OGH 7Ob74/16g

OGH7Ob74/16g27.4.2016

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch die Senatspräsidentin Dr. Kalivoda als Vorsitzende und die Hofräte Dr. Höllwerth, Mag. Dr. Wurdinger, Mag. Malesich und Dr. Singer als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei E* L*, vertreten durch die Ferner Hornung & Partner Rechtsanwälte GmbH in Salzburg, gegen die beklagte Partei H* F*, vertreten durch Dr. Thomas Stoiberer, Rechtsanwalt in Hallein, wegen Anfechtung eines Vertrags (in eventu: Feststellung der Nichtigkeit eines Vertrags), über die außerordentliche Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Landesgerichts Salzburg als Berufungsgericht vom 3. März 2016, GZ 53 R 310/15t‑37, den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2016:E114404

 

Spruch:

Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

Begründung:
Rechtliche Beurteilung

1. Die behauptete Aktenwidrigkeit und Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens wurden geprüft; sie liegen nicht vor (§ 510 Abs 3 dritter Satz ZPO).

2. Die vom Kläger vermissten Feststellungen zur „andauernden Handlungsunfähigkeit“ laufen auf eine im Revisionsverfahren unzulässige Anfechtung der Beweiswürdigung der Tatsacheninstanzen hinaus (vgl RIS‑Justiz RS0043371 [T22, T24]; RS0069246 [T1]). Zum Verständnis des Vertragsinhalts durch den Kläger und den Belehrungen des Notars hinsichtlich der Konsequenzen des Schenkungsvertrags auf den Todesfall traf das Erstgericht Negativfeststellungen, sodass kein sekundärer Feststellungsmangel vorliegt (vgl RIS‑Justiz RS0053317 [T1]).

3.1. Die tatsächlichen Umstände und persönlichen Eigenschaften im Zeitpunkt der Abgabe einer Willenserklärung sind tatsächlicher Natur und irrevisibel. Die Schlussfolgerung, ob aufgrund dieser Umstände die Erklärungen des Revisionswerbers im vollen Gebrauch der Vernunft (§ 865 ABGB) abgegeben wurden, ist hingegen eine Rechtsfrage (RIS‑Justiz RS0014641; vgl RS0043597). Die Beurteilung, ob eine Person zu einem bestimmten Zeitpunkt die Tragweite bestimmter Willenserklärungen verstandesmäßig erfassen konnte oder ob ihr diese Fähigkeit durch eine die Handlungsfähigkeit und Geschäftsfähigkeit ausschließende geistige Störung fehlte, ist grundsätzlich eine Frage des Einzelfalls (RIS‑Justiz RS0117658).

3.2. Da grundsätzlich von der Handlungsfähigkeit einer natürlichen Person auszugehen ist, trifft denjenigen, der sich auf eine Geschäftsunfähigkeit beruft, die Behauptungs- und Beweislast für die Umstände, aus denen auf die Geschäftsunfähigkeit geschlossen werden kann (RIS‑Justiz RS0014645 [T5]). Der Kläger hätte daher nachweisen müssen, dass er im Zeitpunkt des Abschlusses des Schenkungsvertrags auf den Todesfall außer Stande war, die Tragweite des konkreten Vertrags zu beurteilen (RIS‑Justiz RS0014620 [T1]). Anders ist dies nur dann, wenn erwiesen ist, dass eine Person dauernd handlungsunfähig ist; dann ist es Sache der Gegenseite, zu beweisen, dass zum Zeitpunkt des Vertragsabschlusses ein lichter Moment bestand (RIS‑Justiz RS0014645).

3.3. Beim Kläger bestand ein wechselhaftes und wesentlich durch ein hirnorganisches Durchgangssyndrom (aufgrund eines Harnwegsinfekts und einer Lungenentzündung) beeinflusstes Zustandsbild. Einen Tag vor dem Vertragsabschluss wurde das von einer Krankenanstalt angeregte Sachwalterschaftsverfahren vom Sachwalterschaftsgericht mit der Begründung eingestellt, der Kläger erscheine zeitlich, örtlich und über seine psychosoziale Situation vollkommen orientiert. An diesem Tag bat er auch den Beklagten, einen Notar beizuziehen, und teilte ihm mit, er wolle nach wie vor, dass dieser sein Erbe sei. Er machte auch am selben Tag ein entsprechendes handschriftliches Testament, in dem er den Beklagten als Alleinerben einsetzte. Am Tag des Vertragsabschlusses war er zwar nicht zeitlich, aber örtlich, zu seiner Person und zur Situation orientiert und er realisierte auch, dass er einen Vertrag abschloss.

Die Beurteilung des Berufungsgerichts, hier stehe fest, dass der Kläger nicht dauernd handlungsunfähig gewesen sei, ist nicht korrekturbedürftig. Es lag daher an ihm, die die Annahme seiner Handlungsunfähigkeit zum Zeitpunkt des Abschlusses des Schenkungsvertrags auf den Todesfall rechtfertigenden Umstände zu beweisen. Dies ist ihm nicht gelungen, traf doch das Erstgericht (vom Berufungsgericht übernommene) entsprechende Negativfeststellungen. Die Beurteilung der Vorinstanzen, dass von ihm der Beweis für seine Handlungsunfähigkeit nicht erbracht wurde, ist somit nicht zu beanstanden.

4. Die außerordentliche Revision ist daher mangels erheblicher Rechtsfragen im Sinn des § 502 Abs 1 ZPO zurückzuweisen.

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