OGH 5Ob161/16m

OGH5Ob161/16m23.1.2017

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Dr. Hradil als Vorsitzenden sowie die Hofräte und Hofrätinnen Dr. Grohmann, Mag. Wurzer, Mag. Malesich und Mag. Painsi als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Parteien 1. A* S*, und 2. R* S*, beide vertreten durch Korn & Gärtner Rechtsanwälte OG in Salzburg, gegen die beklagte Partei DDr. M* W*, wegen Unterlassung, über den Rekurs der klagenden Parteien gegen das Urteil des Landesgerichts Salzburg als Berufungsgericht vom 20. Juli 2016, GZ 22 R 191/16s‑16, mit dem das Urteil des Bezirksgerichts Oberndorf vom 30. Mai 2016, GZ 2 C 636/15a‑12, aufgehoben wurde, den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2017:E117007

 

Spruch:

Aus Anlass des Rekurses werden die Entscheidungen der Vorinstanzen und das vorangegangene Verfahren aufgehoben und die Klage zurückgewiesen.

Die Kosten des Verfahrens werden gegenseitig aufgehoben.

 

Begründung:

Die Streitteile sind Mit‑ und Wohnungseigentümer einer Liegenschaft mit den drei Wohnungseigentumsobjekten (Wohnungen) W 1–3. Mit den Miteigentumsanteilen der Kläger ist das Wohnungseigentum an W 1, mit jenen des Beklagten das Wohnungseigentum an W 3 verbunden.

Mit der am 20. 7. 2015 eingebrachten Klage begehren die Kläger, dass die beklagte Partei verpflichtet sei, jegliches Betreten und Benutzen des zugunsten der Kläger als Zubehörwohnungseigentum parifizierten PKW‑Abstellplatzes, auf dem integrierten Plan mit roter Farbe gekennzeichnet, zu unterlassen und insbesondere seine Mieter anweise, jegliche derartige Nutzung und jegliches Betreten dieser Zubehörfläche der Wohnungseigentumseinheit top 1 zu unterlassen. Sie seien anlässlich des Kaufs ihrer Miteigentumsanteile von den Verkäufern darüber informiert worden, dass der Beklagte behaupte, aufgrund eines Dienstbarkeitsrechts über das Zubehörwohnungs-eigentumsobjekt (Autoabstellplatz) der Wohnung W 1 zu seinem Zubehörwohnungseigentumsobjekt (Schuppen) gehen zu können. Die Verkäufer hätten das Bestehen einer Dienstbarkeit bestritten und noch vor dem Verkauf eine Klage eingebracht. Sie hätten sich im Kaufvertrag gegenüber den Klägern verpflichtet, den Rechtsstreit fortzuführen und alle rechtlichen Möglichkeiten auszuschöpfen. Die Kläger hätten ein Durchgangsrecht unter keinen Umständen mitübernehmen wollen. Der Oberste Gerichtshof habe in diesem Verfahren die Auffassung vertreten, dass der Beklagte zwar kein Dienstbarkeitsrecht erworben habe, aber durch die über 10‑jährige Duldung des Durchgangsrechts ein Mitbenutzungsrecht entstanden sei. Es stehe daher fest, dass dem Beklagten kein dingliches Recht zustehe. Allein aus der Duldung eines Durchgangsrechts könne kein auf Begründung einer Dienstbarkeit gerichteter Wille der Rechtsvorgänger abgeleitet werden. Dieses passive Verhalten könne bestenfalls so verstanden werden, dass dem Beklagten ein jederzeit widerrufliches oder kündbares Recht des Durchgangs eingeräumt werde. Das von den Rechtsvorgängern durch jahrelange Duldung eingeräumte Mitbenutzungsrecht sei keineswegs eine offenkundige Dienstbarkeit. Das Recht sei nicht auf die Kläger übergegangen, im Gegenteil, sie hätten im Kaufvertrag unmissverständlich einen entgegenstehenden Willen zum Ausdruck gebracht. Eine offenkundige Dienstbarkeit könne schon deshalb nicht bestehen, weil mit Begründung des Wohnungseigentums und Schaffung des Zubehör-Wohnungseigentums jedenfalls eine strikte Trennung der Zubehörsflächen hinsichtlich ihrer Zugänglichkeit vorgenommen worden sei und die nach Auffassung des Beklagten gegebenen Umstände der Offenkundigkeit schon dem Zustand vor Begründung des Wohnungseigentums entsprächen. Bei Begründung von Wohnungseigentum insbesondere im Altbestand sei es jedoch durchaus üblich, auch gewisse bauliche Veränderungen vorzusehen, um eine klare und eindeutige Zuordnung und strikte Trennung der parifizierten Flächen zu erreichen. Ohne einen solchen Willen auf Erreichbarkeit sämtlicher Zubehörflächen ausschließlich über Allgemeinflächen oder öffentliches Gut wäre die Begründung von Wohnungseigentum gar nicht möglich, die Parifizierung sei daher nichtig. Die seinerzeitige alleinige Eigentümerin der Liegenschaft habe jedoch durch Parifizierung drei abgesondert nutzbare und erreichbare Bereiche des Hauses festgelegt und schon durch diese Feststellung zwangsläufig ebenso festgelegt, dass ein Durchgang zu der für die Wohnungseigentumseinheit der Kläger als Zubehör parifizierten Fläche erfolgen könne, sodass ein Zugang zu dieser Teilfläche über die Garage hergestellt werden müsse. Dies sei bei der gegenständlichen Parifizierung zwangsläufiges Erfordernis und auch so gewollt gewesen, wie aus der Art der planlichen Darstellung der Zubehörfläche klar und zweifelsfrei erkennbar wäre.

Die Kläger seien als Mit‑ und Wohnungseigentümer zur Einbringung einer Eigentumsfreiheitsklage berechtigt. Aufgrund der Vertragsklausel im Kaufvertrag mit den Rechtsvorgängern betreffend das Durchgangsrecht sei ihnen nicht das Recht genommen worden, dieses Durchgangsrecht zu bekämpfen. Ein Mitbenützungsrecht am Zubehör-Wohnungseigentumsobjekt wäre nur bei ausdrücklicher Überbindung auf sie übergegangen. Mangels einer solchen seien sie nicht mehr an diese Rechte gebunden und aus dem Eigentumsrecht zur Abwehr der weiteren Benützung berechtigt.

Der Beklagte verwies auf den mit den Voreigentümern geführten Vorprozess. Das rechtskräftige, einen inhaltsgleichen Unterlassungsanspruch der Voreigentümer abweisende Urteil wirke auch gegen die Kläger als Rechtsnachfolger. Deren Meinung, ihre Rechtsvorgänger hätten den Prozess nur verloren, weil nach Auffassung des Obersten Gerichtshofs lediglich eine vertragliche Bindung zum Beklagten bestanden habe, sei unrichtig. Es sei vielmehr eine offenkundige Grunddienstbarkeit rechtskräftig festgestellt worden. Die Kläger seien über das Durchgangsrecht informiert gewesen, das im Kaufvertrag auch ganz klar angesprochen worden sei. Die Liegenschaft sei besichtigt worden.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. Es stellte insbesondere Folgendes fest:

Im Zuge der Parifizierung wurden den einzelnen Wohnungseigentumseinheiten auch Gartenflächen, Garagen, Kfz‑Stellplätze und Nebengebäude als Zubehör zugeordnet: Den Miteigentumsanteilen der Kläger der gesamte Gartenbereich südlich des Gebäudes und ein Autoabstellplatz nordöstlich unmittelbar angrenzend an das Gebäude, der Wohnungseigentumseinheit des Beklagten ein Autoabstellplatz und Garagenbereich im nordöstlichen Teil des Grundstücks samt einem an die Rückseite der Garage angebauten Schuppen. Die Voreigentümer (Rechtsvorgänger der Kläger) erwarben ihre Miteigentumsanteile im Jahr 2001, der Beklagte 2003. Zum damaligen Zeitpunkt bestand am Wohnungseigentumsobjekt des Beklagten noch ein Wohnungsgebrauchsrecht einer mittlerweile verstorbenen Person. Der Beklagte wurde im Zuge der Kaufvertragsverhandlungen von der früheren Alleineigentümerin darauf hingewiesen, dass ihm das klagsgegenständliche Durchgangsrecht zukomme. Die Voreigentümer wurden im Zuge der Kaufverhandlungen ebenfalls auf das Durchgangsrecht hingewiesen.

Eine Durchgangsmöglichkeit in der Garage zum Schuppen gab es nie. Der Wohnungsgebrauchsberechtigte nahm das Durchgangsrecht mit ausdrücklicher Zustimmung der Voreigentümer in Anspruch. Auch die Nutzung durch den Beklagten und dessen Mieter blieb unwidersprochen. Dem Beklagten wurde niemals die Verpflichtung auferlegt, einen Durchgang von der Garage zum Schuppen zu schaffen. Diese Möglichkeit wurde mit ihm nie diskutiert.

Der einzige Weg zum Holzschuppen war seit jeher der Gang über das Zubehör-Wohnungseigentumsobjekt der Kläger, was deutlich erkennbar war.

Im Jahr 2013 verkauften die Voreigentümer ihren Eigentumsanteil verbunden mit Wohnungseigentum an die Kläger. Ein Teilbetrag von 5.000 EUR wurde vorläufig treuhändig zurückbehalten und wäre nur dann zur Zahlung an die Voreigentümer fällig geworden, wenn rechtskräftig festgestellt worden wäre, dass das vom Beklagten behauptete Durchgangsrecht nicht bestehe.

Bereits bei Unterzeichnung des Kaufvertrags wussten die Kläger von der Behauptung des Beklagten, dass ein Durchgangsrecht zu seinen Gunsten bestehen würde. Ebenso wussten sie, dass die Tür vom Autoabstellplatz, der ihrer Wohnung W 1 als Zubehör zugeordnet ist, den regelmäßig genutzten Zugang zum Schuppen ermöglicht.

Rechtlich folgerte das Erstgericht, dass es sich bei dem umstrittenen Durchgangsrecht um eine offenkundige, auf die Kläger übergegangene Dienstbarkeit handle.

Das Berufungsgericht gab der Berufung der Kläger Folge, hob das Urteil des Erstgerichts auf und trug diesem die neuerliche Entscheidung nach Verfahrensergänzung auf. Es sprach aus, dass der Wert des Entscheidungsgegenstands 5.000 EUR, nicht jedoch 30.000 EUR übersteigt und der Rekurs an den Obersten Gerichtshof zulässig sei. Das Erstgericht habe den Unmittelbarkeitsgrundsatz verletzt, indem es Tatsachenfeststellungen aus dem Vorprozess nach pauschaler Verlesung des gesamten Akts ohne ausdrückliche Zustimmung der Kläger übernommen habe. Anders als im Vorprozess stelle sich die Rechtsfrage, ob dem Beklagten bzw dem jeweiligen Wohnungseigentümer der Wohnung W 3 ein auch gegenüber den Klägern wirkendes dingliches Benutzungsrecht am Kfz‑Abstellplatz zustehe. Der Oberste Gerichtshof habe diese Rechtsfrage im Vorverfahren offen gelassen, weshalb sie nunmehr zu klären sei. Die Rechtsansicht des Erstgerichts zum Bestehen einer offenkundigen Dienstbarkeit sei vertretbar. Das ausschließliche Nutzungsrecht eines Wohnungseigentümers umfasse auch die Befugnis, einem anderen Wohnungseigentümer am Wohnungseigentumsobjekt obligatorische (Mitbenützungs‑)Rechte oder dingliche Rechte einzuräumen. Es scheine daher sachgerecht, die Judikatur zur offenkundigen (Eigentümer‑)Dienstbarkeit auch auf den vorliegenden Fall der Begründung von Wohnungseigentum oder Veräußerung von Liegenschaftsanteilen an verschiedene Personen anzuwenden. Da zu dieser vom Obersten Gerichtshof in der Vorentscheidung offen gelassenen Rechtsfrage keine höchstgerichtliche Judikatur vorliege und die offenkundige Dienstbarkeit möglicherweise der Eignung zur selbständigen sowie ausschließlichen Benützbarkeit von (Zubehör‑)Wohnungseigentum entgegenstehe, zumal eine Wohnungseigentumsbegründung an einem Kfz‑Stellplatz ausgeschlossen sei, wenn die Fläche zugleich ausschließlicher Zugang zu einem Wohnungseigentumsobjekt sei, sei der Rekurs an den Obersten Gerichtshof zuzulassen.

Gegen diese Entscheidung richtet sich der Rekurs der Kläger, der vom Beklagten beantwortet wurde.

Aus Anlass des Rekurses ist das Prozesshindernis der rechtskräftig entschiedenen Streitsache wahrzunehmen.

Rechtliche Beurteilung

1.1 Die Kläger haben ihre mit Wohnungseigentum an W 1 verbundenen Miteigentumsanteile mit Kaufvertrag vom 25. 4. 2013 erworben. Ihre Rechtsvorgänger hatten am 13. 3. 2013 gegen den Beklagten eine inhaltsgleiche Unterlassungsklage eingebracht. Sie wendeten sich in ihrer Eigentumsfreiheitsklage (§ 523 ABGB) gegen die Anmaßung einer Dienstbarkeit durch den Beklagten, der das Zubehörobjekt der Kläger, einen Autoabstellplatz, benütze, um zu seinem Zubehörobjekt, einem Schuppen zu gelangen. Die Begründung einer Eigentümerservitut aufgrund Offenkundigkeit (deren Zulässigkeit), die fortbestehende Offenkundigkeit des beanspruchten Durchgangsrechts und das Bestehen dinglicher oder obligatorischer Nutzungsrechte war auch in diesem Verfahren Thema des Parteienvorbringens. Nach Veräußerung der Miteigentumsanteile an die Kläger, die nach Streitanhängigkeit erfolgte, stellten die Rechtsvorgänger der Kläger ihr Klagebegehren auf eine Unterlassungsverpflichtung des Beklagten gegenüber ihren Rechtsnachfolgern (den nunmehrigen Klägern) um, was nach der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs möglich, aber nicht notwendig war (1 Ob 150/14m = RIS‑Justiz RS0039302 [T3]; vgl RS0039258 [T1]).

1.2 Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. Es traf im Wesentlichen dieselben Feststellungen wie im nunmehrigen Prozess und ging rechtlich vom Bestehen einer offenkundigen Dienstbarkeit aus.

1.3 Das Berufungsgericht gab der Berufung der Voreigentümer nicht Folge. Es übernahm die Feststellungen des Erstgerichts und folgerte rechtlich, dass entweder eine bereits durch die Übereignung und ohne besondere vertragliche Grundlage außerbücherlich entstandene offenkundige Eigentümerservitut vorliege oder stillschweigend durch jahrelange Übung ein Nutzungsrecht vereinbart worden sei. Es stellte – seinen nunmehrigen rechtlichen Ausführungen vergleichbare – Überlegungen zur Zulässigkeit der Begründung einer solchen Dienstbarkeit bei Wohnungseigentumsbegründung, zur Zubehörstauglichkeit des betroffenen Kfz-Abstellplatzes sowie zur Nichtigkeit der Parifizierung an.

1.4 Der Oberste Gerichtshof wies die nachträglich zugelassene Revision der Voreigentümer zu 5 Ob 84/14m zurück. Ein unberechtigter, mit Negatorienklage nach § 523 ABGB geltend gemachter Eingriff in das Nutzungsrecht der Kläger (deren Rechtsnachfolger) liege nach den Festellungen der Vorinstanzen nicht vor. Das ausschließliche Nutzungsrecht eines Wohnungseigentümers umfasse auch die Befugnis, einem Dritten oder einem anderen Wohnungseigentümer an seinem Wohnungseigentumsobjekt (Mitbenützungs‑)Rechte einzuräumen. Diese Einräumung könne auch konkludent erfolgen. Es sei keine Fehlbeurteilung, wenn das Berufungsgericht zum Ergebnis gelangt sei, dass jedenfalls eine Vereinbarung über die (Mit‑)Benützung des Kfz‑Abstellplatzes durch den Beklagten bzw dessen Mieter vorliege.

1.5 Der Beklagte hat in erster Instanz die Rechtskraftwirkung des zwischen den Rechtsvorgängern der Kläger und dem Beklagten geführten Unterlassungsprozesses angesprochen. Das Erstgericht hat das Prozesshindernis der rechtskräftig entschiedenen Streitsache weder im Spruch noch in den Entscheidungsgründen behandelt. Ein gesondert anfechtbarer Beschuss nach § 261 Abs 3 ZPO idF BGBl I 2015/94 erging nicht. Das Berufungsgericht nahm in seiner Begründung zwar auf den Vorprozess Bezug, verneinte dort jedoch das Vorliegen des Prozesshindernisses der rechtskräftig entschiedenen Streitsache nicht ausdrücklich. Ein nach § 519 ZPO unanfechtbarer Beschluss der zweiten Instanz, mit dem das Berufungsgericht von Amts wegen den Nichtigkeitsgrund der Rechtskraftwirkung prüft (RIS‑Justiz RS0039968) und das Vorliegen dieses Prozesshindernisses ausdrücklich verneint, liegt daher nicht vor (vgl RIS‑Justiz RS0114196; vgl RS0039774). Dem Obersten Gerichtshof ist die Prüfung der genannten negativen Prozessvoraussetzung somit nicht verwehrt.

2.1 Die Veräußerung einer streitverfangenen Sache oder Forderung hat nach § 234 ZPO auf den Prozess keinen Einfluss. „Veräußerung“ ist jeder Wechsel in der Rechtszuständigkeit an der vom Klagebegehren betroffenen Sache oder Forderung außerhalb einer Gesamtrechtsnachfolge (RIS‑Justiz RS0039302). § 234 ZPO gilt somit für jede Art der Einzelrechtsnachfolge kraft Vertrag oder Gesetz (3 Ob 129/05z; 4 Ob 212/12y). Die „Sache“ muss nach materiellem Recht jedoch die Eignung haben, auf den Erwerber überzugehen, es muss ihn also entweder eine identische Verpflichtung wie den Veräußerer treffen oder ihm ein identischer Anspruch zustehen können, weil eine Rechtsnachfolge nur dann in Betracht kommt (3 Ob 129/05z mwN; RIS‑Justiz RS0111151; Klicka in Fasching/Konecny³ § 234 ZPO Rz 11).

2.2 Die Rechtskraft eines Urteils erstreckt sich zufolge § 234 ZPO (insbesondere der in Satz 2 geregelten Möglichkeit des Eintritts in den Prozess) auf den (materiell) in das Recht eingetretenen Einzelrechtsnachfolger, weshalb eine neuerliche Klagsführung unzulässig ist (Rechberger/Klicka in Rechberger ZPO4 § 234 ZPO Rz 3 mwN). § 234 ZPO überspielt das materielle Recht nur hinsichtlich der Sachlegitimation des Klägers oder des Beklagten. Der Veräußerer führt einen Prozess in eigenem Namen über ein fremdes Recht, es handelt sich um eine gesetzlich angeordnete Prozessstandschaft (Klicka aaO § 234 ZPO Rz 4 mwN; Rechberger/Klicka aaO). Der Zeitpunkt der Streitanhängigkeit entscheidet als Ausnahme von § 406 ZPO die Frage der Aktiv- oder Passivlegitimation. Für die anderen Entscheidungsgrundlagen bleibt es dagegen bei der Maßgeblichkeit des Zeitpunkts des Schlusses der Verhandlung der Tatsacheninstanz (RIS‑Justiz RS0109183; 4 Ob 212/12y mwN). Das im Prozess mit dem Veräußerer ergangene Urteil muss aus Gründen der Rechtssicherheit auch für oder gegen den Rechtsnachfolger wirken, weil das Konzept des § 234 ZPO, den Rechtsvorgänger über das ihm nicht mehr zustehende Recht prozessieren zu lassen, keinen Sinn ergäbe, wenn der Rechtsnachfolger dieses Verfahren nicht gegen sich gelten lassen müsste (Klicka aaO § 234 ZPO Rz 5).

2.3 Diese Erstreckung der Rechtskraftwirkung auf den Einzelrechtsnachfolger setzt voraus, dass die Rechtsnachfolge nicht zugleich eine Anspruchsänderung bewirkte, also der Anspruch des Rechtsnachfolgers identisch blieb (RIS‑Justiz RS0111151). Der grundbuchsrechtliche Gutglaubensschutz bleibt daher auch im Zusammenhang mit § 234 ZPO bestehen. Die Rechtskrafterstreckung des § 234 ZPO kommt dann nicht zur Anwendung, weil schon nach materiellem Recht kein identischer Anspruch für oder gegen den Erwerber besteht (Rechberger/Klicka aaO Rz 3 mwN; 5 Ob 16/94 = NZ 1994, 87; 7 Ob 216/68 = EvBl 1969/125).

2.4 Das Urteilsbegehren (der Sachantrag) ist in beiden Verfahren identisch. In ihren Eigentumsfreiheitsklagen (§ 523 ABGB) begehren die nunmehrigen Kläger und ihre Rechtsvorgänger im Mit- und Wohnungseigentum die Unterlassung der Benützung ihres Zubehör-Wohnungseigentumsobjekts. Beiden Verfahren liegt die wesentliche anspruchsbegründende Tatsachenbehauptung zugrunde, der Beklagte nehme zu Unrecht eine Dienstbarkeit in Anspruch. Der geltend gemachte Unterlassungsanspruch wird daher aus dem Eigentumsrecht der jeweiligen Kläger und einem eigenmächtigen Eingriff des Beklagten durch Anmaßung eines Gehrechts abgeleitet. Die beanspruchte Wegeservitut ist nicht im Grundbuch eingetragen. Hätten die Kläger die Liegenschaft im Vertrauen auf den Grundbuchstand gutgläubig unbelastet erworben, läge kein Anwendungsfall des § 234 ZPO vor und eine Rechtskrafterstreckung wäre ausgeschlossen.

2.5 Diesen Schutz des Vertrauens auf das Grundbuch können die Kläger jedoch nicht in Anspruch nehmen. Sie wussten bereits beim Kauf ihrer Miteigentumsanteile, dass ihr Autoabstellplatz als (einziger) Zugang zum Zubehörsobjekt des Beklagten regelmäßig benützt wurde und der Beklagte eine (offenkundige) Dienstbarkeit behauptete. Sie berufen sich im Folgeprozess zudem auf die im Kaufvertrag geregelte Verpflichtung der Verkäufer und Voreigentümer, den Rechtsstreit nach dem Verkauf der Liegenschaft fortzuführen und alle rechtlichen Möglichkeiten auszuschöpfen. Die in § 234 ZPO zum Ausdruck gebrachte Prozessstandschaft wurde damit auch vertraglich zwischen Rechtsvorgängern und Rechtsnachfolgern geregelt. Die Kläger akzeptierten die Verfolgung ihrer Interessen als neue Mit- und Wohnungseigentümer durch die Verkäufer, die in der Folge sogar das Klagebegehren auf Leistung (in Form der Unterlassungsverpflichtung) auf ihre Rechtsnachfolger änderten. Ein Rechtsschutzdefizit zu ihren Lasten liegt nicht vor.

2.6 Die von den Rechtsnachfolgern im zweiten Prozess aufgestellte Tatsachenbehauptung, es sei ihnen kein, von den Rechtsvorgängern eingeräumtes obligatorisches Nutzungsrecht im Kaufvertrag überbunden worden, schließt die Identität des Anspruchs und damit die mit § 234 ZPO zu rechtfertigende Rechtskrafterstreckung nicht aus.

2.7 Obligatorische Nutzungsrechte gehen außer im Fall des § 1120 ABGB auf den Einzelrechtsnachfolger zwar nur bei ausdrücklicher Überbindung über (RIS‑Justiz RS0011871 [T8, T10]). Offenkundige, auf einem gültigen Titel (wie einem auch konkludent geschlossenen Servitutsbestellungsvertrag: RIS-Justiz RS0114010; RS0111562) beruhende, nicht verbücherte Servituten muss der Erwerber nach der Rechtsprechung jedoch übernehmen (RIS‑Justiz RS0111211 [T3]; RS0011631). Der Oberste Gerichtshof sieht die „außerbücherliche“ Begründung einer Servitut auch bei Übereignung einer von zwei Liegenschaften desselben Eigentümers, von denen eine offenkundig der anderen dient oder weiter dienen soll, als zulässig an („Eigentümerservitut“: RIS-Justiz RS0011618; RS0011547).

2.8 Fragen der vor und nach Wohnungseigentumsbegründung bestehenden (Nutzungs‑) Verhältnisse, der Offenkundigkeit des in Anspruch genommenen Durchgangsrechts (auch für die nunmehrigen Kläger), der Zulässigkeit einer Eigentümerservitut und der Vereinbarungen zwischen den Klägern und ihren Rechtsvorgängern betreffend das umstrittene Durchgangsrecht waren bereits Gegenstand des Parteienvorbringens und der Feststellungen im Vorprozess. Der Oberste Gerichtshof hat in der Begründung seines Zurückweisungsbeschlusses im Vorprozess einen unberechtigten Eingriff in das Eigentumsrecht der Voreigentümer (ihrer Rechtsnachfolger) wegen einer konkludenten Einräumung von (Mit‑)Benützungsrechten verneint. Er hat entgegen der Meinung der Kläger nicht ausgesprochen, dass kein die Rechtsnachfolger nicht bindendes Benützungsrecht entstanden sei, und dass dieser (einen unberechtigten Eingriff auch in das Eigentumsrecht der Rechtsnachfolger ausschließende) Einwand des Beklagten nicht zu Recht bestehe.

3. Die Kostenentscheidung gründet sich auf § 51 Abs 2 ZPO. Der Beklagte hat zwar in erster Instanz und in der Rekursbeantwortung das Prozesshindernis einer rechtskräftig entschiedenen Sache erwähnt, daraus aber keine prozessuale Konsequenzen gezogen. Ein Antrag auf Zurückweisung der Klage wurde in erster Instanz nicht gestellt. Die Rechtskraft des Vorprozesses war kein Thema der Berufungsbeantwortung des Beklagten. Seine Anträge in der Rekursbeantwortung lauten auf Zurück‑ oder Abweisung des Rekurses und Bestätigung des Aufhebungsbeschlusses des Berufungsgerichts. Angesichts dieses prozessualen Verhaltens des Beklagten kann die Fortführung des Verfahrens nicht ausschließlich den Klägern als Verschulden angelastet werden, weshalb die Kosten nach § 51 Abs 2 ZPO gegenseitig aufzuheben sind.

Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)

Stichworte