OGH 3Ob191/16h

OGH3Ob191/16h26.1.2017

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Dr. Hoch als Vorsitzenden sowie die Vizepräsidentin Dr. Lovrek, die Hofräte Dr. Jensik und Dr. Roch und die Hofrätin Dr. Kodek als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei R*****, vertreten durch Mag. Wolfgang Moser, Rechtsanwalt in Wien, wider die beklagte Partei A***** AG, *****, vertreten durch Huber Swoboda Oswald Aixberger Rechtsanwälte GmbH in Wien, wegen Unzulässigkeit einer Exekution (§ 36 EO) über die außerordentliche Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Landesgerichts St. Pölten als Berufungsgericht vom 4. August 2016, GZ 7 R 90/16i‑33, den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2017:0030OB00191.16H.0126.000

 

Spruch:

Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

Begründung

Rechtliche Beurteilung

Die außerordentliche Revision der Beklagten zeigt keine erhebliche Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO auf und ist deshalb als nicht zulässig zurückzuweisen. Das ist wie folgt kurz zu begründen (§ 510 Abs 3 ZPO):

1. Die betreibende Partei hat schon im Exekutionsantrag nach § 355 EO konkrete Behauptungen über das angebliche Zuwiderhandeln des Verpflichteten aufzustellen; die bloße allgemeine Behauptung eines Zuwiderhandelns genügt nicht (RIS‑Justiz RS0000709; RS0004855; RS0004808). Sie muss darin konkret und schlüssig behaupten, dass und wie der Verpflichtete dem Exekutionstitel nach Eintritt der Vollstreckbarkeit zuwider gehandelt hat; zumindest ein konkreter Verstoß gegen das Unterlassungsgebot muss angeführt werden, damit geprüft werden kann, ob dieses im konkreten Fall verletzt oder eingehalten wurde (RIS‑Justiz RS0000614 [T5 und T6]). Eine konkrete und schlüssige Behauptung erfordert in der Regel nähere Angaben über Zeit, Ort und Art (Beschaffenheit) des Zuwiderhandelns (RIS‑Justiz RS0000709 [T14]).

2. Die Beklagte machte im Exekutionsantrag und den folgenden 12 Strafanträgen für zahlreiche Tage zwischen 16. Juni 2014 und 29. Oktober 2014 jeweils zusammengefasst als Titelverstöße geltend, dass im von der Klägerin (= Verpflichteten) betriebenen Lokal (einer Videothek) trotz fehlender Bewilligung Geräte für die Durchführung von Glücksspielen in Form der Ausspielung betriebsbereit vorgefunden und zugänglich gewesen seien, wodurch das Glücksspiel in diesem Lokal veranstaltet, organisiert, angeboten oder zugänglich gemacht worden sei.

Damit erfolgte die notwendige Festlegung des Ortes des Titelverstoßes unmissverständlich auf die von der Klägerin betriebene Videothek.

3. Demgegenüber steht aber fest, dass die Spielautomaten nicht in der Videothek aufgestellt waren, sondern in einem nach dem Titel geschaffenen, von der Videothek abgetrennten, von dieser nicht zugänglichen, einem Dritten in Bestand gegebenen Raum, dessen Abtrennung die Klägerin weder veranlasst noch finanziert hat. Weiters ist davon auszugehen, dass Betreiberin der Geräte nicht die Klägerin war.

4. Der Beklagten ist daher der ihr obliegende (RIS‑Justiz RS0000756; RS0004418) Nachweis des von ihr behaupteten Zuwiderhandelns gegen den Unterlassungstitel in keinem einzigen Fall gelungen, weil der Ort der Titelverstöße nicht – wie angegeben – innerhalb des von der Klägerin betriebenen (Geschäfts-)Lokals (der Videothek) lag, sondern außerhalb in einem davon getrennten, eigenständigen Bestandobjekt eines Dritten.

Schon deshalb ist nicht zu beanstanden, dass die Vorinstanzen der Impugnationsklage stattgegeben haben.

5. Substrat der Exekutionsbewilligung nach § 355 EO oder eines darauf folgenden Strafbeschlusses ist nur das vom betreibenden Gläubiger behauptete Verhalten (RIS‑Justiz RS0080946). Im Impugnationsverfahren kann dieser Sachverhalt zwar ergänzt werden, es kann dem Klagebegehren aber nicht ein völlig anderer Sachverhalt entgegengehalten werden. Ob eine unschädliche, bloß Teilbereiche berührende Modifikation des im Exekutionsverfahren behaupteten Sachverhalts vorliegt oder ein gänzlich anderer, ist nach den jeweiligen Umständen des Einzelfalls zu beurteilen (3 Ob 242/14f = RIS‑Justiz RS0080946 [T8]).

Die Rechtsansicht des Berufungsgerichts, wonach die Hilfsdienste der Klägerin beim Betrieb der außerhalb ihres Geschäftslokals aufgestellten Spielautomaten ([Bereitschaft zur] Verständigung des Automatenbetreibers von Störungen oder fehlendem Bargeld) einen anderen Sachverhalt darstellten, als jenen, der von der Beklagten in der Unterlassungsexekution geltend gemacht wurde, ist schon angesichts der geänderten räumlichen Situation, der die Beklagte trotz Kenntnis davon nicht Rechnung trug, jedenfalls vertretbar. Die Frage, ob die Hilfsdienste einen Titelverstoß verwirklichten, stellt sich daher nicht.

Die Unterlassungsexekution scheitert nämlich weder an der Auslegung des Exekutionstitels noch an der Beurteilung, ob das festgestellte Verhalten der Klägerin einen Titelverstoß darstellt, sondern an der Behauptung von Titelverstößen, die im Impugnationsprozess nicht erwiesen werden konnten.

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