OGH 3Ob243/16f

OGH3Ob243/16f13.12.2016

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Dr. Hoch als Vorsitzenden sowie die Vizepräsidentin Dr. Lovrek, die Hofräte Dr. Jensik und Dr. Roch und die Hofrätin Dr. Kodek als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei J*****, vertreten durch Dr. Peter Ozlberger, Rechtsanwalt in Waidhofen an der Thaya, gegen die beklagte Partei N***** GmbH, *****, vertreten durch Dr. Peter Zöchbauer, Rechtsanwalt in Wien, wegen 43.130 EUR sA, über die außerordentliche Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht vom 6. Oktober 2016, GZ 3 R 47/16b‑40, den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2016:0030OB00243.16F.1213.000

 

Spruch:

Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

Begründung

Rechtliche Beurteilung

1. Die tatsächlichen Umstände und persönlichen Eigenschaften im Zeitpunkt der Abgabe einer Willenserklärung (des Abschlusses eines Rechtsgeschäfts) sind tatsächlicher Natur und irrevisibel. Die Schlussfolgerung, ob aufgrund dieser Umstände die Erklärungen des Revisionswerbers im vollen Gebrauch der Vernunft (§ 865 ABGB) abgegeben wurden, ist hingegen eine Rechtsfrage (RIS-Justiz

RS0014641; jüngst 7 Ob 74/16g mwN). Die Beurteilung, ob eine Person zu einem bestimmten Zeitpunkt die Tragweite bestimmter Willenserklärungen verstandesmäßig erfassen konnte oder ob ihr diese Fähigkeit durch eine die Handlungsfähigkeit und Geschäftsfähigkeit ausschließende geistige Störung fehlte, ist grundsätzlich eine Frage des Einzelfalls (RIS-Justiz RS0117658).

2. Nach den Feststellungen hatte der Kläger als pathologischer Spieler in dem der Klage zugrunde liegenden Zeitraum in unmittelbarer zeitlicher und örtlicher Nähe zum Spielbetrieb nicht die Willenskraft, sich in Beziehung auf das Glücksspiel anders zu entscheiden, sodass es ihm in diesen Situationen nicht möglich war, vernunftgeleitet zu handeln. Ausgehend davon bedarf die Rechtsansicht der Vorinstanzen, der Kläger sei in diesem Zeitraum partiell – nämlich im Hinblick auf die festgestellten Glücksspielgeschäfte mit der Beklagten – nicht geschäftsfähig gewesen, keiner Korrektur.

3. Der behauptete rechtliche Feststellungsmangel liegt nicht vor: Dass dem Kläger „in spielfreien Stunden und Tagen“ eine „rationelle Auseinandersetzung“ mit dem Problem möglich war, er also in Kenntnis seiner Spielsucht von seinem Wohnort rund 100 km zu den Automatencasinos der Beklagten anreiste, kann nichts daran ändern, dass er „in unmittelbarer zeitlicher und örtlicher Nähe zum Spielbetrieb“ – also zum allein entscheidenden Zeitpunkt des Abschlusses der Glücksspielverträge mit der Beklagten – partiell geschäftsunfähig war.

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