OGH 10ObS29/17p

OGH10ObS29/17p21.3.2017

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits‑ und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten Univ.‑Prof. Dr. Neumayr als Vorsitzenden, den Hofrat Dr. Schramm und die Hofrätin Dr. Fichtenau sowie die fachkundigen Laienrichter Dr. Reinhard Drössler (aus dem Kreis der Arbeitgeber) und Herbert Bauer (aus dem Kreis der Arbeitnehmer) als weitere Richter in der Sozialrechtssache der klagenden Partei R*****, vertreten durch Mag. Markus Hager, Rechtsanwalt in Linz, gegen die beklagte Partei Pensionsversicherungsanstalt, 1021 Wien, Friedrich-Hillegeist-Straße 1, vertreten durch Dr. Josef Milchram und andere Rechtsanwälte in Wien, wegen Invaliditätspension, infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Linz als Berufungsgericht in Arbeits‑ und Sozialrechtssachen vom 29. November 2016, GZ 11 Rs 111/16x‑23, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Landesgerichts Steyr als Arbeits‑ und Sozialgericht vom 21. September 2016, GZ 9 Cgs 29/15y‑18, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2017:010OBS00029.17P.0321.000

 

Spruch:

 

Der Revision wird nicht Folge geben.

Die klagende Partei hat die Kosten des Revisionsverfahrens selbst zu tragen.

 

Entscheidungsgründe:

Der am 6. 11. 1966 geborene Kläger, dem unstrittig Berufsschutz als Maurer zukommt, war in den letzten 15 Jahren vor dem 1. 5. 2003 112 Monate als Maurer (in Österreich) beschäftigt. Im Berufsfeld des Maurers kann er aufgrund seiner eingeschränkten körperlichen Leistungsfähigkeit nicht mehr arbeiten. Von Mai 2003 bis Mai 2014 gewährte ihm die beklagte Partei die (jeweils) befristete Invaliditätspension.

Mit Bescheid vom 1. 12. 2014 wies die beklagte Partei den Antrag des Klägers auf Weitergewährung der Invaliditätspension über den 31. 5. 2014 hinaus mangels Vorliegens dauerhafter Invalidität ab. Festgestellt wurde, dass ab 1. 6. 2014 weiterhin vorübergehende Invalidität vorliegt, dass Maßnahmen der medizinischen Rehabilitation nicht zweckmäßig sind und als berufliche Maßnahme der Rehabilitation eine Qualifizierung zum bautechnischen Zeichner zweckmäßig und zumutbar ist.

In seiner auf Zuspruch der Invaliditätspension über den 31. 5. 2014 hinaus gerichteten Klage wendet der Kläger ein, er besuche zwar derzeit (im Februar 2015) beim BBRZ die Umschulungskurse zum bautechnischen Zeichner. Dennoch bestreite er, dass diese Maßnahme zweckmäßig sei und mit hoher Wahrscheinlichkeit eine Wiedereingliederung in den Arbeitsmarkt auf Dauer sicherstelle.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. Es stellte fest, dass dem Kläger die Umschulung zum bautechnischen Zeichner intellektuell und auch im Hinblick auf sein sonstiges Leistungskalkül zumutbar ist. Ein Intensivkurs für das Erlernen der deutschen Sprache in Wort und Schrift ist zu empfehlen. Mit einer Wahrscheinlichkeit von 2/3 oder mehr wird der Kläger nach Abschluss der Ausbildung zum bautechnischen Zeichner in diesem Beruf auf Dauer eine Beschäftigung finden können. Die Reintegrationsprognose erhöht sich um 10 % bis 15 %, sobald der Kläger die deutsche Sprache flüssig erlernt hat. Am bundesweiten Arbeitsmarkt ist mit einer Wartezeit von sechs Monaten zu rechnen, bis der Kläger konkret einen Arbeitsplatz erhalten kann.

Rechtlich ging das Erstgericht davon aus, berufliche Maßnahmen der Rehabilitation würden versicherten Personen gewährt, wenn dies infolge deren Gesundheitszustands zweckmäßig und zumutbar sei. Derartige Maßnahmen setzten nach § 303 Abs 2 ASVG voraus, dass durch sie mit hoher Wahrscheinlichkeit auf Dauer Invalidität oder Berufsunfähigkeit beseitigt oder vermieden werden könne. Sie müssten geeignet sein, mit hoher Wahrscheinlichkeit eine Wiedereingliederung in den Arbeitsmarkt auf Dauer sicherzustellen. Nach den Feststellungen sei dem Kläger die Umschulung zumutbar und entspreche seiner psychischen und physischen Eignung. Auch die ausreichende Wiedereingliederungswahrscheinlichkeit sei zu bejahen, dies insbesondere dann, wenn die nicht ausreichenden Kenntnisse der deutschen Sprache als – allein dem Kläger zurechenbarer (persönlicher) – Umstand außer Betracht bleiben. Zudem stehe fest, dass am Arbeitsmarkt eine dauerhafte – und nicht nur eine phasenweise – Intergrationsmöglichkeit bestehe.

Das Berufungsgericht gab der Berufung des Klägers nicht Folge und ließ die ordentliche Revision zu. Nach der bisherigen Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs sei im Einzelfall (nur) zu prüfen, ob der Versicherte eine realistische Chance habe, nach Ende der Umschulung im neuen Beruf voraussichtlich einen Arbeitsplatz zu finden. Auf die konkrete individuelle Vermittlungswahrscheinlichkeit des Klägers während des gesamten Zeitraums bis zum Erreichen des Regelpensionsalters komme es nicht an. Das Kriterium, die Wiedereingliederung in den Arbeitsmarkt sicherzustellen bedeute nicht, dass die Erlangung einer bis zum Regelpensionsalter währenden Dauereinstellung sichergestellt oder eine ununterbrochene Beschäftigung bis zur Erreichung des Regelpensionsalters gegeben sein müsse. Die Möglichkeit einen konkreten Arbeitsplatz zu erlangen, gehöre im Allgemeinen nicht zu den Tatbestandsmerkmalen der dauernden Invalidität. Ausgehend von dieser Rechtsansicht sei die Beweisrüge unerledigt zu lassen, soweit sie sich gegen die Feststellung richte, der Kläger könne nach abgeschlossener Ausbildung zum bautechnischen Zeichner bis zum Regelpensionsalter auf Dauer (und nicht nur phasenweise) eine Beschäftigung finden.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist zulässig, weil der Oberste Gerichtshof zu den in § 303 Abs 2 ASVG genannten Kriterien im Anwendungsbereich des SRÄG 2012 noch nicht Stellung genommen hat.

Der Revisionswerber macht zusammengefasst geltend, eine 66%ige Wahrscheinlichkeit, eine Anstellung am allgemeinen Arbeitsmarkt zu finden und phasenweise auf diesem integriert zu werden, sei nicht ausreichend, um die Vorgaben des § 303 Abs 2 ASVG zu erfüllen. Bei einer 66%igen Wahrscheinlichkeit handle es sich um eine nur überwiegende, nicht aber hohe Wahrscheinlichkeit. Von einer dauerhaften Wiedereingliederung in den Arbeitsmarkt könne nur gesprochen werden, wenn mit hoher Wahrscheinlichkeit festgestellt worden wäre, dass der Kläger etwa noch zehn Jahre als bautechnischer Zeichner tatsächlich arbeiten könne.

Dazu ist auszuführen:

1.1 Mit dem mit 1. 1. 2014 in Kraft getretenen Sozialrechts‑Änderungsgesetz 2012 – SRÄG 2012, BGBl I 2013/3, wurde die befristete Invaliditätspension für Versicherte, die – wie der am 6. 11. 1966 geborene Kläger – das 50. Lebensjahr vor dem 1. 1. 2014 noch nicht vollendet haben, abgeschafft. Aufgrund der Übergangsbestimmung des § 669 Abs 6 ASVG konnte der Kläger, der am 31. 12. 2013 eine befristete Invaliditätspension bezog, diese noch bis zum Auslaufen der Befristung mit 31. 5. 2014 unter den bisherigen Bedingungen weiter beziehen. Seit diesem Zeitpunkt gilt aber auch für ihn das neue Leistungsregime des SRÄG 2012 für Versicherte, die ab dem 1. 1. 1964 geboren sind (vgl § 669 Abs 5 und 6 ASVG).

1.2 Für Versicherte im Anwendungsbereich des SRÄG 2012 besteht nach § 254 Abs 1 ASVG ein Anspruch auf Invaliditätspension – bei Vorliegen der sonstigen Voraussetzungen – nur mehr dann, wenn Invalidität (§ 255 ASVG) aufgrund des körperlichen oder geistigen Zustandes voraussichtlich dauerhaft vorliegt und berufliche Maßnahmen der Rehabilitation nicht zweckmäßig (§ 303 Abs 3 ASVG) oder nicht zumutbar (§ 303 Abs 4 ASVG) sind.

1.3 Auf diese Maßnahmen der beruflichen Rehabilitation besteht nach dem SRÄG 2012 jedoch kein Rechtsanspruch, weil die einen Rechtsanspruch auf berufliche Rehabilitation beinhaltende Bestimmung des § 253e ASVG für diese Versichertengruppe nicht gilt. Diese Maßnahmen werden nach dem SRÄG 2012 als Ermessensleistungen nach § 303 ASVG erbracht (10 ObS 97/15k).

1.4 Nach § 303 Abs 2 ASVG sind Maßnahmen nach Abs 1 nur solche, durch die mit hoher Wahrscheinlichkeit auf Dauer Invalidität oder Berufsunfähigkeit beseitigt oder vermieden werden kann und die geeignet sind, mit hoher Wahrscheinlichkeit eine Wiedereingliederung in den Arbeitsmarkt auf Dauer sicherzustellen. Die beruflichen Maßnahmen der Rehabilitation müssen ausreichend und zweckmäßig sein und dürfen das Maß des Notwendigen nicht überschreiten (§ 303 Abs 3 ASVG).

2.1 Nach den Gesetzesmaterialien zum SRÄG 2012 ist es für die Gewährung der lnvaliditäts‑(Berufsunfähigkeits‑)pension erforderlich, dass dauernde Invalidität bzw Berufsunfähigkeit vorliegt (bei der eine Besserung des Gesundheitszustands nicht zu erwarten ist) und eine berufliche Rehabilitation etwa wegen des Qualifikationsschutzes nicht zumutbar ... oder insbesondere wegen des Alters … nicht zweckmäßig ist (ErläutRV 2000 BlgNR 24. GP  24).

2.2 Zur Vorgängerbestimmung des § 253e ASVG, aus der § 303 Abs 2 ASVG wörtlich übernommen wurde (ErläutRV 2000 BlgNR 24. GP  24) wurde in den Gesetzesmaterialien festgehalten, dass es Ziel der Rehabilitationsmaßnahmen ist, Invalidität zu vermeiden oder zu beseitigen und mit hoher Wahrscheinlichkeit eine Wiedereingliederung in den Arbeitsmarkt auf Dauer sicherzustellen. Die Maßnahmen müssen ausreichend und zweckmäßig sein, um das Rehabilitationsziel zu erreichen, dürfen aber das Maß des Notwendigen nicht überschreiten. Die Zumutbarkeit richtet sich zum einen nach Dauer, Umfang und Kosten der ins Auge gefassten Ausbildung, zum anderen sind dabei das Alter, die Ausbildung, die Qualifikation und der soziale und wirtschaftliche Status sowie etwa auch die Facharbeitereigenschaft zu berücksichtigen. Grundsätzlich darf es zu keiner beruflichen Rehabilitation „nach unten“ kommen (232/ME 24. GP [Ministerialentwurf zu § 253a ASVG] 5).

3.1 Im Revisionsverfahren ist noch strittig, ob die Ausbildung zum bautechnischen Zeichner mit hoher Wahrscheinlichkeit geeignet ist, die Wiedereingliederung in den Arbeitsmarkt auf Dauer sicherzustellen.

3.2 Dazu ist zunächst auf die Rechtsprechung zur Ermessensleistung des § 300 ASVG idF vor dem BBG 2011 (10 ObS 49/00d, SSV‑NF 14/44 = DRdA 2001/7, 53 [Naderhirn] = ZAS 2002/3, 19 [Karl]) hinzuweisen. Es wurde davon ausgegangen, dass bei der Prüfung der Zumutbarkeit einer beruflichen Rehabilitation Arbeitsmarktprognosen zu berücksichtigen sind. Nicht zuletzt als Gegenstück zum Verlust des Berufsschutzes ist im Einzelfall zu prüfen, ob der Versicherte eine realistische Chance habe, nach Ende der Umschulung im neuen Beruf voraussichtlich einen Arbeitsplatz zu finden (RIS‑Justiz RS0113667 [T1]; Schramm in SV‑Komm [127. Lfg] §§ 85, 86 ASVG Rz 22 mwN). Rehabilitationsmaßnahmen, bei denen diese Aussicht nicht besteht, sind nicht zumutbar. Daher darf die durch eine erfolgreiche Rehabilitation zu erwartende Einsatzfähigkeit des Versicherten nicht rein abstrakt anhand des Vorhandenseins von mindestens hundert (freien oder besetzten) Arbeitsstellen im umgeschulten Beruf geprüft werden. Andererseits darf aber das Arbeitsplatzrisiko des nicht mehr voll Arbeitsfähigen auch nicht zur Gänze auf die Pensionsversicherung verlagert werden. Es sei der Ansicht von Jabornegg/Resch (Rehabilitation vor Rente, ZAS 1999, 65 [73]) und Naderhirn (Zum Grundsatz: Rehabilitation vor Pension, DRdA 2001, 57 [59]) zu folgen, es müsse eine realistische Chance bestehen, dass der konkret Umgeschulte nach Ende der Umschulung im neuen Beruf voraussichtlich einen Arbeitsplatz findet.

3.3 Diese Rechtsprechung wurde zu § 253e ASVG idF vor dem SRÄG 2012 aufrechterhalten (10 ObS 105/16p mwN; 10 ObS 5/16g).

3.4.1  R. Müller (Pensionsvermeidende berufliche Rehabilitation in der Arbeitslosenversicherung, DRdA 2014, 375 [380 f]) bejaht die Übertragbarkeit dieser Rechtsprechung auch auf die Rechtslage nach dem SRÄG 2012. § 253e ASVG Abs 2 ASVG erfordere ausdrücklich Maßnahmen, durch die mit „hoher Wahrscheinlichkeit“ auf Dauer Invalidität iSd § 255 ASVG beseitigt oder vermieden werden könne und die geeignet sind, mit hoher Wahrscheinlichkeit eine Wiedereingliederung in den Arbeitsmarkt sicherzustellen. Es werde daher darauf ankommen, dass es sich um die Umschulung zu einer Berufstätigkeit handle, die am Arbeitsmarkt regelmäßig aktiv nachgefragt werde. Der bei Beurteilung der Invalidität verwendete Satz „gleichgültig, ob freie Arbeitsplätze existieren oder nicht“ habe bei Prüfung der Zweckmäßigkeit der beruflichen Rehabilitation nach § 39b AlVG jedenfalls keinen Platz.

3.4.2  Burger/Ivansits , Medizinische und berufliche Rehabilitation in der Sozialversicherung DRdA 2013, 106 [115] führen aus, es werde deutlich, dass der Gesetzgeber eine Arbeitsmarktexpertise zur Frage der Vermittelbarkeit auf den Rehabilitationsberuf verlange. Die Meinungen, wie präzise diese Prognose sein solle, reichten vom Vorliegen einer realistischen Chance, im umgeschulten Beruf im Bundesgebiet einen Arbeitsplatz zu finden, bis zur Feststellung, dass die Umgeschulten mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit einen Arbeitsplatz erhalten können müssen. Gemeinsam sei beiden Ansätzen, dass im Unterschied zum Invaliditätsrecht in einer Art „konkreter“ Betrachtungsweise auch der Arbeitsmarkt ins Blickfeld genommen werde. Dieser müsse nach Abschluss der beruflichen Rehabilitation zumindest eine Chance bieten, eine Arbeit zu finden. Rehabilitationsmaßnahmen seien nur dann ökonomisch zielführend und für die Betroffenen und die Versichertengemeinschaft nützlich, wenn sie im Rehabilitationsberuf tatsächlich beschäftigt werden, anstatt wieder nur Leistungen aus der Arbeitslosenversicherung zu beziehen. Die Auslegung, was unter „hoher Wahrscheinlichkeit“ und unter „auf Dauer“ zu verstehen sei, überlasse der Gesetzgeber der Rechtsprechung.

3.4.3  Bergauer in Mosler/Müller/Pfeil , SV‑Komm [99. Lfg] § 303 ASVG Rz 18, weist darauf hin, dass die Änderungen, die bereits das BudgetbegleitG 2011 bei den Anforderungen an die Rehabilitation vor Pension gegenüber dem StrukturanpassungsG 1996 gebracht haben, vom SRÄG 2012 aufrechterhalten werden. Die seit dem BudgetbegleitG 2011 verlangte hohe Wahrscheinlichkeit einer auf Dauer erfolgenden Wiedereingliederung in den Arbeitsmarkt sei als Übernahme der Auffassung anzusehen, dass der konkret Umgeschulte im umgeschulten Beruf voraussichtlich eine realistische Chance haben muss, einen Arbeitsplatz im Bundesgebiet zu finden.

4. Der – mit diesen Meinungen in Einklang stehenden – Ansicht des Berufungsgerichts ist beizupflichten. Auch im Anwendungsbereich des SRÄG 2012 verlangen Maßnahmen der beruflichen Rehabilitation nach § 303 Abs 2 ASVG (nur), dass der Versicherte im ungeschulten Beruf eine realistische Chance hat, einen Arbeitsplatz zu finden. Dass der Versicherte nach Beendigung der Rehabilitations-maßnahme tatsächlich einen Arbeitsplatz erlangt und einen solchen für sein restliches Berufsleben (bis zum Pensionsantritt) innehat, bildet hingegen keine (negative) Anspruchsvoraussetzung. Ein andersartiges Verständnis kann dem Gesetzgeber im Hinblick darauf, dass der Arbeitsmarkt durch ein hohes Maß an Veränderungen geprägt ist, nicht unterstellt werden. „Auf Dauer sichergestellt“ iSd § 303 Abs 2 ASVG ist eine Wiedereingliederung in den Arbeitsmarkt demnach (bereits) dann, wenn nach einem etwaigen Verlust des Arbeitsplatzes die Berufstätigkeit, zu der die Umschulung erfolgt ist, am Arbeitsmarkt regelmäßig nachgefragt wird bzw weiterhin die grundsätzliche Chance besteht, sich am Arbeitsmarkt im umgelernten Beruf zu behaupten. Diese Voraussetzung ist im vorliegenden Fall erfüllt, selbst wenn man von der Feststellung einer nur phasenweisen Beschäftigungsmöglichkeit des Klägers nach abgeschlossener Ausbildung zum bautechnischen Zeichner ausgeht.

5.1 Zur Frage des Beweismaßes ist auszuführen, dass der Gesetzgeber mit dem in § 303 Abs 2 ASVG zweifach erwähnten Begriff der „hohen Wahrscheinlichkeit“ offenbar auf das Regelbeweismaß der Zivilprozessordnung Bezug nimmt (RIS‑Justiz RS0110701). Die in § 303 Abs 2 ASVG genannten Voraussetzungen sind somit nicht mit einer an Sicherheit grenzenden Wahrscheinlichkeit zu beweisen, sondern es genügt, wenn eine diesbezügliche hohe (große) Wahrscheinlichkeit nachgewiesen wird (RIS‑Justiz RS0110701; RS0085150).

5.2 Dem Hinweis des Revisionswerbers auf Prozentsätze ist zu entgegnen, dass die hohe Wahrscheinlichkeit keine objektive Größe darstellt. Dem Regelbeweismaß wohnt vielmehr eine gewisse Bandbreite inne, sodass es sowohl von den objektiven Umständen des Anlassfalls als auch von der subjektiven Einschätzung des Richters/der Richterin abhängt, wann diese hohe Wahrscheinlichkeit als gegeben angesehen wird (RIS‑Justiz RS0110701 [T3]). Es stellt demnach eine immer von den Umständen des Einzelfalls abhängige Beurteilung dar, wann der Richter/die Richterin die Überzeugung gewinnt, es bestehe jedenfalls eine hohe Wahrscheinlichkeit, dafür, dass eine Maßnahme der beruflichen Rehabilitation geeignet ist, eine Wiedereingliederung in den Arbeitsmarkt auf Dauer sicherzustellen. Eine Festlegung eines – für alle Verfahren geeigneten – Wahrscheinlichkeitsmaßstabes im Sinn einer „objektiven Beweismaßtheorie“ (etwa nach Prozentsätzen) kommt nicht in Betracht.

5.3 Ausgehend von diesen Grundsätzen der Rechtsprechung ist die Ansicht der Vorinstanzen nicht zu beanstanden, die sich aus den Feststellungen ergebende Wiedereingliederungswahrscheinlichkeit sei ausreichend, um für den Kläger eine realistische Chance zu bejahen, nach Ende der Umschulung im neuen Beruf einen Arbeitsplatz zu finden und seine Wiedereingliederung in den Arbeitsmarkt auf Dauer sicherzustellen.

6. Zutreffend sind die Vorinstanzen in diesem Zusammenhang auch davon ausgegangen, dass bei der Beurteilung der Chance auf Wiedereingliederung in den Arbeitsmarkt die mangelnden Deutschkenntnisse des Klägers die vom Gesetzgeber geforderte hohe Wahrscheinlichkeit nicht beeinflussen können. Für die Frage der Arbeitsmarktchancen kann eine mangelnde Beherrschung der deutschen Sprache ebenso wenig Berücksichtigung finden, wie ein ebenfalls dem persönlichen Verantwortungsbereich zuzurechnendes Fehlen durchschnittlicher fachlicher Kenntnisse (RIS‑Justiz RS0085050; 10 ObS 7/15z, SSV‑NF 29/32).

7. Für die in der Revision unter dem Aspekt der „Wiedereingliederung auf Dauer“ verlangten (absoluten) Mindestbeschäftigungszeit im neuen Beruf von zehn Jahren findet sich im Gesetz keine Grundlage. § 303 Abs 4 ASVG fordert im Rahmen der Prüfung der Zumutbarkeit lediglich die Berücksichtigung des Alters des Versicherten. Eine starre Altersgrenze, ab der die Zumutbarkeit oder Zweckmäßigkeit einer Umschulung jedenfalls zu verneinen ist, ist nicht ersichtlich. Von dem in den Gesetzesmaterialien genannten Beispiel einer unzweckmäßigen Rehabilitationsmaßnahme eines 61‑jährigen Arbeitnehmers, der vom Beruf des Tischlers auf den Beruf eines Bürokaufmanns umgeschult werden soll (ErläutRV 2000 BlgNR 24. GP  24) unterscheidet sich der vorliegende Fall des zur Zeit der Umschulungsmaßnahme erst 49‑jährigen Klägers wesentlich.

Der Revision ist daher nicht Folge zu geben.

Wenngleich das Kriterium der tatsächlichen und rechtlichen Schwierigkeiten des Verfahrens erfüllt ist, wenn die Entscheidung von der Lösung einer Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO abhängt, war ein Kostenzuspruch nach Billigkeit nicht zu treffen, weil aus dem Akteninhalt nicht hervorgeht, dass die Einkommens‑ und Vermögensverhältnisse des Versicherten einen derartigen Kostenersatz nahelegen.

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