OGH 5Ob150/16v

OGH5Ob150/16v23.1.2017

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Dr. Hradil als Vorsitzenden sowie die Hofrätinnen und Hofräte, Dr. Grohmann, Mag. Wurzer, Mag. Malesich und Mag. Painsi als weitere Richter in der wohnrechtlichen Außerstreitsache der Antragstellerin W* L*, vertreten durch die Kinberger‑Schuberth‑Fischer Rechtsanwälte‑GmbH in Zell am See, gegen den Antragsgegner A* L*, vertreten durch Dr. Anton Waltl, Dr. Peter Krempl, Mag. Manfred Seidl, Rechtsanwälte in Zell am See, wegen § 52 Abs 1 Z 2 iVm § 16 Abs 2 WEG, über den Revisionsrekurs des Antragsgegners gegen den Sachbeschluss des Landesgerichts Salzburg als Rekursgericht vom 28. Juni 2016, GZ 22 R 151/16a‑38, mit dem der Sachbeschluss des Bezirksgerichts Zell am See vom 20. April 2016, GZ 28 MSch 14/14d‑31, abgeändert wurde, den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2017:E117018

 

Spruch:

Der Revisionsrekurs wird zurückgewiesen.

Der Antragsgegner ist schuldig, der Antragsgegnerin die mit 418,78 EUR (darin enthalten 69,80 EUR USt) bestimmten Kosten des Revisionsrekursverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.

 

Begründung:

Die Antragstellerin ist Miteigentümerin einer Liegenschaft, auf der zwei Wohnungseigentumsobjekte errichtet sind. Mit ihren Miteigentumsanteilen ist das ausschließliche Nutzungsrecht an top 1 verbunden, deren Räumlichkeiten ursprünglich eine Bankfiliale beherbergt haben. Nach Adaptierungsarbeiten soll darin ein Chinarestaurant betrieben werden.

Sowohl die Wohnung top 1 als auch die Wohnungseigentumseinheit top 2 des Antragsgegners tragen laut Wohnungseigentumsvertrag die Widmung „Geschäft“. Im Nutzwertgutachten ist für die Räumlichkeiten der top 1 eine typisch bankenspezifische Verwendung angeführt. In den Räumlichkeiten der top 2 war zunächst ein Hotel samt Restaurant betrieben worden. Nachdem der Antragsgegner seine Miteigentumsanteile erworben hatte, vermietete er die Räumlichkeiten, die zunächst als Hotel‑ und Beherbergungsbetrieb sowie als Restaurant genutzt wurden. Derzeit dienen diese Räumlichkeiten der Unterbringung von Flüchtlingen.

Das Rekursgericht änderte den abweisenden Sachbeschluss des Erstgerichts ab, gab dem Begehren der Antragstellerin Folge und sprach aus, dass der Antragsgegner den Betrieb eines Chinarestaurants im Wohnungseigentumsobjekt der Antragstellerin sowie die zur Errichtung einer Lüftungsanlage erforderlichen Mauerdurchbrüche zu dulden habe. Den Revisionsrekurs ließ es zu, weil zur Frage, ob „der Betrieb eines behördlich bewilligten Chinarestaurants samt dem Einbau der erforderlichen Lüftungsanlage mit den damit typischerweise verbundenen Beeinträchtigungen dem Antragsgegner im Hinblick auf die Widmung als Geschäftslokal jedenfalls zumutbar ist“, keine höchstgerichtliche Rechtsprechung bestehe.

Der Revisionsrekurs des Antragsgegners ist entgegen dem den Obersten Gerichtshof nicht bindenden Ausspruch (§ 71 Abs 1 AußStrG) des Rekursgerichts nicht zulässig.

Rechtliche Beurteilung

1.1 Die Beurteilung der Genehmigungsfähigkeit einer dem § 16 Abs 2 WEG zu unterstellenden Änderung hängt stets von den konkreten Umständen des Einzelfalls ab und begründete damit – von einer Überschreitung des ihm eingeräumten Ermessens durch das Gericht zweiter Instanz abgesehen – regelmäßig keine Rechtsfrage von der Bedeutung gemäß § 62 Abs 1 AußStrG (RIS‑Justiz RS0083309 [T9; T16]; RS007104 [T4; T5]). Das gilt sowohl für den Fall der Aufnahme eines Gaststättenbetriebs, wenn bisher kein solcher Betrieb im Wohnungseigentumshaus situiert war, als auch im Fall der Errichtung eines zweiten solchen Betriebs bei Vorhandensein bereits eines gastgewerblichen Betriebs (RIS‑Justiz RS0083236 [T5]). In jedem Fall kommt es auf das vom Einzelfall abhängige Ausmaß der Beeinträchtigung schutzwürdiger Interessen der übrigen Mit‑ und Wohnungseigentümer an.

1.2 Indem das Rekursgericht in seiner Zulassungsbegründung auf die Zumutbarkeit der mit dem Betrieb eines Restaurants typischerweise verbundenen Beeinträchtigungen abstellt, spricht es ausschließlich Fragen des Einzelfalls an, die eine erhebliche Rechtsfrage nur begründen könnten, wenn es den ihm eingeräumten Wertungspielraum überschritten hätte (RIS‑Justiz RS0044088). Das ist nicht der Fall:

2.1 Allgemein gilt, dass eine – wie hier durch die Antragstellerin – angestrebte Widmungsänderung nur abgewehrt werden kann, wenn sie mit wesentlichen Interessen anderer Wohnungseigentümer kollidiert (RIS‑Justiz RS0101800; vgl auch RS0083271). Zu den mit der Aufnahme eines Gaststättenbetriebs verbundenen Beeinträchtigungen vertritt die Rechtsprechung die Ansicht, dass diese besonders stark ins Gewicht fallen, wenn bisher kein solcher Betrieb im Wohnungseigentumshaus situiert war (vgl etwa 5 Ob 114/85; 5 Ob 81/08k). Auch wurde bereits ausgesprochen, dass bei Vorhandensein bereits eines gastgewerblichen Betriebs die Errichtung eines zweiten solchen Betriebs wegen der Verdoppelung der Beeinträchtigungen nicht zumutbar sein kann (vgl RIS‑Justiz RS0083290 [T2]). Entscheidend ist aber stets das konkrete Ausmaß der Beeinträchtigung. Die (rechtliche) Annahme, ein (weiterer) gastgewerblicher Betrieb sei jedenfalls – unbeschadet tatsächlicher oder zu befürchtender Beeinträchtigungen der übrigen Wohnungseigentümer – nicht genehmigungsfähig, ist durch höchstgerichtliche Rechtsprechung nicht gedeckt (5 Ob 81/08k = RIS‑Justiz RS0083236 [T5]).

2.2 Der Antragsgegner bezieht sich auf die vom Erstgericht angenommene Spezifizierung der Widmung der Wohnungseigentumseinheit Top 1 als Bankfiliale und meint, dass bei Aufnahme eines weiteren Gastronomiebetriebs mit der Verdoppelung der Beeinträchtigung zu rechnen sei und verweist zudem auf eine „vorherrschende“ Konkurrenzsituation. Abgesehen davon, dass er gar nicht ausführt, welche Art von Beeinträchtigung er genau fürchtet, betont er selbst, dass stets auf die konkrete Benützungssituation der Gesamtliegenschaft abzustellen ist (Würth/Zingher/Kovany, Miet‑ und Wohnrecht II23 § 16 WEG Rz 22 mwN). Maßgeblich ist damit, dass beide Wohnungseigentumsobjekte als Geschäftsräumlichkeiten gewidmet sind, wobei das Haus seit Aufgabe des Bankbetriebs ausschließlich für Beherbergungs- und Gastronomiezwecke genutzt wird, sodass der Aufnahme eines (weiteren) Gastbetriebs nicht ein solches Gewicht zukommt, wie dies etwa in einem Objekt mit einer Widmung auch zu Wohnzwecken der Fall sein kann. Auch wird nach den Feststellungen im Wohnungseigentumsobjekt des Antragsgegners zwischenzeitig kein Gastbetrieb mehr geführt, sodass auch dessen Argumentation mit einer „vorherschenden“ Konkurrenzsituation ins Leere gehen muss. Eine über die behauptete Konkurrenzsituation hinausgehende Beeinträchtigung wesentlicher Interessen spricht der hierfür behauptungs‑ und beweispflichtige Antragsgegner (dazu RIS‑Justiz RS0082993) konkret auch gar nicht an.

3.1 Soweit – wie hier zur Herstellung von Mauerdurchbrüchen für die Lüftungsanlage – auch allgemeine Teile der Liegenschaft in Anspruch genommen werden, bedarf es zudem eines wichtigen Interesses des die Änderung anstrebenden Wohnungseigentümers im Sinn des § 16 Abs 2 Z 2 WEG 2002 (vgl RIS‑Justiz RS0083378). Der Antragsgegner meint, ein solches wichtiges Interesse der Änderungswerberin fehle hier schon wegen der umfangreichen Inanspruchnahme von Allgemeinflächen. Abgesehen davon, dass allein mit dieser Argumentation dem vom Rekursgericht bejahten wichtigen Interesse der Antragstellerin an der mit der Herstellung der Lüftungsanlage verbundenen Inanspruchnahme allgemeiner Teile des Hauses nicht tauglich entgegengetreten werden kann, weil das Interesse eines Wohnungseigentümers an der Durchführung einer Änderung nicht proportional zum Ausmaß der in Anspruch genommenen Allgemeinflächen abnimmt, lässt sich auch die vom Antragsgegner behauptete umfangreiche Inanspruchnahme von Allgemeinflächen mit den vom Rekursgericht beurteilten Lichtbildern nicht in Einklang bringen. Soweit er jedoch die äußere Erscheinung des Hauses beeinträchtigt sieht, verschweigt er, dass sich die drei Mauerdurchbrüche nicht an der straßenseitigen Hauptfassade befinden, sondern dem Parkplatz zugewandt sind. Es begründete daher keine Überschreitung des dem Rekursgericht eingeräumten Bewertungsspielraums, wenn es das Erscheinungsbild des Hauses als nicht beeinträchtigt ansah, sodass auch insoweit keine erhebliche Rechtsfrage vorliegt (vgl RIS‑Justiz RS0043718 [T11]. Mit seinen Ausführungen zur Möglichkeit einer Entlüftung über das Dach zielt der Revisionsrekurswerber auf eine Beeinträchtigung durch die von der Antragstellerin errichteten Lüftungsanlage ab, geht dabei jedoch nicht vom festgestellten Sachverhalt aus, demzufolge nicht festgestellt werden konnte, dass mit der Lüftungsanlage eine unzumutbare Lärm‑ und Geruchsbelästigung verbunden wäre.

3.2 Soweit der Antragsgegner seine Interessen als Eigentümer der Nachbarliegenschaft ins Treffen führt, ist darauf schon deshalb nicht näher einzugehen, weil bei der Beurteilung von dem § 16 Abs 2 WEG zu unterstellenden Änderungen ausschließlich die Interessen der übrigen Mit‑ und Wohnungseigentümer in dieser Eigenschaft relevant sind (vgl Würth/Zingher/Kovany aaO § 16 WEG Rz 22).

4. Einer weiteren Begründung bedarf dieser Beschluss nicht (§ 71 Abs 3 AußStrG).

5. Die Kostenentscheidung gründet sich auf § 37 Abs 3 Z 17 MRG iVm § 52 Abs 2 WEG 2002. Die Antragstellerin hat in der Revisionsrekursbeantwortung auf die Unzulässigkeit des Rechtsmittels hingewiesen. Es entspricht dem Grundsatz der Billigkeit, ihr die Kosten der Rechtsmittelgegenschrift zuzusprechen (vgl RIS‑Justiz RS0122774).

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