OGH 4Ob93/17f

OGH4Ob93/17f30.5.2017

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Dr. Vogel als Vorsitzenden und die Hofräte Dr. Jensik, Dr. Schwarzenbacher, Dr. Rassi und MMag. Matzka als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei H***** GmbH *****, vertreten durch Mag. Franz Paul, Rechtsanwalt in Wien, gegen die beklagten Parteien 1. „E*****“ ***** GmbH, *****, 2. A***** G*****, 3. M***** D*****, alle vertreten durch Dr. Ludwig Beurle und andere Rechtsanwälte in Linz, wegen Unterlassung und Urteilsveröffentlichung (Gesamtstreitwert 35.000 EUR), über die außerordentliche Revision der beklagten Parteien gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht vom 24. März 2017, GZ 3 R 68/16s‑27, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2017:0040OB00093.17F.0530.000

 

Spruch:

Die außerordentliche Revision wird zurückgewiesen.

 

Begründung:

Die klagende Partei und die erstbeklagte Partei stehen als Detektivunternehmen als Mitbewerber in einem Wettbewerbsverhältnis.

In teilweiser Stattgebung des auf Verletzungen von kollektivvertragsrechtlichen Bestimmungen iVm § 1 Abs 1 Z 1 UWG (Fallgruppe Rechtsbruch) gestützten Unterlassungsanspruchs untersagten die Vorinstanzen den beklagten Parteien, die bei der erstbeklagten Partei als Berufsdetektivassistenten beschäftigte Dienstnehmer dadurch zu gering zu entlohnen, dass sie falsch als Arbeiter eingestuft werden, und sie unrichtig in die Verwendungsgruppe I des jeweils aktuellen Rahmenkollektivvertrags für Angestellte in Handwerk und Gewerbe, in der Dienstleistung, in Information und Consulting falsch einzustufen. Den Entscheidungen liegt die Rechtsansicht zugrunde, dass die Berufsdetektivassistenten bei der erstbeklagten Partei als Angestellte nicht bloß schematische oder mechanische Arbeiten leisteten, weshalb eine Einstufung nach der Verwendungsgruppe II des Kollektivvertrags zu erfolgen habe.

Die beklagten Parteien vermögen in ihrem außerordentlichen Rechtsmittel keine erhebliche Rechtsfrage im Sinn des § 502 Abs 1 ZPO aufzuzeigen.

Rechtliche Beurteilung

1.1 Die für das kollektivvertragsrechtliche Gehalt eines Dienstnehmers maßgebliche Frage der richtigen Einstufung anhand der konkreten Tätigkeit in eine Kollektivvertragsgruppe kann nur nach den Umständen des Einzelfalls beurteilt werden und begründet damit keine erhebliche Rechtsfrage (RIS‑Justiz RS0110650). Auch die für die Einstufung allenfalls relevante Frage, ob die Tätigkeit eines Arbeiters oder die eines Angestellten vorliegt, ist in der Regel eine solche des Einzelfalls (8 ObA 39/08f; RIS‑Justiz RS0028066; RS0044088 [T13]).

1.2 Eine derartige Einzelfallentscheidung ist durch den Obersten Gerichtshof nur dann überprüfbar, wenn im Interesse der Rechtssicherheit ein grober Fehler bei der Auslegung der anzuwendenden Norm korrigiert werden müsste (RIS-Justiz RS0042769). Ein derartiger grober Beurteilungsfehler ist dem Berufungsgericht aber nicht unterlaufen.

2.1 Die von den Vorinstanzen bejahte Qualifikation der Beschäftigten als Angestellte für höhere, nicht kaufmännische Dienste setzt eine größere Selbständigkeit und Denkfähigkeit, höhere Intelligenz, Genauigkeit und Verlässlichkeit sowie die Fähigkeit der Beurteilung der Arbeiten anderer, Aufsichtsbefugnis sowie überwiegend nichtmanuelle Arbeiten und gewisse Einsicht in den Arbeitsablauf voraus, wobei diese Kriterien Indizien sind und keineswegs zur Gänze im Einzelfall vorliegen müssen (RIS‑Justiz RS0027992).

2.2 Die als Berufsdetektivassistenten beschäftigten Dienstnehmer der erstbeklagten Partei ermittelten und verfolgten Verdachtsfälle in Kaufhäusern selbständig, mussten dabei Problemsituationen selbst erkennen und abschätzen, ob ein Einschreiten notwendig war oder nicht, wobei dabei eine Einschulung, soziale Fähigkeiten und Kenntnisse der rechtlichen Grundlagen erforderlich waren. Ihre Arbeit war auch davon geprägt, dass Verdächtige angehalten und gestohlene Ware sichergestellt werden mussten, Niederschriften über Vorfälle anzufertigen sowie Videoaufzeichnungen zu prüfen waren und auch mit Behörden zusammenzuarbeiten war.

2.3 Die Vorinstanzen haben aufgrund der festgestellten Tätigkeit die Angestellteneigenschaft der Berufsdetektivassistenten bejaht. Diese Rechtsansicht hält sich im Rahmen der zuvor referierten Rechtsprechung (vgl implizit auch 4 Ob 35/85, 8 ObA 12/15w) und bedarf daher keiner Korrektur durch gegenteilige Sachentscheidung.

3. Entsprechendes gilt auch für die Einstufung in die Verwendungsgruppe. Wenn die Vorinstanzen aufgrund der von den Berufsdetektivassistenten auszuübenden Tätigkeiten das Vorliegen von „schematischen und mechanischen Arbeiten“ verneint und damit die von der klagenden Partei als unlauter angegriffene Einstufung in die (nur) für einfache Arbeiten vorgesehene Kollektivvertragsgruppe als Rechtsbruch qualifiziert haben, kann die davon abweichende Rechtsansicht der beklagten Parteien keine erhebliche Rechtsfrage begründen.

4. Auch aus dem Hinweis auf § 9 ArbVG lässt sich keine erhebliche Rechtsfrage ableiten. Die Anwendung dieser Norm ist davon abhängig, dass ein mehrfach kollektivvertragsangehöriger Arbeitgeber über zwei oder mehrere Betriebe verfügt, was von den beklagten Parteien in erster Instanz aber nicht vorgebracht wurde. Davon abgesehen kommt es nach gesicherter Rechtsprechung dann zu keiner echten Kollision von Kollektivverträgen im Sinne des § 9 Abs 3 ArbVG, wenn in einem „Mischbetrieb“ nur ein Kollektivvertrag für die Arbeiter und einer für die Angestellten besteht. In diesem Fall kann der Kollektivvertrag des maßgeblicheren Wirtschaftsbereichs, der nur für die Arbeiter gilt, den fachlich und persönlich anzuwendenden Kollektivvertrag für die Angestellten nicht verdrängen. Beide Kollektivverträge bestehen insoweit nebeneinander (RIS‑Justiz RS0050890).

5. Schließlich kann auch die Verneinung der lauterkeitsrechtlichen Vertretbarkeit einer Rechtsansicht durch die Vorinstanzen die Zulässigkeit des Rechtsmittels nicht begründen.

5.1 Das Berufungsgericht qualifizierte die Rechtsansicht der beklagten Parteien, dass die Berufsdetektivassistenten als Arbeiter im Sinne des Kollektivvertrags für Wachorgane im Bewachungsgewerbe einzustufen seien, als unvertretbar und verwies dabei auf das Berufsbild der Berufsdetektive nach dem klaren Wortlaut der GewO. Demnach bedarf es nach § 129 Abs 1 Z 6 GewO „für die Beobachtung von Kunden in Geschäftslokalen“ einer Gewerbeberechtigung für das Gewerbe der Berufsdetektive. Weiters stützte es die Unvertretbarkeit des Standpunkts der beklagten Parteien zur Abgrenzung der Tätigkeit eines Angestellten von der eines Arbeiters auf das AngG und die dazu ergangene Rechtsprechung. Das Berufungsgericht hat die Parameter zur Beurteilung der lauterkeitsrechtlichen Vertretbarkeit damit im Rahmen der gesicherten Rechtsprechung (zB RIS‑Justiz RS0123239 [T8]) angewandt und jedenfalls vertretbar gelöst. Zudem erteilte die Wirtschaftskammer Niederösterreich den beklagten Parteien die Auskunft, dass Kaufhausdetektive „aufgrund ihrer höherwertigen Tätigkeit zwingend als Angestellte einzustufen sind“.

5.2 Die knappen und nicht näher begründeten Ausführungen im Rechtsmittel, dass die Einstufung als Arbeiter „aufgrund des Gesetzes- als auch des Kollektivvertragswortlauts … ungleich wahrscheinlicher war“ zeigen keine krasse Fehlbeurteilung auf.

6. Aus diesen Gründen ist die Revision zurückzuweisen.

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