European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2017:E118391
Spruch:
Der Revision wird nicht Folge gegeben.
Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit 377,50 EUR (darin 62,92 EUR USt) bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortung binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Entscheidungsgründe:
Am 20. 10. 1994 schlossen die klagende Wohnungsgenossenschaft und ein (später verstorbenes) Mitglied einen Nutzungsvertrag über eine Wohnung (Siedlungshaus) samt Garten gegen Leistung einer monatlichen Nutzungsgebühr ab. Nach § 5 Abs 2 des Vertrags richtet sich die Nachfolge im Nutzungsrecht an der Wohnung nach den Bestimmungen der Statuten. Die Rechtsfolgen des Todes eines Mitglieds werden in der Satzung der Klägerin in § 9 Abs 1 folgendermaßen geregelt: „Stirbt ein Mitglied vor dem 30. September, erlischt die Mitgliedschaft am Ende des laufenden, sonst am Ende des darauffolgenden Jahres. Bis zu diesem Zeitpunkt haben die Erben bei sonstigem Verlust der Mitgliedschaft des Erblassers beziehungsweise der Verlassenschaft eine Person namhaft zu machen, welche an Stelle des Erblassers dessen Geschäftsanteil übernimmt und Mitglied wird. Dieser von den Erben bezeichnete Übernehmer tritt auf Grund einer schriftlich abgegebenen Übernahmserklärung in die Rechte und Pflichten des Erblassers an dessen Stelle als Mitglied in die Genossenschaft ein, wenn der Vorstand ihn als Mitglied aufnimmt. Die gesetzliche Haftung des Nachlasses beziehungsweise der Erben wird jedoch hiedurch nicht berührt.“ Andere Bestimmungen der Satzung sehen vor, dass (nur) Mitglieder der Klägerin berechtigt sind, sich um die Nutzung einer Genossenschaftswohnung zu bewerben bzw dass das Recht zur Nutzung einer Genossenschaftswohnung durch die Mitgliedschaft bedingt ist. Einige Jahre vor seinem Tod am 6. 2. 2015 hatte das Mitglied mit Einwilligung der Klägerin umfangreiche Zu‑ und Umbauarbeiten am Objekt durchführen lassen. Mit Schreiben vom 30. 12. 2015 teilte die Verlassenschaftskuratorin mit, dass namens eines Vereins, dem die Verstorbene ihre Rechte an der gegenständlichen Liegenschaft vermacht habe, eine bestimmte Person als Nachfolgerin im Nutzungsrecht namhaft gemacht werde. Es werde ersucht, diese Nachfolgerbestimmung zur Kenntnis zu nehmen und den Übergang des zwischen der Klägerin und der Verstorbenen bestandenen Nutzungsvertrags auf die namhaft gemachte Nachfolgerin zu bestätigen. Diesem Schreiben wurde ein (von der „Nachfolgerin“ unterfertigter) Kaufvertragsentwurf zwischen der Verlassenschaft als Verkäuferin und der namhaft gemachten Person als Käuferin angeschlossen, in dem davon ausgegangen wurde, dass das von der Verstorbenen bewohnte Objekt in deren Eigentum gestanden sei. Der Vorstand der Klägerin akzeptierte die vorgeschlagene Person allerdings nicht als Mitglied.
Die Klägerin beantragte mit ihrer gegen die Verlassenschaft nach dem verstorbenen Mitglied gerichteten gerichtlichen Aufkündigung die (geräumte) Übergabe des Bestandobjekts und berief sich insbesondere darauf, dass die vermietete Wohnung im Sinne des § 30 Abs 2 Z 5 MRG nicht mehr einem dringenden Wohnbedürfnis eintrittsberechtigter Personen diene. Entgegen der Rechtsauffassung der Beklagten regle § 9 Abs 1 der Satzung ausschließlich die Übernahme des Geschäftsanteils des Genossenschaftsmitglieds nach dessen Tod, nicht aber auch einen allfälligen Eintritt in einen Nutzungsvertrag.
Die Beklagte wandte dagegen ein, sie habe gemäß § 5 des Nutzungsvertrags iVm § 9 Abs 1 der Satzung der Klägerin eine Person als Nachfolgerin im Nutzungsrecht namhaft gemacht, die die Wohnung für ihr dringendes Wohnbedürfnis benötige. Sie sei als vertragsgemäß namhaft gemachte Nachfolgerin aufgrund der einschlägigen vertraglichen Bestimmungen berechtigt, in den Nutzungsvertrag einzutreten, weshalb es auf ein gesetzliches Eintrittsrecht nach § 14 Abs 3 MRG nicht ankomme. Auf die ursprünglich weitere Einwendung, die Verstorbene habe das Gebäude mit Einverständnis der Klägerin „quasi neu errichtet“, weshalb es sich um ein in ihrem Eigentum stehendes Superädifikat handle, kommt die Beklagte im Revisionsverfahren nicht mehr zurück.
Das Erstgericht erkannte die Aufkündigung für rechtswirksam und die Beklagte schuldig, die Wohnung samt Garten geräumt zu übergeben. Nach § 9 Abs 1 der Satzung trete der von den Erben bezeichnete Übernehmer aufgrund einer schriftlich abgegebenen Übernahmserklärung in die Rechte und Pflichten des Erblassers an dessen Stelle als Mitglied in die Genossenschaft nur dann ein, wenn ihn der Vorstand als Mitglied aufnimmt, was hier allerdings nicht geschehen sei. Das Recht zur Nutzung des Siedlungshauses sei gemäß § 13 Abs 1 der Satzung aber durch die Mitgliedschaft bedingt.
Das Berufungsgericht bestätigte diese Entscheidung und erklärte die ordentliche Revision für nicht zulässig. Es vertrat entgegen dem Erstgericht die Auffassung, eine sinnvolle Auslegung der Satzung führe zu dem Ergebnis, dass die Regelung des § 9 Abs 1 – obwohl sie sich nach ihrem Wortlaut nur auf die Mitgliedschaft bezieht – auch für die Nachfolge im Nutzungsrecht gelte, zumal gemäß den einschlägigen Bestimmungen der Satzung unter anderem das Recht zur Nutzung eines Hauses der Genossenschaft durch die Mitgliedschaft bedingt sei. Für dieses Auslegungsergebnis spreche auch, dass die Parteien des Nutzungsvertrags hinsichtlich der Frage der Nachfolge im Nutzungsrecht nicht auf die Statuten verwiesen hätten, würden diese nach dem Verständnis der Klägerin überhaupt keine diesbezüglichen Regelungen enthalten. Im vorliegenden Fall habe der Vorstand der Klägerin die Aufnahme der von der Beklagten namhaft gemachten Person aus im Verfahren nicht näher erörterten Gründen abgelehnt. Nach § 4 Abs 2 der Satzung könne der Abgewiesene binnen 14 Tagen Berufung einbringen. Nach ständiger Judikatur sei die gerichtliche Überprüfung eines Beschlusses eines Selbstverwaltungskörpers vor Ausschöpfung des im Statut vorgesehenen Instanzenzugs nicht möglich; es solle nämlich nicht voreilig in die Selbstverwaltung juristischer Personen eingegriffen werden. Die Beklagte habe aber nicht behauptet, dass sie von der Möglichkeit der Anfechtung des Vorstandsbeschlusses Gebrauch gemacht hätte, weshalb dieser wirksam sei. Eine von den Gerichten auf jeden Fall wahrzunehmende Nichtigkeit des Vorstandsbeschlusses habe die Beklagte nicht dargetan. § 7 VerG 2002, der aufgrund der Ähnlichkeit der Sachlage sinngemäß anzuwenden sei, differenziere zwischen anfechtbaren Beschlüssen, die vorerst gültig und anfechtbar sind, und von Anfang an nicht gültig zustandegekommenen und daher rechtsunwirksamen („nichtigen“) Beschlüssen. Die Nichtigkeitsfolge trete nur bei gravierender Fehlerhaftigkeit von Beschlüssen ein, die hier nicht vorliege. Damit sei der Beschluss, mit dem die Klägerin die vorgeschlagene Nachfolgerin in das Nutzungsrecht abgelehnt habe, mangels Anfechtung wirksam. Die ordentliche Revision sei nicht zulässig, weil zu den entscheidungswesentlichen Rechtsfragen eine einheitliche Judikatur bestehe, von der das Berufungsgericht nicht abgewichen sei.
Rechtliche Beurteilung
Die dagegen erhobene Revision der Beklagten ist zulässig, weil das Berufungsgericht die Judikatur zur Notwendigkeit der Ausschöpfung des im Statut vorgesehenen Instanzenzugs verkannt hat, jedoch im Ergebnis nicht berechtigt.
Zutreffend verweist die Revisionswerberin in der Sache darauf, dass zwischen dem Mitgliedschaftsverhältnis auf der einen und dem Nutzungsvertrag samt den damit verbundenen Rechten und Pflichten auf der anderen Seite zu unterscheiden ist. Die vom Berufungsgericht zitierte Rechtsprechung (RIS‑Justiz RS0045598) bezieht sich ausschließlich auf das Mitgliedschaftsverhältnis, auf das es hier aber – wie noch darzulegen sein wird – nicht in erster Linie ankommt, wurde doch § 9 Abs 1 der Statuten – unabhängig davon, wie man diesen für den allfälligen Eintritt in den Nutzungsvertrag verstehen will – durch den entsprechenden Verweis im Nutzungsvertrag zum Vetragsbestandteil. Damit kann der Beklagten nicht entgegengehalten werden, der ablehnende Beschluss des Vorstands der Klägerin sei nicht bekämpft worden, weshalb sie nicht mehr in Frage stellen könne, dass ein wirksamer Eintritt der von ihr nominierten Person in den Nutzungsvertrag nicht erfolgt sei.
Die Frage, ob es durch das Schreiben der Verlassenschaftskuratorin zu einem Vertragseintritt der namhaft gemachten Person gekommen ist, ist ausschließlich von den Gerichten zu lösen und entzieht sich einer Beurteilung durch Organe der Klägerin. Diese steht im Rahmen des Nutzungsvertrags zu ihrem Vertragspartner in einem eigenen – über die bloße Mitgliedschaft weit hinaus reichenden – Vertragsverhältnis und ist nicht dazu befugt, in diesem Zusammenhang aufgetretene Streitigkeiten verbandsintern zu erledigen, auch wenn grundsätzlich die Mitgliedschaft nach der Satzung Voraussetzung für die Begründung eines Nutzungsrechts ist. Die Verweigerung der Anerkennung einer unter Berufung auf vertragliche Regelungen für den Eintritt in den mit der Verstorbenen abgeschlossenen Nutzungsvertrag namhaft gemachten Person als „Nachfolger“ kann keinesfalls dem in der vom Berufungsgericht herangezogenen Judikatur behandelten Ausschluss eines Genossenschafts‑ oder Vereinsmitglieds gleichgehalten werden. Auch eine Gesetzeslücke, die durch sinngemäße Anwendung des § 7 VerG zu schließen wäre, besteht im vorliegenden Zusammenhang nicht.
Auch wenn also der Beklagten nicht entgegengehalten werden kann, wegen der unterlassenen Bekämpfung eines Vorstandsbeschlusses sei (bindend) davon auszugehen, dass ein Eintritt eines Dritten in den Nutzungsvertrag nicht stattgefunden hat, ist doch zu beachten, dass sich die Beklagte für ihre Behauptung eines Rechtsübergangs ausschließlich auf § 5 Abs 2 des Nutzungsvertrags iVm § 9 Abs 1 der Satzung stützt. Die von ihr gewünschte Rechtsfolge setzt also einerseits eine Auslegung des § 9 Abs 1 in dem (auch vom Berufungsgericht angenommenen) Sinn voraus, dass von der Regelung auch der Übergang der Rechte und Pflichten aus dem Nutzungsvertrag erfasst ist. Darüber hinaus müssen aber auch alle dort vorgesehenen Sachverhaltselemente verwirklicht sein.
Mit Recht weist die Revisionsgegnerin darauf hin, dass bei sachgerechter Auslegung des § 9 Abs 1 der Satzung die Namhaftmachung eines „Übernehmers“ nur durch die Verlassenschaft oder – nach der Einantwortung – durch die Erben (als Gesamtrechtsnachfolger der Nutzungsberechtigten) erfolgen kann, wogegen hier die Bezeichnung namens der Legatarin ausgesprochen wurde, die dazu nicht berufen war. Entgegen der offenbar von der Beklagten vertretenen Auffassung bedarf es nach dem klaren Wortlaut der Regelung schließlich nicht nur der Namhaftmachung einer Person, die an die Stelle des Erblassers treten soll – durch die Erben bzw die Verlassenschaft –, sondern darüber hinaus auch einer „schriftlich abgegebenen Übernahmserklärung“ des von den Erben bezeichneten Übernehmers, in die Rechte und Pflichten des Erblassers an dessen Stelle als Mitglied in die Genossenschaft einzutreten, „wenn der Vorstand ihn als Mitglied aufnimmt“. Selbst wenn man nun – mit der Beklagten – davon ausgehen wollte, dass der Vorstand eine Aufnahme als Mitglied nur aus sachlich gerechtfertigten Gründen verweigern dürfte, ist aber jedenfalls eine (schriftliche) Erklärung der nominierten Person selbst zu fordern, die sich damit klar dahin zu deklarieren hat, sowohl die mit der Mitgliedschaft als auch die mit dem Nutzungsvertrag verbundenen Rechte und Pflichten gegenüber der Klägerin übernehmen zu wollen. Dass die nominierte Person eine solche – oder überhaupt eine – Erklärung gegenüber der Klägerin abgegeben hätte, hat die Revisionswerberin allerdings nie behauptet. Derartiges hat sich auch im Verfahren nicht ergeben; in dem von der Interessentin unterfertigen Kaufvertragsentwurf könnte eine solche Erklärung schon deshalb nicht erblickt werden, weil sie darin ja einen Eigentumserwerb am vermeintlichen Superädifikat anstrebt und gerade nicht die frühere Vertragsposition der Verstorbenen unverändert übernehmen will. Die Beklagte stützte sich ausschließlich auf die von ihrer Vertreterin mit Schreiben vom 30. 12. 2015 – namens des von der Verstorbenen bedachten Vereins – abgegebene Erklärung, eine bestimmte Interessentin als Nachfolgerin im Nutzungsrecht namhaft zu machen. Fehlt es aber an der – von der Klägerin aus durchaus sachlich gerechtfertigten Gründen verlangten – „Übernahmserklärung“ der Interessentin, die von der Beklagten als Nachfolgerin der Verstorbenen nominiert wurde, kann sich die Beklagte nicht darauf berufen, es wäre allein durch die Nominierung zu einem Vertragseintritt gekommen.
Ist nun die in § 9 Abs 1 Satz 1 der Satzung der Klägerin vorgesehene Frist abgelaufen und fehlt es sowohl an einer Nominierung durch die dazu allein berufene Verlassenschaft als auch an einer (schriftlichen) Übernahmserklärung der namhaft gemachten Interessentin, kann kein Zweifel daran bestehen, dass auch bei einer Auslegung nach dem Verständnis der Beklagten ein Eintritt der Interessentin in den Vertrag nicht stattgefunden hat. Da auch keine andere eintrittsberechtigte Person existiert, ist der von der Klägerin geltend gemachte Kündigungsgrund nach § 30 Abs 2 Z 5 MRG (iVm § 20 Abs 1 Z 1 lit b WGG) verwirklicht. Zum – letztlich irrelevanten – Rechtsmissbrauchseinwand ist nur der Vollständigkeit halber auf die Bestimmung des § 20 Abs 5 WGG hinzuweisen, nach der dem Nutzungsberechtigten – und nach seinem Tod der Verlassenschaft bzw seinen Erben – ein Aufwandersatzanspruch für seine werterhöhenden Investitionen zusteht, soweit diese über die Nutzungsdauer hinaus wirksam und von Nutzen sind.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 50 Abs 1 iVm § 41 Abs 1 ZPO.
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