OGH 9Ob22/17a

OGH9Ob22/17a24.5.2017

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Hopf als Vorsitzenden und die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Hon.‑Prof. Dr. Dehn, den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. Hargassner sowie die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Mag. Korn und Dr. Weixelbraun‑Mohr als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei D*****, vertreten durch Beurle, Oberndorfer, Mitterlehner, Rechtsanwälte in Linz, gegen die beklagte Partei C***** AG, *****, vertreten durch Lansky, Ganzger & Partner Rechtsanwälte GmbH in Wien, wegen 1,5 Mio EUR sA, über die außerordentliche Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Linz als Berufungsgericht vom 7. Februar 2017, GZ 1 R 123/16p‑27, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2017:0090OB00022.17A.0524.000

 

Spruch:

Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen (§ 510 Abs 3 ZPO).

Begründung:

Rechtliche Beurteilung

1. Durch eine Selbstsperre eines Casinobesuchers wird ein Dauerschuldverhältnis begründet, das vom Besucher, wenn nicht Gesetz oder Vertrag entgegenstehen, jederzeit ohne Angabe von Gründen aufgekündigt werden kann (RIS‑Justiz RS0110236).

Nach Ansicht des Klägers war seine im Oktober 2009 beantragte Selbstsperre, die auch sein Sohn unterfertigt hatte, weiterhin aufrecht und wurde durch seinen (von der Beklagten bewilligten) Antrag auf Aufhebung der Besuchsbeschränkung vom März 2011 nicht aufgehoben, weil sein Sohn diesem Aufhebungsantrag nicht zugestimmt habe. Dabei lässt er jedoch die Feststellung außer Acht, nach der es eine Vereinbarung der Streitteile dahingehend, dass die Selbstbeschränkung nur mit Zustimmung oder Information des Sohnes des Klägers gelockert oder aufgehoben werden dürfte, nicht gab.

Entgegen der Rechtsansicht des Klägers lassen sich keine allgemeinen Grundsätze über die Rechtswirkungen der Aufnahme weiterer Personen in eine Casino-Besuchsbeschränkung festlegen, sondern die jeweilige vertragliche Vereinbarung ist unter Berücksichtigung der konkreten Umstände des Einzelfalls auszulegen (vgl allgemein RIS‑Justiz RS0044298; RS0044358 uva). Ein Abweichen von der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs oder ein unvertretbares Auslegungsergebnis, das eine erhebliche Rechtsfrage aufwerfen würde (RIS‑Justiz RS0042936), vermag der Revisionswerber im Anlassfall nicht aufzuzeigen.

2. Die Formulierung der Selbstsperre, die eine Aufhebung „nur auf schriftlichen Antrag“ vorsieht, enthält die Wortfolge „[...] Gegebenenfalls ist ein aktueller Einkommensnachweis vorzulegen [...]“. Die Auslegung dieser Formulierung durch das Berufungsgericht dahin, dass die Bedeutung des Wortes „gegebenenfalls“ nicht mit dem Wort „zwingend“ gleichgesetzt werden könne, begegnet keinen Bedenken.

3. Nach der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs bezweckt die Bestimmung des § 25 Abs 3 GSpG nicht nur den Schutz öffentlicher Interessen, sondern zumindest auch den Schutz der Vermögensinteressen des einzelnen Spielers (RIS‑Justiz RS0111940). Zur Bedeutung der drohenden Gefährdung des Existenzminimums hat der Oberste Gerichtshof bereits ausgesprochen, dass dies nicht im Sinn der Regelungen der Exekutionsordnung zum Existenzminimum, sondern allgemeiner im Sinn einer Störung der wirtschaftlichen, sozialen und familiären Grundlagen zu verstehen ist (RIS‑Justiz RS0111940 [T5, T8]). Die Frage, zu welchem Zeitpunkt es hätte auffallen müssen, dass die Verluste des Klägers existenzbedrohend werden, richtet sich nach den Umständen des zu beurteilenden Einzelfalls, denen keine über diesen hinausgehende Bedeutung zukommt (RIS‑Justiz RS0111940 [T3]). Dies gilt auch für die Frage, ab welchem Moment für die Spielbankleitung die begründete Annahme entstand, dass Häufigkeit und Intensität seiner Teilnahme am Spiel für den Zeitraum, in welchem der jeweilige Spieler mit dieser Intensität und Häufigkeit spielt, dessen Existenzminimum gefährden.

Im vorliegenden Fall steht fest, dass Mitarbeiter der Beklagten mit dem Kläger jeweils vor einer Änderung sowie vor der Aufhebung der Besuchsbeschränkung Gespräche führten, in denen der Kläger über die Gefahren der Spielteilnahme aufgeklärt, über Beratungsstellen informiert und auch „auf die Gefahren für das Existenzminimum“ hingewiesen wurde. Die Beklagte holte innerhalb von drei Jahren insgesamt vier Bonitätsauskünfte zum Kläger ein, die jeweils geordnete finanzielle Verhältnisse auswiesen und aus denen sich auch keine Verschlechterung der finanziellen Situation des Klägers ergab. Es steht fest, dass der Erlös des Klägers aus dem Verkauf eines Zinshauses sowie seine sonstigen Vermögenswerte die geltend gemachten Spielverluste deutlich überstiegen. Die Beurteilung der Vorinstanzen, dass hier von einer Gefährdung der wirtschaftlichen Lebensgrundlage des Klägers nicht ausgegangen werden könne und die von der Beklagten gesetzten Maßnahmen ihren Verpflichtungen nach dem GSpG entsprochen hätten, ist zumindest vertretbar. Ein Widerspruch der angefochtenen Entscheidung zu der vom Revisionswerber zitierten Rechtsprechung besteht nicht.

Das Berufungsgericht hat die vom Kläger behaupteten Trinkgelder dem erlittenen Verlust nicht hinzugerechnet. Da auch diese Beträge in Anbetracht des dem Kläger noch zur Verfügung stehenden Vermögens keine seine wirtschaftliche Existenz bedrohenden Auswirkungen hätten, kann die Frage dahingestellt bleiben, ob die Beklagte bei einem Verstoß gegen ihre Schutz- und Sorgfaltspflichten gemäß § 25 Abs 3 GSpG auch für diese Ausgaben eines Spielers Ersatz leisten müsste.

4. Dem Revisionswerber gelingt es damit insgesamt nicht, eine Rechtsfrage von der in § 502 Abs 1 ZPO geforderten Qualität aufzuwerfen.

Einer weiteren Begründung bedarf ein Zurückweisungsbeschluss gemäß § 510 Abs 3 Satz 3 ZPO nicht.

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