr 3 und Nr 1 lit a EuGVVO 2001.

Die Beklagte bestritt die internationale Zuständigkeit des Erstgerichts.

Das Erstgericht erklärte sich für international unzuständig und wies die Klage zurück. Der Kläger könne die Zuständigkeit des angerufenen Gerichts weder auf Art 15 Abs 1 noch auf Art 5 Nr 1 lit a EuGVVO 2001 stützen, weil sich eine über die aus dem bloßen Halten der Anleihe resultierende vertragliche Beziehung hinausgehende freiwillige Verpflichtung der Beklagten ihm gegenüber aus seinem Vorbringen nicht ergebe. Aus diesem Grund sei das Erstgericht für vertragliche Ansprüche nicht international zuständig. Zu den hilfsweise geltend gemachten deliktischen Ansprüchen iSd Art 5 Nr 3 EuGVVO 2001 zählten auch Prospekthaftungsansprüche. Der Kläger habe allerdings nicht vorgebracht, dass sich der Schaden unmittelbar auf einem ihm zuzuordnenden Bankkonto bei einer Bank in Wien verwirklicht hätte. Das angerufene Gericht sei deshalb nicht zuständig.

Das Rekursgericht gab dem Rekurs des Klägers nicht Folge. Der Erfüllungsort iSd Art 5 Nr 1 lit a EuGVVO 2001 liege am Sitz der Zweigniederlassung der Beklagten in Deutschland, sodass die österreichischen Gerichte für die vertraglichen Ansprüche des Klägers nicht international zuständig seien. Zu den weiter angezogenen internationalen Zuständigkeitstatbeständen enthalte der Rekurs keine Ausführungen.

In seinem – vom Rekursgericht angesichts der Vielzahl gleich oder ähnlich gelagerter Fälle im Hinblick auf die Wahrung der Rechtseinheit und Rechtssicherheit zugelassenen – Revisionsrekurs macht der Kläger zusammengefasst geltend, der Erfüllungsort hinsichtlich der vertraglichen Ansprüche liege in Wahrheit in Österreich. Dasselbe gelte für den – im Deliktsrecht begründeten – Prospekthaftungsanspruch, da der Erfüllungsort hinsichtlich der Prospektpflicht in Österreich gelegen sei.

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsrekurs ist zulässig. Über seine Berechtigung wird nach dem Einlangen der Vorabentscheidung des Europäischen Gerichtshofs in der Rechtssache des Obersten Gerichtshofs 3 Ob 28/17i zu entscheiden sein:

In jenem Verfahren hat der Oberste Gerichtshof dem Europäischen Gerichtshof folgende Frage gestellt:

Ist nach Art 5 Nr 3 der Verordnung (EG) Nr 44/2001 des Rates vom 22. Dezember 2000 über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen für außervertragliche Ansprüche wegen Prospekthaftung dann, wenn

- der Anleger seine durch den mangelhaften Prospekt verursachte Anlageentscheidung an seinem Wohnsitz getroffen hat

- und er aufgrund dieser Entscheidung den Kaufpreis für das am Sekundärmarkt erworbene Wertpapier von seinem Konto bei einer österreichischen Bank auf ein Verrechnungskonto bei einer anderen österreichischen Bank überwiesen hat, von wo der Kaufpreis in der Folge im Auftrag des Klägers an den Verkäufer überwiesen wurde,

(a) jenes Gericht zuständig, in dessen Zuständigkeitsbereich der Anleger seinen Wohnsitz hat,

(b) jenes Gericht zuständig, in dessen Zuständigkeitsbereich der Sitz/die kontoführende Filiale jener Bank liegt, bei der der Kläger sein Bankkonto hat, von dem er den investierten Betrag auf das Verrechnungskonto überwiesen hat,

(c) jenes Gericht zuständig, in dessen Zuständigkeitsbereich der Sitz/die kontoführende Filiale der Bank liegt, bei der sich das Verrechnungskonto befindet,

(d) nach Wahl des Klägers eines dieser Gerichte zuständig,

(e) keines dieser Gerichte zuständig?

 

Das vorliegende Verfahren betrifft einen vergleichbaren Sachverhalt, weshalb sich auch dieselben Rechtsfragen stellen wie im Verfahren 3 Ob 28/17i.

Der Oberste Gerichtshof hat von einer allgemeinen Wirkung der Vorabentscheidung des Europäischen Gerichtshofs auszugehen und diese auch für andere als den unmittelbaren Anlassfall anzuwenden. Aus prozessökonomischen Gründen ist dieses Verfahren daher zu unterbrechen (RIS-Justiz RS0110583).

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