OGH 12Os116/16z

OGH12Os116/16z15.12.2016

Der Oberste Gerichtshof hat am 15. Dezember 2016 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Hon.‑Prof. Dr. Schroll als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte und die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. T. Solé, Dr. Oshidari, Dr. Michel‑Kwapinski und Dr. Brenner in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Oeljeschläger als Schriftführerin in der Strafsache gegen Octavian‑Ciprian P***** wegen des Verbrechens des Raubes nach § 142 Abs 1 StGB und einer weiteren strafbaren Handlung über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Wien als Schöffengericht vom 4. Juli 2016, GZ 111 Hv 49/16p‑50, nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters der Generalprokuratur, Oberstaatsanwalt Dr. Denk, MBA LL.M. (WU), des Angeklagten und seines Verteidigers Mag. Preclik zu Recht erkannt:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2016:0120OS00116.16Z.1215.000

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird verworfen.

Aus deren Anlass wird das angefochtene Urteil, welches im Übrigen unberührt bleibt, im

Verfallserkenntnis hinsichtlich eines Betrags von 187 Euro ersatzlos aufgehoben.

Der Berufung wird nicht Folge gegeben.

Dem Angeklagten fallen auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Gründe:

Mit dem angefochtenen, auch einen Privatbeteiligtenzuspruch enthaltenden Urteil wurde Octavian‑Ciprian P***** des Verbrechens des Raubes nach § 142 Abs 1 StGB (I./) und des Vergehens des schweren gewerbsmäßigen Diebstahls im Rahmen einer kriminellen Vereinigung nach §§ 127, 128 Abs 1 Z 5, 130 Abs 1 erster und zweiter Fall, 12 dritter Fall, 15 Abs 1 StGB (II./) schuldig erkannt.

Danach hat er in W*****

I./ am 19. März 2016 im bewussten und gewollten Zusammenwirken mit dem abgesondert verfolgten Daniel‑Emanuel Pa***** sowie einem weiteren unbekannten Mittäter dem Leopold K***** dadurch, dass ihm Daniel‑Emanuel Pa***** sein Mobiltelefon im Wert von 150 Euro ergriff und ihm dieses gegen seinen Widerstand gewaltsam entriss, um es an sich zu nehmen, mit Gewalt gegen eine Person eine fremde bewegliche Sache mit dem Vorsatz weggenommen, sich durch deren Zueignung unrechtmäßig zu bereichern;

II./ im Zeitraum 16. Jänner 2016 bis 28. April 2016 als Mitglied einer kriminellen Vereinigung unter Mitwirkung anderer Mitglieder dieser Vereinigung teilweise im bewussten und gewollten Zusammenwirken mit diesen als Mittäter, teilweise als Beitragstäter (II./A./1./d./ und II./A./4./; vgl US 6 f), in zehn im Urteil näher beschriebenen Angriffen anderen gewerbsmäßig fremde bewegliche Sachen in einem 5.000 Euro übersteigenden Wert von insgesamt 9.814,45 Euro mit dem Vorsatz weggenommen (II./A./) und wegzunehmen versucht (II./B./), sich durch deren Zueignung unrechtmäßig zu bereichern.

Rechtliche Beurteilung

Die vom Angeklagten dagegen aus § 281 Abs 1 Z 5, 9 lit a und 10 StPO erhobene Nichtigkeitsbeschwerde verfehlt ihr Ziel.

Der Einwand fehlender Begründung (Z 5 vierter Fall) der Feststellungen zur subjektiven Tatseite in Bezug auf die Tatbegehung im Rahmen einer kriminellen Vereinigung und die Begehung von Diebstählen an Sachen mit einem 5.000 Euro übersteigenden Wert (US 5, 7) lässt die dazu angestellten Urteilserwägungen (US 11 f) außer Acht (vgl auch RIS‑Justiz RS0119370).

Die Beschwerdekritik (nominell Z 5, der Sache nach Z 10) am Fehlen von Feststellungen betreffend Ort und Zeitpunkt, an dem der Angeklagte und dessen Mittäter die Begehung der jeweiligen Diebstähle im Rahmen einer kriminellen Vereinigung vereinbart haben, bezieht sich – mit Ausnahme der im Urteil festgestellten Bildung der Vereinigung vor Begehung der Diebstähle (US 4 f) – auf keine entscheidende Tatsache. Soweit der Beschwerdeführer Konstatierungen zu einem „5.000 Euro übersteigenden Wertvorsatz“ vermisst, übergeht er den festgestellten Urteilssachverhalt (US 7) und verfehlt damit

den gerade darin gelegenen Bezugspunkt materieller Nichtigkeit (RIS-Justiz RS0099810).

Dem Standpunkt der Rechtsrüge („Z 9a“, inhaltlich Z 10) zuwider blieben die Urteilsannahmen zur subjektiven Tatseite hinsichtlich der Begehung der Diebstähle im Rahmen einer kriminellen Vereinigung nicht ohne den erforderlichen Sachverhaltsbezug (US 5, 11 f) und erschöpfen sich solcherart nicht im zirkulären Gebrauch der verba legalia (vgl RIS‑Justiz RS0119090; Ratz, WK‑StPO § 281 Rz 8). Welcher weiterer Konstatierungen es aus seiner Sicht bedurft hätte, legt der Beschwerdeführer nicht dar (RIS‑Justiz RS0095939).

Die Subsumtionsrüge (Z 10) zum Schuldspruch I./ strebt – unter verfehlter Bezugnahme auf das Erkenntnis 11 Os 140/04 – die Anwendung der privilegierenden Norm des § 142 Abs 2 StGB an, ohne aus dem Gesetz abzuleiten (RIS‑Justiz RS0116565), warum bei einem festgestellten Wert der Raubbeute von 150 Euro (US 7) eine Sache geringen Werts vorliegen sollte (vgl RIS‑Justiz RS0120079). Indem die Beschwerde in diesem Zusammenhang – mit dem Verweis auf die insoweit klare Aussage des Zeugen Leopold K***** (ON 49 S 33) – den im Urteil konstatierten Wert des erbeuteten Mobiltelefons in Frage stellt, bekämpft sie nach Art einer im kollegialgerichtlichen Verfahren unzulässigen Schuldberufung die dem erkennenden Senat vorbehaltene Beweiswürdigung.

Damit kann das weitere Vorbringen zu den sonstigen – kumulativ notwendigen (RIS‑Justiz RS0094279) – Voraussetzungen des § 142 Abs 2 StGB dahingestellt bleiben.

Die Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten war daher zu verwerfen.

Auch die Berufung wegen der Höhe des Strafausspruchs erweist sich als unberechtigt.

Das Schöffengericht verhängte über Octavian‑Ciprian P***** unter Anwendung des § 28 Abs 1 StGB nach § 142 Abs 1 StGB eine Freiheitsstrafe in der Dauer von vier Jahren. Bei der Strafbemessung wertete es das Zusammentreffen eines Verbrechens mit einem Vergehen, die wiederholte Tatbegehung „im Rahmen der Gewerbsmäßigkeit“, die mehrfache Deliktsqualifikation, sechs einschlägige Vorstrafen, den raschen Rückfall sowie die Begehung strafbarer Handlungen trotz Kenntnis des Ermittlungsverfahrens als erschwerend, die objektive Schadensgutmachung in zwei Fällen und den Umstand, dass eine Tat beim Versuch geblieben ist, hingegen als mildernd.

Die Berufung des Angeklagten strebt eine Herabsetzung der Freiheitsstrafe sowie deren bedingte oder teilbedingte Nachsicht an.

Der Rüge zuwider haben die Tatrichter das teilweise Tatsachengeständnis des Angeklagten bereits eingangs der Hauptverhandlung schon deshalb zu Recht nicht als mildernd berücksichtigt, weil sich dieser im Ermittlungsverfahren vorerst durchwegs leugnend verantwortete und Tathandlungen erst nach Vorhalt der vorliegenden Videoaufnahmen zugestand (vgl ON 26 S 99 ff; ON 31 S 35 ff). Von einem auch nur teilweisen reumütigen (vgl § 34 Abs 1 Z 17 erster Fall StGB) Geständnis im Rahmen der Hauptverhandlung kann hingegen keine Rede sein.

Der Einwand, der Berufungswerber sei bloß „Schmieresteher“, jedenfalls aber nicht an der unmittelbaren Tatausführung beteiligt gewesen, übergeht die erstgerichtlichen Feststellungen, wonach er überwiegend im bewussten und gewollten Zusammenwirken mit diversen Mittätern handelte (US 2 bis 7).

Auch die Behauptung, der Wert des geraubten Mobiltelefons sei unter 150 Euro gelegen, sodass „die Qualifikation, dass es sich bei dieser Handlung um einen minderschweren Raub gehandelt habe und die Tatausführung beim Versuch geblieben sei, ebenso mildernd berücksichtigt“ hätte werden müssen, entfernt sich von den tatrichterlichen Urteilsannahmen (US 7 f).

Der Oberste Gerichtshof sah sich daher zur begehrten Herabsetzung der Freiheitsstrafe nicht bestimmt. Auch deren bedingte oder teilbedingte Nachsicht kam demnach nicht in Betracht (vgl §§ 43 Abs 1, 43a Abs 3 und Abs 4 StGB).

Aus Anlass der Nichtigkeitsbeschwerde war jedoch nicht geltend gemachte unrichtige Anwendung des Gesetzes zum Nachteil des Angeklagten von Amts wegen aufzugreifen (§ 290 Abs 1 zweiter Satz erster Fall StPO):

Nach § 20 Abs 1 StGB hat das Gericht Vermögenswerte, die für die Begehung einer mit Strafe bedrohten Handlung oder durch sie erlangt wurden, für verfallen zu erklären. Der Verfall erstreckt sich nach Abs 2 leg cit auch auf Nutzungen und Ersatzwerte der nach Abs 1 für verfallen zu erklärenden Vermögenswerte. Nach § 20 Abs 3 StGB ist für einen dem Verfall nach Abs 1 oder Abs 2 leg cit unterliegenden Vermögenswert, der weder sichergestellt noch beschlagnahmt wurde, ein Geldbetrag für verfallen zu erklären, der dem nach Abs 1 oder Abs 2 erlangten Vermögenswert entspricht.

Im vorliegenden Fall wurde jedoch – worauf die Tatrichter ohnedies hingewiesen haben (US 15) – irrig auch der Wert der zu Schuldspruch II./B./ genannten Jacken in Höhe von 187 Euro für verfallen erklärt, obwohl diese in das Geschäft zurückgebracht (US 5) und daher vom Angeklagten nicht erlangt wurden. Insoweit wurde damit die Strafbefugnis überschritten (§ 281 Abs 1 Z 11 StPO). Das Verfallserkenntnis war daher hinsichtlich eines Betrags von 187 Euro ersatzlos aufzuheben.

Der Kostenausspruch, der sich nicht auf die amtswegige Maßnahme bezieht ( Lendl , WK-StPO § 390 Rz 12), beruht auf § 390a Abs 1 StPO.

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