OGH 8ObA80/05f

OGH8ObA80/05f26.1.2006

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch die Vizepräsidentin des Obersten Gerichtshofes Hon.-Prof. Dr. Langer als Vorsitzende und die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Spenling und Dr. Kuras sowie die fachkundigen Laienrichter Dr. Reinhard Drössler und Mag. Johann Ellersdorfer als weitere Richter in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei Willibald B*****, Angestellter, *****, vertreten durch Mairhofer Gradl, Rechtsanwälte in Linz, wider die beklagte Partei „V*****“ GmbH, *****, vertreten durch Sattlegger Dorninger Steiner & Partner, Rechtsanwälte in Linz, wegen EUR 11.739,71 brutto sA, über die außerordentliche Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Linz als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 21. Oktober 2005, GZ 11 Ra 73/05t-10, mit dem infolge Berufung der beklagten Parteien das Urteil des Landesgerichtes Linz als Arbeits- und Sozialgericht vom 2. Mai 2005, GZ 8 Cga 27/05s-6, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird Folge gegeben.

Das Urteil des Berufungsgerichtes wird dahin abgeändert, dass das Urteil des Erstgerichtes wieder hergestellt wird.

Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Parteien die mit EUR 1.810,70 (darin enthalten EUR 124,95 an USt und EUR 1.061 an Barauslagen) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens und der Gewerkschaft der Privatangestellten den mit EUR 340 bestimmten Aufwandersatz jeweils binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Im Zuge eines von der Beklagten gegen den seit 1. 12. 1985 beschäftigten Kläger als damaligen Betriebsrat angestrengten Verfahrens auf Zustimmung zur Kündigung nach § 121 Z 3 ArbVG wurde in der Tagsatzung vom 29. 3. 2004 folgender Vergleich geschlossen:

„1. Das Dienstverhältnis wird mit 31. 12. 2004 einvernehmlich aufgelöst.

2. Der Beklagte wird bis zum 31. 12. 2004 bei vollen Bezügen dienstfrei gestellt.

3. Sollte der Beklagte vor dem 31. 12. 2004 wieder eine Anstellung finden, wird das Dienstverhältnis mit dem Tag seines Arbeitsantrittes einvernehmlich aufgelöst.“

Beim Vergleichsabschluss wurde über das Urlaubsguthaben des nunmehrigen Klägers nicht gesprochen. Die Beklagte hat die ordnungsgemäße Abrechnung der Beendigungsansprüche als selbstverständlich zugesagt.

Erst nach Abschluss der Vergleiches kam es zu Auseinandersetzungen über die Frage des Urlaubsverbrauches, den der Kläger trotz Aufforderung durch die Beklagte ablehnte, zu Auffassungsunterschieden zwischen den Streitteilen.

Der Kläger begehrt nun der Höhe nach nicht konkret bestritten EUR 11.739,71 brutto an Urlaubsersatzleistung für 59 offene Urlaub(Arbeit-)stage. Ein Urlaubsverbrauch sei weder vereinbart worden noch sei darüber ein Vergleich zustande gekommen.

Die Beklagte beantragte die Abweisung des Klagebegehrens und wendete zusammengefasst ein, dass die offenen Urlaubsansprüche mit verglichen seien und dem Kläger im Hinblick auf die Dienstfreistellung auch ein Verbrauch des Urlaubs zumutbar gewesen wäre. Entsprechend § 4 Abs 1 UrlG habe der Kläger seinen Urlaub nach Möglichkeit im Jahr des Entstehens zu verbrauchen. Die Beklagte habe den Kläger auch zum Urlaubsverbrauch aufgefordert. Den ebenfalls erhobenen Einwand der Verjährung hält die Beklagte nicht mehr aufrecht.

Das Erstgericht gab dem Klagebegehren statt. Die Frage des Urlaubsverbrauches sei von der Bereinigungswirkung des Vergleiches nicht erfasst gewesen, vielmehr hätten die Parteien ja vereinbart, dass die Auszahlung der Beendigungsansprüche gesondert stattfinde. Es sei ja auch gar nicht festgestanden, wie lange das Arbeitsverhältnis noch dauern werde, da der Kläger ja die Möglichkeit gehabt hätte, bereits früher einen anderen Arbeitsplatz anzutreten. Zu einer Vereinbarung über den Urlaubskonsum sei es nicht gekommen.

Das Berufungsgericht hat der gegen dieses Urteil erhobenen Berufung der Beklagte Folge gegeben und das Urteil im zur Gänze klagsabweisenden Sinne abgeändert. Es ging dabei im Wesentlichen unter Bezugnahme auf die Begründung anlässlich der Zurückweisung einer Revision mit dem Beschluss vom 2. 2. 2005 zu 9 ObA 2/05t davon aus, dass der Urlaubsverbrauch in den Monaten der Dienstfreistellung zumutbar gewesen wäre. Diese Frage habe auch keiner Regelung im Vergleich bedurft. Die außerordentliche Revision erachtete das Berufungsgericht unter Bezugnahme auf den Zurückweisungsbeschluss vom 2. 2. 2005 zu 9 ObA 2/05t als nicht zulässig.

Rechtliche Beurteilung

Die gegen dieses Urteil erhobene außerordentliche Revision ist zulässig, weil mit dem genannten Beschluss vom 2. 2. 2005 zu 9 ObA 2/05t eine Klärung der Rechtsfrage, inwieweit nach der durch das ARÄG 2000 erfolgten Aufhebung des § 9 UrlG noch auf die Frage der Zumutbarkeit des Urlaubsverbrauches innerhalb der „Kündigungsfrist“ abzustellen ist, nicht vorliegt und im übrigen das Berufungsgericht auch von der zu dieser alten Rechtslage ergangenen Rechtsprechung insoweit abgewichen ist, als bei einer einvernehmlichen Auflösung auch nach der früheren Rechtslage nicht auf die Frage der Zumutbarkeit des Urlaubsverbrauches abzustellen war (vgl OGH 18. 12. 1991 9 ObA 194/91).

Zur Frage der Bereinigungswirkung des Vergleiches ist zwar vorweg festzuhalten, dass im Allgemeinen bei einem Vergleich aus Anlass der Auflösung eines Arbeitsverhältnisses einzelne sich daraus ergebende Forderungen, die nicht ausgenommen sind, an die die Parteien aber denken konnten, als mitbereinigt angesehen werden (vgl RIS-Justiz RS0032470 mwN zuletzt etwa 9 ObA 10/05v; RIS-Justiz RS0032453 mwN; RIS-Justiz RS0032589 mwN zuletzt etwa 8 ObA 97/04d). Hier wurde aber eine Vereinbarung zur Auflösung des Arbeitsverhältnisses getroffen und davon die Beendigungsansprüche (Urlaubsersatzleistung) ausgenommen.

Damit stellt sich die Frage der Berechtigung der geltend gemachten Urlaubsersatzleistung.

Zur Frage einer allfälligen Minderung des Umfanges der Urlaubsersatzleistung wegen der „Zumutbarkeit“ eines Urlaubsverbrauches hat der Oberste Gerichtshof erst kürzlich in seiner Entscheidung vom 16. 12. 2005 zu 9 ObA 144/05z ausführlich Stellung bezogen und folgendes ausgeführt:

„Das UrlG behandelt den Urlaubsverbrauch im gekündigten und ungekündigten Arbeitsverhältnis gleich (Egermann, Urlaubsverbrauch in der Kündigungsfrist: Zur Rechtslage nach dem ARÄG 2000, ZAS 2004,8 ua), dh auch in der Kündigungsfrist ist der Zeitpunkt des Urlaubsantritts zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer unter Rücksichtnahme auf die Erfordernisse des Betriebs und die Erholungsmöglichkeiten des Arbeitnehmers zu vereinbaren (§ 4 Abs 1 UrlG; Löschnigg, Arbeitsrecht10 419; 9 ObA 77/01s, DRdA 2003/4 [Reissner] ua). Der Abschluss der Urlaubsvereinbarung bedarf übereinstimmender Willenserklärungen von Arbeitgeber und Arbeitnehmer über den Beginn und Ende des Urlaubs. Solche lagen hier nicht vor, die Klägerin lehnte eine Urlaubsvereinbarung ab. Rechtlich ist daher mit den Vorinstanzen davon auszugehen, dass zwischen den Parteien weder eine ausdrückliche noch eine konkludente Urlaubsvereinbarung zustandegekommen ist. Richtig ist auch, dass die Klägerin kein Verhalten setzte, das allenfalls als faktische Annahmehandlung gedeutet werden könnte.

Das in § 4 Abs 1 UrlG verankerte Erfordernis des Abschlusses einer Urlaubsvereinbarung schließt die Annahme eines einseitigen Gestaltungsrechts aus (RIS-Justiz RS0070760 ua). Der Arbeitnehmer kann vom Arbeitgeber nicht gezwungen werden, zu einem bestimmten Zeitpunkt Urlaub zu machen. Der Arbeitgeber kann dem Arbeitnehmer den konkreten Urlaubsverbrauch und dessen zeitliche Lage nicht vorschreiben, kann ihn also nicht einfach “in den Urlaub schicken". Auch durch eine - allein in der Ingerenz des Arbeitgebers liegende - Dienstfreistellung kann der Arbeitgeber den Urlaubsverbrauch nicht einseitig erzwingen (Cerny aaO § 4 Erl 1; Egermann aaO 9; 9 ObA 113/02m ua). Den Arbeitnehmer trifft insbesondere auch keine Rechtspflicht, den (Rest-)Urlaub während der Kündigungsfrist zu verbrauchen (vgl Kuderna aaO § 4 Rz 1).

Die Rechtsprechung vertrat zur Rechtslage vor dem ARÄG 2000 auf der Grundlage des § 9 Abs 1 Z 3 und 4 UrlG aF die Auffassung, dass in einer Dienstfreistellung während der Kündigungsfrist von mindestens drei Monaten das unbefristete (konkludente) Anbot des Arbeitgebers zum Abschluss von Urlaubsvereinbarungen nach Belieben des Arbeitnehmers enthalten sei. Durch eine Freistellung in einer Kündigungsfrist dieser Länge bringe der Arbeitgeber schlüssig zum Ausdruck, dass die nach § 4 Abs 1 UrlG relevanten Erfordernisse des Betriebs jegliche vom Arbeitnehmer gewünschte Urlaubsvereinbarung ermöglichen. Dies begründe für den Arbeitnehmer ein einseitiges Gestaltungsrecht (Option), auf Grund dessen er durch einseitige Erklärung, auch im Sinne einer stillen Annahme gemäß § 864 ABGB, dem Antrag des Arbeitgebers (auch bloß tatsächlich) entsprechen könne (8 ObA 282/95, DRdA 1996/23 [Kerschner]; 9 ObA 140/95, ZAS 1996/18,19 [Vogt]; 9 ObA 113/02m; RIS-Justiz RS0053087 ua). § 9 UrlGaF wurde als Ausdruck der gesetzlichen Wertung gesehen, dass dem Arbeitnehmer der Urlaubsverbrauch in einer Kündigungsfrist von unter drei Monaten nicht zumutbar sei, der Arbeitnehmer bei längeren Kündigungsfristen den Urlaub hingegen grundsätzlich verbrauchen solle. Mit der Aufhebung von § 9 UrlG aF ist die wesentliche Stütze dieser Auslegungsregel entfallen. Die Weigerung des Arbeitnehmers, Urlaub selbst während einer drei Monate oder länger dauernden Kündigungsfrist zu verbrauchen, ist seit dem ARÄG 2000 von Gesetzes wegen finanziell nicht mehr „sanktioniert“ (Grießer, Reflexionen zur Änderung des Urlaubsrechts durch das ARÄG 2000, in FS Cerny 205 [215 f]; Egermann aaO 10).

Auch nach der Aufhebung von § 9 UrlG aF kann eine Dienstfreistellung (zumindest) das konkludente Anbot des Arbeitgebers auf Abschluss einer Urlaubsvereinbarung enthalten, sofern die dafür erforderlichen Voraussetzungen einer schlüssigen Willenserklärung vorliegen. Selbst wenn dies der Fall ist, hat es aber der Arbeitnehmer in der Hand, wie auch schon nach der Rechtslage vor dem ARÄG 2000, das Anbot anzunehmen oder nicht (Kerschner in DRdA 1996/23,303; Egermann aaO 10). Durch die Dienstfreistellung wird sohin der Abschluss einer Urlaubsvereinbarung erleichtert (9 ObA 77/01s, DRdA 2003/4 [Reissner] ua); der Arbeitnehmer kann aber durch die Dienstfreistellung nicht direkt zum Urlaubsverbrauch gezwungen werden (Grießer aaO 216 ua). Zu berücksichtigen ist aber, dass auch im gekündigten Arbeitsverhältnis trotz Dienstfreistellung die Treuepflicht des Arbeitnehmers bis zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses fortdauert. Mit dieser wäre es insbesondere nicht vereinbar, im gekündigten Arbeitsverhältnis das Anbot des Arbeitgebers zum Abschluss einer Urlaubsvereinbarung während der Dienstfreistellung zwar abzulehnen, dann aber doch hinter dem Rücken des Arbeitgebers die bezahlte Freizeit zu einem erheblichen Teil tatsächlich für Zwecke zu verwenden, die die Gewährung von Urlaub erfordert hätten (9 ObA 61/94, DRdA 1994/48 [Holzner] = wbl 1994,408 [Grillberger]; 9 ObA 113/02m ua). Eine derartige Verletzung der Treuepflicht durch die Klägerin liegt aber nach den Feststellungen hier nicht vor. Dass eine lange Dienstfreistellung auch in Kombination mit anderen Verhaltensweisen des Arbeitnehmers unter Umständen die Annahme einer Verletzung der Treuepflicht rechtfertigen kann, erscheint grundsätzlich vorstellbar. Eine nähere Auseinandersetzung mit dieser Frage kann jedoch im vorliegenden Fall unterbleiben, weil insoweit von der Beklagten kein substanziiertes Vorbringen erstattet wurde, das über die bloße Dauer der Dienstfreistellung als solche hinausgeht.

§ 4 Abs 1 Satz 2 UrlG bringt den Grundsatz zum Ausdruck, dass der Urlaub in dem Jahr zu verbrauchen ist, in dem der Anspruch entstanden ist (Cerny aaO § 4 Erl 6). Nach Aufhebung von § 9 UrlG aF durch das ARÄG 2000 besteht aber keine Obliegenheit mehr des Arbeitnehmers, den Urlaub gerade in der (längeren) Kündigungsfrist zu verbrauchen (Grießer aaO 216; Egermann aaO 12; vgl auch Cerny aaO § 4 Erl 14, der differenziert: Er geht zwar zunächst trotz der durch das ARÄG 2000 geänderten Systematik davon aus, dass die hinter der früheren Regelung des § 9 UrlG aF gestandene Wertung nach wie vor gültig sei, dh dass der Urlaubsverbrauch während einer kürzeren als dreimonatigen Kündigungsfrist grundsätzlich unzumutbar sei, hingegen bei einer längeren Kündigungsfrist die Zumutbarkeit des Urlaubsverbrauchs zu prüfen sei. Auch Cerny kommt aber letztlich zu dem Ergebnis, dass jedenfalls nicht allgemein gesagt werden könne, dass der Arbeitnehmer grundsätzlich verpflichtet sei, den Urlaub während der Kündigungsfrist anzutreten, wenn nicht mangelnde Erholungsmöglichkeiten oder andere wichtige Gründe entgegenstehen, und zwar auch dann nicht, wenn die Kündigungsfrist dreiMonate oder mehr betrage; vielmehr müsse in jedem Fall eine Interessenabwägung iSd § 4 Abs 1 UrlG vorgenommen werden).

Das „Horten von Urlaub“ ist nach den Intentionen des UrlG - auch nach Aufhebung des § 9 UrlG aF (Cerny aaO § 4 Erl 28 ua) - zweifellos verpönt (Andexlinger, RdW 1998,322; Floretta/Spielbüchler/Strasser, Arbeitsrecht I4 313 ua, jeweils noch zur alten Rechtslage). Der Nichtabschluss der Urlaubsvereinbarung durch den Arbeitnehmer steht aber nach Aufhebung des § 9 UrlG aF nur mehr unter der „Sanktion“ der Verjährung des Urlaubsanspruchs nach § 4 Abs 5 UrlG. Unterbleibt der Urlaubsverbrauch bis zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses, so gebührt dem Arbeitnehmer für den nicht verbrauchten Urlaub grundsätzlich eine Ersatzleistung (§ 10 Abs 1 UrlG; Cerny aaO § 4 Erl 6 ua). Eine Ersatzleistung gebührt von Gesetzes wegen nur dann nicht, wenn der Arbeitnehmer ohne wichtigen Grund vorzeitig austritt (§ 10 Abs 2 UrlG). Dies war nicht der Fall.

Zu einem Entfall der Urlaubsersatzleistung könnte man unter Umständen auch im Fall eines Rechtsmissbrauchs des Arbeitnehmers kommen (Grießer aaO 216; Egermann aaO 12; vgl auch Schrank, Einseitige Urlaubsgestaltung in besonderen Ausnahmefällen?, ZAS 2004,4 [5 ff], der insbesondere bei Alturlauben im Zusammenhang mit „Hortungsverhalten“ die Auffassung vertritt, dass aus der Ablehnung zumutbaren Urlaubs Rechtsmissbrauch folgen könne; vgl auch Andexlinger, RdW 1988,322 noch zur alten Rechtslage). Bei Rechtsmissbrauch ist aber der anzulegende Maßstab strenger als bei der bloßen Treuepflichtverletzung (Egermann aaO 12). Nach der Rechtsprechung liegt ein Rechtsmissbrauch nicht nur dann vor, wenn die Schädigungsabsicht den einzigen oder überwiegenden Grund der Rechtsausübung bildet (Schikane), sondern auch dann, wenn zwischen den vom Handelnden verfolgten eigenen Interessen und den beeinträchtigten Interessen des anderen ein ganz krasses Missverhältnis besteht, wenn also das unlautere Motiv der Rechtsausübung das lautere Motiv eindeutig überwiegt (9 Ob 32/02z mwN; RIS-Justiz RS0026265; RS0026271 ua). Ob ein Rechtsmissbrauch vorliegt, ist grundsätzlich nach den jeweiligen Umständen des Einzelfalls zu beurteilen (9 Ob 32/02z; RIS-Justiz RS0110900 ua). Diese Beurteilung erfordert eine Gesamtschau unter Einbeziehung insbesondere von Dauer der Kündigungsfrist, Anzahl der Urlaubstage, Verhalten des Arbeitnehmers in der Kündigungsfrist sowie Erholungsmöglichkeit des Arbeitnehmers und Erfordernisse des Betriebs. Auch das Urlaubsverhalten in der Vergangenheit ist zu berücksichtigen. Allein, dass der Urlaubsverbrauch unter Berücksichtigung der Jahreszeit, in der die Kündigungsfrist liegt, zumutbar wäre, reicht noch nicht aus, um bereits einen Missbrauchsfall als gegeben anzunehmen (vgl Egermann aaO 12). Verallgemeinernde Schlussfolgerungen aus ziffernmäßigen Angaben über ein bestimmtes Ausmaß des Urlaubsrestes und eine bestimmte Dauer der Dienstfreistellung und Kündigungsfrist allein sind aber mit größter Vorsicht zu behandeln.....“

Der erkennende Senat schließt sich dieser Rechtsansicht des 9. Senates grundsätzlich an und geht ebenfalls davon aus, dass nunmehr (seit dem ARÄG 2000) im allgemeinen eine Einschränkung der Urlaubsersatzleistung aus dem Grund, dass dem Arbeitnehmer ein Verbrauch des Urlaubes in der Kündigungsfrist zumutbar gewesen wäre, auch bei einseitiger Dienstfreistellung durch den Arbeitgeber nicht vorgesehen ist und dass dies auch gilt, wenn eine einvernehmliche Auflösung des Dienstverhältnisses vereinbart wurde. In einem solchen Fall steht es dem Arbeitgeber ohnehin offen, diese von einer entsprechenden Einigung zur Frage des Verbrauches des Resturlaubes abhängig zu machen. Zu den Einwendungen der Beklagten, dass dem Kläger der Urlaubsverbrauch zumutbar gewesen wäre, kann daher auf die dargestellte Entscheidung verwiesen werde.

Dass der mangelnde Urlaubsverbrauch missbräuchlich bzw treuewidrig wäre, wurde in erster Instanz gar nicht eingewendet.

Die Beklagte bestreitet auch nicht das Entstehen des Urlaubsanspruches für die Zeit der vereinbarten Dienstfreistellung an sich und leitet auch aus der konkreten Auflösungsvereinbarung keine dahingehenden Einwendungen ab (vgl zur Karenzierungsvereinbarung OGH 29. 6. 2005 9 ObA 67/05a). Vielmehr legt auch sie das Entstehen des Urlaubsanspruches als solchen zugrunde. Insoweit ist daher eine weitere Prüfung nicht erforderlich.

Der Einwand, dass der Kläger den Urlaub tatsächlich verbraucht hätte, wird von der Beklagten nicht aufrecht erhalten, sondern nur ohne jegliche Anhaltspunkte vermutet (Revisionsbeantwortung S 3 unten) (vgl zum schlüssigen Urlaubsverbrauch bei Dienstfreistellungen RIS-Justiz RS0053087 mwN etwa 9 ObA 113/02m, ins bei Urlaubsreisen RIS-Justiz RS0030767 etwa 9 ObA 61/94).

Im Ergebnis war daher der Revision des Klägers Folge zu geben und das klagsstattgebende erstgerichtliche Urteil wieder herzustellen.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 2 und 58a ASGG sowie 50 und 41 ZPO.

Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)

Stichworte