OGH 4Ob252/16m

OGH4Ob252/16m24.1.2017

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Dr. Vogel als Vorsitzenden und die Hofräte Dr. Jensik, Dr. Musger, Dr. Schwarzenbacher und Dr. Rassi als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei F*****gesellschaft mbH, *****, vertreten durch Dr. Daniel Charim und Mag. Jakob Charim, Rechtsanwälte in Wien, gegen die beklagte Partei F***** Ltd., *****, vertreten durch Schwarz Schönherr Rechtsanwälte KG in Wien, wegen Unterlassung und Verfall, in eventu Nichtigerklärung von Gemeinschaftsmarken (Streitwert im Sicherungsverfahren 35.000 EUR), über den außerordentlichen Revisionsrekurs der klagenden Partei gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts Wien vom 31. Oktober 2016, GZ 2 R 123/16x‑31, mit welchem der Beschluss des Handelsgerichts Wien vom 7. Juli 2016, GZ 11 Cg 26/15h‑23, bestätigt wurde, den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2017:0040OB00252.16M.0124.000

 

Spruch:

Dem außerordentlichen Revisionsrekurs wird nicht Folge gegeben.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit 2.200,20 EUR bestimmten Kosten der Rechtsmittelbeantwortung (darin 366,70 EUR Umsatzsteuer) binnen 14 Tagen zu ersetzen.

 

Begründung:

Die Parteien und mit ihnen verbundene Unternehmen stehen im Wettbewerb auf dem Markt der Ausstrahlung von Fernsehprogrammen, die sich Themen der Mode widmen. Sie streiten über die Nutzung des Begriffs „Fashion“ zur Bezeichnung solcher Programme. Beide Unternehmensgruppen verfügen insofern über Rechte an Marken, die sie der jeweils anderen Seite entgegenhalten; beide Parteien führen diesen Begriff auch in ihrer Firma.

Im Verfahren 29 Cg 8/14t des Handelsgerichts Wien wurde einer der Unternehmensgruppe der Beklagten angehörenden Gesellschaft auf Antrag der Klägerin verboten, ihr Programm mit „Fashion One“ zu bezeichnen (bestätigt in 4 Ob 148/14i). Das Hauptverfahren ist unterbrochen, weil in Bezug auf die dortige Klagsmarke („Fashion One“) beim Amt der Europäischen Union für Geistiges Eigentum ein Löschungsverfahren anhängig ist.

Die Beklagte strahlt seither ein als „Fashion Television“ bezeichnetes Programm aus. Sie erwarb dafür von einem kanadischen Unternehmen Lizenzrechte an den Unionsmarken CTM 559829 und CTM 776823:

Aufgrund dieser Marken erhob die hier Beklagte zu 11 Cg 114/14y des Handelsgerichts Wien Unterlassungsansprüche gegen die hier klagende Partei. Auch dieses Verfahren ist wegen anhängiger Löschungsverfahren unterbrochen. Einen Sicherungsantrag hat die Beklagte in diesem Verfahren nicht gestellt.

Gegenstand des vorliegenden Verfahrens ist einerseits eine zum letztgenannten Verfahren erhobene Widerklage, mit der die hier klagende Partei den Verfall, hilfsweise die Nichtigerklärung der dortigen Klagsmarken anstrebt. Insofern ist das Verfahren ebenfalls unterbrochen. Andererseits begehrt die Klägerin, der Beklagten zu untersagen, die strittigen Marken oder damit verwechselbare Zeichen zur Kennzeichnung eines Mode‑Sparten‑Fernsehprogramms zu benutzen. Die auch insofern vom Erstgericht ausgesprochene Unterbrechung des Verfahrens wurde vom Rekursgericht behoben.

Mit dem Unterlassungsbegehren verbindet die Klägerin den hier strittigen Sicherungsantrag. Den Unterlassungsanspruch stützt sie jedenfalls im Revisionsrekursverfahren ausschließlich darauf, dass die Beklagte die Rechte an den Marken sittenwidrig erworben habe. Sie sei vor dem Erwerb darüber informiert worden, dass die Marken von der Inhaberin seit 2007 nicht geltungserhaltend benutzt worden seien, was zu Löschungsverfahren geführt habe, denen die Inhaberin nicht entgegengetreten sei. Der sittenwidrige Markenrechtserwerb begründe Unterlassungsansprüche nach § 1 UWG (Behinderungswettbewerb).

Die Beklagte wendet ein, dass sie die Rechte an den Marken nicht sittenwidrig erworben habe. Vielmehr habe ihre Unternehmensgruppe auf die von der Gegenseite erwirkte einstweilige Verfügung reagieren müssen. Sie habe zwar eine Unterlassungsklage gegen die Klägerin erhoben, weil dies zur Vermeidung eines Verwirkungseinwands erforderlich gewesen sei, jedoch dem von der Gegenseite gestellten Unterbrechungsantrag zugestimmt und keine einstweilige Verfügung beantragt. Schon dies zeige, dass sie nicht in Behinderungsabsicht gehandelt habe. Zudem hätten sich die Parteien in einem „Settlement Agreement“ für den Fall des Scheiterns von Vergleichsgesprächen wechselseitige Lizenzrechte an ihren Marken bis 1. Dezember 2016 eingeräumt.

Das Erstgericht wies den Sicherungsantrag ab. Das nach § 914 ABGB auszulegende „Settlement Agreement“ verbiete der Klägerin, vor dem 1. Dezember 2016 eine „markenrechtliche EV“ zu erwirken.

Das Rekursgericht bestätigte diese Entscheidung. Es sprach aus, dass der Wert des Entscheidungsgegenstands 30.000 EUR übersteige und der ordentliche Revisionsrekurs nicht zulässig sei.

Da eine vorbeugende Unterlassungsklage auch bei einer zeitlich aufgeschobenen Unterlassungspflicht möglich sei, könne sich die Beklagte nicht auf das „Settlement Agreement“ stützen. Allerdings begründe sittenwidriger Markenrechtserwerb grundsätzlich nur einen rechtsvernichtenden Einwand, nicht aber einen Unterlassungsanspruch. Ein Verhalten der Beklagten, das die Klägerin behindere, schlage sich im Begehren nicht nieder, da dieses nur auf Unterlassung der kennzeichenmäßigen Nutzung der Marken gerichtet sei. Daher sei auch nicht zu prüfen, ob aufgrund des aktenkundigen Verhaltens der Beklagten (keine Sicherungsanträge in Aktivverfahren; Zustimmung zur Unterbrechung der Verfahren) überhaupt Behinderungsabsicht anzunehmen sei.

Im außerordentlichen Revisionsrekurs macht die Klägerin geltend, dass der Oberste Gerichtshof in den Entscheidungen 4 Ob 244/01p und 4 Ob 152/03m bei sittenwidrigem Markenrechtserwerb durch den Beklagten einen Anspruch auf Unterlassung der Markennutzung bejaht habe.

Rechtliche Beurteilung

Der außerordentliche Revisionsrekurs ist aus dem von der Klägerin genannten Grund zulässig, er ist aber nicht berechtigt.

1. Die Klägerin wendet sich nicht gegen ein Verhalten der Beklagten, mit dem diese unter Berufung auf angeblich sittenwidrig erworbene Markenrechte die Nutzung entsprechender Zeichen durch die Klägerin behindere. Vielmehr leitet sie aus dem angeblich sittenwidrigen Markenrechtserwerb ab, dass die Beklagte diese Zeichen selbst nicht kennzeichenmäßig nutzen dürfe: Sittenwidriger Markenrechtserwerb begründe einen Anspruch auf Unterlassung der Verwendung der in Behinderungsabsicht erworbenen Marke.

2. Richtig ist, dass der Oberste Gerichtshof in den Entscheidungen 4 Ob 244/01p und 4 Ob 152/03m allein aus dem in Behinderungsabsicht erfolgten Erwerb einer Marke die Unzulässigkeit von deren Nutzung abgeleitet hat. Eine nähere Begründung für diese Ansicht enthalten diese Entscheidungen jedoch nicht. Bei neuerlicher Überprüfung ist sie nicht aufrechtzuerhalten.

2.1. Zunächst ist klarzustellen, dass hier auch nach dem Vorbringen der Klägerin kein bösgläubiger Markenrechtserwerb iSv Art 52 Abs 1 lit b UMV vorliegt. Denn diese Bestimmung bezieht sich ebenso wie § 34 MSchG nur auf die Anmeldung einer Marke, nicht auf den späteren Erwerb von (Lizenz‑)Rechten daran.

2.2. Nun kann zwar auch das Geltendmachen von Rechten aus einer Marke sittenwidrig sein, wenn es in unlauterer Weise Mitbewerber behindert (4 Ob 89/06a, grüngeflammt, Obl 2007, 27 [Gamerith]; RIS‑Justiz RS0121116). Dies könnte aber, wie auch der bösgläubige Markenrechtserwerb ieS, im Regelfall nur einen Einwand gegen Ansprüche begründen, die aus der Marke abgeleitet werden: Darüber hinaus könnte ein betroffener Mitbewerber mit dieser Begründung auch aktiv gegen eine Schutzrechtsverwarnung des Markeninhabers vorgehen (4 Ob 184/06x, Ophthalmoskop, SZ 2006/170; RIS‑Justiz RS0121544). Auch nach deutschem Recht wird ein lauterkeitsrechtlich relevanter Behinderungswettbewerb im gegebenen Zusammenhang nur dann für möglich gehalten, wenn der Mitbewerber seine Marke als „Sperrzeichen“ verwendet. Rechtsfolgen sind dann aber ebenfalls nur ein Anspruch auf Rücknahme der Anmeldung oder Einwilligung in die Löschung dieser Marke oder ein Einwand gegen kennzeichenrechtliche Ansprüche aufgrund des Sperrzeichens (Köhler/Bornkamm, UWG34 § 4 Rz 4.85 mwN).

2.3. Demgegenüber enthalten die eingangs genannten Entscheidungen keine nähere Begründung, warum allein der sittenwidrige Erwerb eines Kennzeichenrechts die bloße Nutzung des dadurch geschützten Zeichens unzulässig machen soll. Eine solche Begründung ist auch nicht erkennbar. Denn die Nutzung ist vom Erwerb eines diesbezüglichen Rechts unabhängig. Wenn die Beklagte bei bloßer Nutzung bestimmter Zeichen keinen Unterlassungsansprüchen der Klägerin ausgesetzt wäre, kann der Umstand, dass sie auch Rechte an diesen Zeichen erworben hat, ihre Position jedenfalls nicht verschlechtern. Die Frage des sittenwidrigen Erwerbs dieser Rechte könnte sich hier nur dann stellen, wenn die Klägerin aufgrund eines eigenen Kennzeichenrechts oder aufgrund von Imitationsmarketing Unterlassungsansprüche gegen die Beklagten geltend machte, wogegen diese nun ein eigenes (älteres) Recht einwendet. Dem könnte die Klägerin wiederum (ua) den sittenwidrigen Erwerb dieses Rechts entgegenhalten. Ihr Anspruch gründete sich dann aber weiterhin auf die Verletzung eines Kennzeichenrechts oder das Vorliegen einer unlauteren Geschäftspraktik; der bloße Umstand des sittenwidrigen Rechtserwerbs kann jedenfalls im gegebenen Zusammenhang keinen Anspruch auf Unterlassung der Zeichennutzung begründen.

3. Der Senat hält daher nicht an der in 4 Ob 244/01p und 4 Ob 152/03m ausgedrückten Rechtsansicht fest, dass allein der sittenwidrige Erwerb eines Markenrechts einen Anspruch von Mitbewerbern auf Unterlassung der Nutzung des betroffenen Zeichens begründet. Vielmehr bedarf dieser Anspruch einer eigenständigen Grundlage im Kennzeichen‑ oder Lauterkeitsrecht; die Frage des sittenwidrigen Erwerbs kann allenfalls dann relevant werden, wenn der Erwerber sich zur Verteidigung seiner Nutzungshandlungen auf ein eigenes Recht beruft.

4. Aus diesen Gründen muss der Revisionsrekurs der Klägerin scheitern. Die Kostenentscheidung gründet sich auf § 393 Abs 1 EO iVm §§ 41, 50 ZPO.

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