OGH 1Ob70/17a

OGH1Ob70/17a24.5.2017

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Hon.‑Prof. Dr. Sailer als Vorsitzenden sowie die Hofräte Univ.‑Prof. Dr. Bydlinski, Mag. Wurzer, Mag. Dr. Wurdinger und die Hofrätin Dr. Hofer‑Zeni‑Rennhofer als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei T***** Rechtsanwälte OG in Liquidation, *****, vertreten durch Mag. Dr. Marcel Pilshofer, Rechtsanwalt in Wien, gegen die beklagte Partei J***** O*****, vertreten durch die Dax & Partner Rechtsanwälte GmbH, Oberwart, wegen 80.236 EUR sA, über die außerordentliche Revision der beklagten Partei gegen das Teilurteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht vom 13. Februar 2017, GZ 11 R 6/17h‑86, mit dem das Urteil des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien vom 27. Oktober 2016, GZ 16 Cg 221/12f‑80, teilweise bestätigt und teilweise abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2017:0010OB00070.17A.0524.000

 

Spruch:

Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

Begründung:

Rechtliche Beurteilung

1. Die analoge Anwendung des § 25 Abs 1a GebAG, nach dem der Sachverständige seinen Gebührenanspruch teilweise ua dann verliert, wenn er das Gericht nicht rechtzeitig darauf hinweist, dass die tatsächlich entstehende Gebühr die Höhe des erliegenden Kostenvorschusses übersteigen wird, auf den Honoraranspruch des Rechtsanwalts seines Klienten wurde in der jüngeren Judikatur wiederholt abgelehnt, zuletzt auch mit ausführlicher Begründung (2 Ob 145/05w, 6 Ob 239/09d; RIS‑Justiz RS0071986 [T2]). Entsprechendes gilt etwa auch für den Entgeltanspruch eines Ziviltechnikers (10 Ob 15/14z).

Im Übrigen gehen die Erörterungen der Revisionswerberin dazu schon deshalb ins Leere, weil sie im vorliegenden Fall gar keinen Kostenvorschuss erlegt hat, wie sie selbst betont.

2. Soweit sich die Revisionswerberin auf die sinngemäße Anwendung der weiteren Tatbestandsvariante des § 25 Abs 1a GebAG beruft, nämlich die Obliegenheit zur Warnung bei einem den Wert des Streitgegenstands übersteigenden Gebührenanspruch, ist darauf schon deshalb nicht näher einzugehen, weil im Verfahren erster Instanz gar nicht behauptet worden ist, dass die (vom Berufungsgericht für berechtigt angesehenen) Honoraransprüche der Klägerin höher wären als die Streitwerte im Aufteilungs‑ und im Unterhaltsverfahren (vgl nur 3 Ob 132/08w).

Im Übrigen setzt sich die Revisionswerberin in keiner Weise sachlich mit dem Vorliegen einer Gesetzeslücke auseinander, die Grundlage für jede Analogie ist. Sie erörtert insbesondere nicht, warum es geboten sein sollte, eine für das öffentlich‑rechtliche Rechtsverhältnis zwischen dem Sachverständigen und dem Gericht konzipierte Norm auf den privatrechtlichen Vertrag zwischen dem Rechtsanwalt und seinem Mandanten zu übertragen. Anders als gegenüber einem Sachverständigen im gerichtlichen Verfahren wäre der Beklagten auch jederzeit die Möglichkeit offen gestanden, von der Klägerin Auskünfte über die Höhe des bereits aufgelaufenen oder des noch zu erwartenden Honorars zu erbitten. Unterlässt jemand derartige Erkundigungen, muss er eben damit rechnen, dass insgesamt eine erhebliche Honorarverbindlichkeit entsteht, wenn sich die Vertretungstätigkeit als zeitlich aufwendig erweist.

3. Warum es für den Honoraranspruch von Bedeutung sein sollte, dass durch die Bemühungen der Rechtsanwälte letztlich nur ein Ergebnis erzielt wurde, mit dem die Beklagte unzufrieden ist, ist nicht verständlich, schuldet der Rechtsanwalt doch nur die fachgerechte auftragsgemäße Vertretung und keineswegs einen bestimmten Erfolg (vgl RIS‑Justiz RS0038695). Dass der Beklagten etwa unrichtigerweise ein günstigeres Verfahrens‑ oder Verhandlungsergebnis als erwartbar in Aussicht gestellt worden wäre, behauptet sie nicht. Wird – wie hier – eine Entlohnung des Rechtsanwalts nach Zeitaufwand vereinbart, steht ihm grundsätzlich ohne Rücksicht auf den Erfolg seiner Bemühungen ein Honorar für all jene Zeiträume zu, in denen er sich in zweckmäßiger Weise bemüht hat, seinen Vertretungsauftrag zu erfüllen.

4. Entspricht es nun der Judikatur, dass sich die Beklagte nicht darauf berufen kann, infolge unterlassener Warnung sei der Honoraranspruch der Klägerin teilweise erloschen, käme nur die Verletzung von – aus der allgemeinen Pflicht zur Interessenswahrung abgeleiteten – Warn‑, Aufklärungs‑, Informations‑ und Verhütungspflichten (RIS‑Justiz RS0112203) in Betracht. Ob aus diesen im Einzelfall auch die Verpflichtung resultiert, den Mandanten über die absolute Höhe der bereits entstandenen oder noch zu erwartenden Honoraransprüche aufzuklären, hängt von den besonderen Umständen ab und entzieht sich damit grundsätzlich einer Qualifikation als erhebliche Rechtsfrage im Sinne des § 502 Abs 1 ZPO (vgl nur RIS‑Justiz RS0047275). Im vorliegenden Fall erübrigt sich eine nähere Erörterung aber schon deshalb, weil die Verletzung von Aufklärungspflichten nur zu Schadenersatzansprüchen führen könnte (vgl etwa RIS‑Justiz RS0112203 [T7]), nicht aber zum (teilweisen) Verlust des Honoraranspruchs. Die ursprünglich erhobene Gegenforderung hat die Beklagte aber bereits im Berufungsverfahren nicht mehr weiter verfolgt.

5. Auch die Beurteilung, ob bestimmte vom Rechtsanwalt verrechnete Leistungen zweckmäßig waren und daher im Rahmen der Honorarvereinbarung zu vergüten sind, hängt regelmäßig von der Einzelfallbeurteilung ab. Warum es unzutreffend sein sollte, den gesamten Zeitaufwand zu honorieren, wenn zuerst ein Entwurf und danach eine Endfassung erstellt wird, wird in der Revision nicht näher erklärt. Die Revisionswerberin übersieht dabei offenbar, dass die sofortige Erstellung einer Endfassung einen erheblich höheren Zeitaufwand erfordert als die bloße Verfassung eines Entwurfs. Von einer „doppelten Verrechnung“ kann schon deshalb nicht ausgegangen werden, weil bei Herstellung der Endfassung ja auf dem bereits vorher verfassten Entwurf aufgebaut werden kann.

Soweit die Revisionswerberin schließlich die Zweckmäßigkeit der Herstellung ihr verrechneter Kopien in Frage stellt, legt sie nicht dar, welche der zahlreichen Kopien sie hier meint. Auch angesichts der für die Kopien verrechneten (und zugesprochenen) Gesamtbeträge und der Bestimmung des § 273 Abs 2 ZPO kann dem Berufungsgericht kein Beurteilungsfehler vorgeworfen werden, der im Revisionsverfahren zu korrigieren wäre.

6. Die Entscheidung des Obersten Gerichtshofs hat sich auf das angefochtene Teilurteil zu beschränken. Der von der Revisionswerberin angesprochene „Sonderfall“ (vgl RIS‑Justiz RS0040804) liegt schon deshalb nicht vor, weil das angefochtene Teilurteil nicht aufgehoben wird.

7. Einer weiteren Begründung bedarf es nicht (§ 510 Abs 3 ZPO).

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