European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2017:0010OB00067.17K.0426.000
Spruch:
Dem Rekurs wird nicht Folge gegeben.
Der Antrag der Antragsgegner auf Zuspruch der Kosten ihrer Rekursbeantwortung wird abgewiesen.
Begründung:
Im Hauptverfahren begehrt der Antragsteller die Neufestsetzung der mit den jeweils von der Oberösterreichischen Landesregierung, Direktion Straßenbau und Verkehr, am 3. April 2013, zu AZ Verk‑960200/9‑2013‑Ba/Eis, und am 3. Juni 2013, zu AZ Verk‑960.223/1‑2013‑Ba/Eis, erlassenen Bescheiden zuerkannten Entschädigung für die Enteignung der darin genannten näher bezeichneten Grundstücksflächen.
Das Rekursgericht gab dem gegen die Festsetzung durch das Erstgericht erhobenen Rekurs des Antragstellers nicht Folge.
Der Antragsteller lehnte in seinem außerordentlichen Revisionsrekurs ein Mitglied des in dieser Rechtssache nun bereits zweimal tätig gewesenen Rekurssenats des Oberlandesgerichts Linz „als ausgeschlossen“ ab. Dieser habe an der „gegenständlichen Rechtssache zuvor als Mitglied des Landesagrarsenates“ (bzw an anderer Stelle im Rechtsmittel behauptetermaßen als „Mitglied des Oö. LVwG“) im „Behördenverfahren des Oö. Landesagrarsenates GZ: Agrar(Bod)‑100518/6‑2013, vom 05.08.2013,“ „unmittelbar an der Entscheidungsfindung des Landesagrarsenates mitgewirkt“, wobei die „gegenständlichen Grundflächen als Entscheidungsgegenstand angeführt“ gewesen seien.
Auf den Umstand, dass der betroffene Richter „im zusammenhängenden Verfahren betreffend Umfahrung E*****“ Mitglied des damaligen Landesagrarsenats gewesen war, hatte der Antragsteller (nach Zustellung der Entscheidung des Rekursgerichts vom 15. April 2016 am 2. Mai 2016) schon in seiner Mitteilung vom 17. Mai 2016 aufmerksam gemacht. Sein Rechtsvertreter hatte jedoch über telefonische Nachfrage eines Mitglieds des Rekurssenats ausdrücklich erklärt, dass dieser Hinweis nicht als Ablehnungsantrag zu verstehen sei. In der Folge entschied das Rekursgericht in derselben Besetzung wie in der schon zuvor genannten Entscheidung vom 15. April 2016.
Der in Ablehnungs- und Befangenheitssachen (betreffend Richter des Oberlandesgerichts) zuständige Senat des Oberlandesgerichts Linz holte eine Äußerung des betroffenen, sich aber nicht befangen fühlenden Richters ein und wies den „Ablehnungsantrag“ zurück. Der Ablehnungssenat führte aus, es seien, da das Ablehnungsrecht verzicht‑ und verschweigbar sei, Ablehnungsgründe sofort nach ihrem Bekanntwerden und nicht erst in einem vom Ablehnungswerber nach prozesstaktischen Kriterien als richtig angesehenen Zeitpunkt vorzubringen. Es bewirke jede Antragstellung oder Rechtsmittelerhebung nach Bekanntwerden des Befangenheitsgrundes, ohne diesen darin geltend zu machen, den Ausschluss von dessen späterer Geltendmachung. Im vorliegenden Verfahren habe der Antragstellervertreter nicht nur erklärt, dass der Hinweis nicht als Ablehnungsantrag zu verstehen sei, sondern noch weitere Urkunden vorgelegt und auch einen Unterbrechungsantrag gestellt, ohne eine Befangenheit jenes Richters zu bemängeln.
Gegen diesen Beschluss richtet sich der von den Antragsgegnerinnen beantwortete Rekurs des Antragstellers, mit dem er beantragt, den betroffenen Richter „infolge des § 20 Z 5 JN vom Verfahren auszuschließen“.
Rechtliche Beurteilung
Der Rekurs ist zulässig (§ 24 Abs 2 JN), aber nicht berechtigt:
Das Gesetz unterscheidet in § 19 JN zwischen Ausschließungsgründen einerseits und Befangenheitsgründen andererseits. Beide Gruppen dieser Ablehnungsgründe können Gegenstand einer Ablehnung sein und daher (auch) von einer Partei geltend gemacht werden (§ 21 Abs 1 JN). Die einzelnen Ausschließungsgründe ergeben sich aus dem Gesetz (§ 20 JN; vgl auch § 58 Abs 4 Z 1 AußStrG). Sie sind unverzichtbar und wirken absolut (Mayr in Rechberger 4 § 19 JN Rz 2; 8 Nc 29/15d).
Für den – im vorliegenden Fall behaupteten – Ausschlussgrund des § 20 Abs 1 Z 5 JN ist Voraussetzung, dass ein Richter einer höheren Instanz an der Erlassung des angefochtenen Urteils oder Beschlusses beim untergeordneten Gericht mitgewirkt hat. Eine Mitwirkung in diesem Sinne liegt nicht etwa schon dann vor, wenn der Richter in erster Instanz verhandelt, aber nicht die Entscheidung gefällt hat ( Ballon in Fasching/Konecny 3 I § 20 JN Rz 10 mwN). Auch ist ein Richter weder wegen seiner Mitwirkung an einem Disziplinarverfahren (als Vorsitzender der Disziplinarkommission) über dienstrechtliche Verfehlungen des Arbeitnehmers in einer sich darauf stützenden Arbeitsrechtssache (als Vorsitzender des Senats des Berufungsgerichts) ausgeschlossen (8 ObA 211/95 = SZ 68/165) noch in einem Zivilprozess, wenn er an dem diesem zugrunde liegenden Strafverfahren bei der Entscheidung mitgewirkt hat (8 Ob 39/06b); gleiches gilt für einen Richter als Mitglied einer Kommission im Verwaltungsverfahren ( Ballon aaO Rz 11; zur Mitgliedschaft in der Grundverkehrskommission s 5 Ob 85/00m = SZ 73/192; RIS‑Justiz RS0081768). Die Entscheidung in einer (bloß) im Zusammenhang stehenden Rechtssache genügt ebensowenig, wie die Mitwirkung an einer zwar in derselben Sache ergangenen, aber nicht bekämpften Entscheidung ( Mayr in Rechberger 4 § 20 JN Rz 6; RIS‑Justiz RS0045972; RS0045973).
Bei vom Gesetz festgelegter sukzessiver Kompetenz kann die mittels Bescheid von der Verwaltungsbehörde festgesetzte Höhe einer Enteignungsentschädigung zwar nicht im Verwaltungsweg angefochten werden, es kann aber binnen der im Gesetz festgelegten Frist die Entscheidung darüber bei Gericht begehrt werden. Mit fristgerechter Anrufung des Gerichts tritt die verwaltungsbehördliche Entscheidung über die Höhe der Entschädigung außer Kraft. Es folgt dann der Festsetzung mittels Bescheid eine Neufestsetzung durch das Gericht (hier nach § 36 Abs 5 Oö Straßengesetz 1991, LGBl 1991/84 zuletzt geändert durch LGBl 2008/61).
Ob eine Ausgeschlossenheit des mit der Neufestsetzung (oder der Überprüfung des vom Gericht darüber gefassten Beschlusses im Instanzenzug) befassten Richters gemäß § 20 Abs 1 Z 5 JN dann vorläge, wenn er im Fall einer solchen sukzessiven Kompetenz an der Erlassung des später über Antrag außer Kraft getretenen Bescheids (gemeinsam mit anderen) mitgewirkt hätte, kann hier dahinstehen. Ein Fall der Ausgeschlossenheit nach § 20 Abs 1 Z 5 JN kann schon deshalb nicht vorliegen, weil der auf einen „Zusammenhang“ mit der Tätigkeit des (damaligen) Landesagrarsenats verweisende Antragsteller gar nicht darlegen konnte, dass der betroffene Richter unmittelbar Entscheidungsträger der (eben vom Amt der Oberösterreichischen Landesregierung, Direktion Straßenbau und Verkehr), erlassenen Bescheide gewesen wäre.
Dass das Ablehnungsrecht nach § 21 Abs 2 JN bei sonstiger Verschweigung oder Annahme des Verzichts sofort nach dem Bekanntwerden des Ablehnungsgrundes geltend gemacht werden muss (RIS‑Justiz RS0046040; RS0045982 [T3, T4]; RS0046042; vgl zum Außerstreitverfahren auch § 74 Abs 1 u 2 Z 2 iVm § 73 Abs 1 Z 3 AußStrG), hat das Oberlandesgericht Linz bereits zutreffend aufgezeigt. Soweit der Rekurswerber daher aus der Tätigkeit des betroffenen Richters beim Landesagrarsenat einen zureichenden Grund, seine Unbefangenheit in Zweifel zu ziehen, ableiten wollte, hätte er ihn sofort nach dessen Bekanntwerden ablehnen müssen. Weder hängt die Annahme, dass im Unterbleiben der umgehenden Geltendmachung eines bekannten Ablehnungsgrundes ein Verzicht auf dessen Geltendmachung liegt, davon ab, ob die Mitwirkung an weiteren Entscheidungen erwartet wird, noch davon, ob– wiederum aus Sicht des Ablehnenden – ein bestimmter Richter bis dato „genehme“ Entscheidungen gefällt hat. Sobald nämlich eine Partei Kenntnis vom Vorliegen eines die Unbefangenheit in Zweifel ziehenden, zureichenden Grundes bei einem im Verfahren bereits tätig gewordenen oder (bekanntermaßen) tätig werdenden Richter erlangt, hat sie ihn deswegen – bei sonstiger Verschweigung – abzulehnen.
Das Ablehnungsverfahren ist ein Zwischenstreit, über dessen Kosten nach den Regeln des Ausgangsverfahrens unabhängig von dessen Ausgang zu entscheiden ist (RIS‑Justiz RS0126588). Da im vorliegenden Verfahren nach § 36 Abs 5 Oö Straßengesetz 1991 iVm § 44 Eisenbahn-Enteignungsentschädigungsgesetz (‑ EisbEG; BGBl 1954/71 zuletzt geändert durch BGBl 1997/297) ein Kostenersatz an den Enteigner nicht in Betracht kommt, ist der Antrag der Antragsgegnerinnen, ihnen Kostenersatz für die Rekursbeantwortung zuzuerkennen, abzuweisen. Der Antragsteller ist nicht kostenersatzpflichtig, auch wenn sein Antrag oder Rechtsmittel erfolglos bleibt (1 Ob 219/01i = SZ 74/180; vgl RIS‑Justiz RS0058085 [insb T3]).
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