OGH 10Ob43/16w

OGH10Ob43/16w11.10.2016

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Hofrat Univ.‑Prof. Dr.

Neumayr als Vorsitzenden und durch den Hofrat Dr. Schramm, die Hofrätinnen Dr. Fichtenau und Dr. Tarmann-Prentner sowie den Hofrat Mag. Ziegelbauer als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei E***** P*****, vertreten durch Dr. Tanja Sporrer, Rechtsanwältin in Innsbruck, gegen die beklagte Partei M***** B*****, vertreten durch Mag. Anneliese Markl, Rechtsanwältin in Innsbruck, wegen 8.532,44 EUR sA (Revisionsinteresse 3.290,23 EUR sA), über die Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Landesgerichts Innsbruck als Berufungsgericht vom 5. Februar 2016, GZ 3 R 402/15m‑42, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Bezirksgerichts Hall in Tirol vom 27. Oktober 2015, GZ 5 C 452/13k‑37, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2016:0100OB00043.16W.1011.000

 

Spruch:

Die Revision wird zurückgewiesen.

Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit 418,78 EUR (darin enthalten 69,80 EUR USt) bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortung binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Begründung

Der Kläger vereinbarte mit der Beklagten (einer Immobilienmaklerin) – neben anderen Arbeiten – auch die Erneuerung der elektrischen Anlage im Zuge einer Generalsanierung einer von der Beklagten vermittelten Wohnung. Die Beklagte klagte seinerzeit in einem Vorprozess die Wohnungskäufer auf Zahlung des restlichen Werklohns. In diesem (Vor‑)Verfahren stellte sich heraus, dass der Kläger nur 70 % der Elektroleitungen erneuert hatte; die Klage der nunmehrigen Beklagten wurde abgewiesen. Mit der vorliegenden Klage macht der Kläger nun seinerseits seinen restlichen Werklohn geltend. Die Beklagte hält der Klageforderung aus dem Titel des Schadenersatzes erhobene Prozesskostenforderungen aus dem Vorverfahren entgegen.

Das Erstgericht sprach aus, dass die Klageforderung mit 7.260,44 EUR und die eingewendete Gegenforderung bis zur Höhe der Klageforderung zu Recht bestehe und daher das Klagebegehren, die beklagte Partei sei schuldig, der klagenden Partei 8.532,44 EUR sA zu bezahlen, abgewiesen werde.

Das Berufungsgericht verwarf die wegen Nichtigkeit erhobene Berufung des Klägers. Im Übrigen gab es der Berufung des Klägers teilweise Folge und änderte das Ersturteil dahin ab, dass es die Klageforderung mit 7.260,44 EUR und die Gegenforderung mit (nur) 3.970,21 EUR als zu Recht bestehend erkannte und die Beklagte zur Zahlung von 3.290,23 EUR an den Kläger verpflichtete. Das Mehrbegehren von 5.242,21 EUR wurde abgewiesen.

Gegen diese Entscheidung richtet sich die Revision der Beklagten insofern, als die Gegenforderung nur hinsichtlich eines Betrags von 3.970,21 EUR als zu Recht und hinsichtlich eines Betrags von 3.290,23 EUR als nicht zu Recht bestehend erkannt wurde.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist entgegen dem – den Obersten Gerichtshof nicht bindenden (§ 508a Abs 1 ZPO) – Ausspruch des Berufungsgerichts nicht zulässig, weil darin nicht aufgezeigt wird, dass die Entscheidung von einer im Sinn des § 502 Abs 1 ZPO erheblichen Rechtsfrage abhängt. Die Zurückweisung der Revision wegen Fehlens einer erheblichen Rechtsfrage kann sich auf die Ausführung der Zurückweisungsgründe beschränken (§ 510 Abs 3 letzter Satz ZPO).

1. Eingangs ist festzuhalten, dass eine aufrechnungsweise geltend gemachte Gegenforderung – unabhängig von ihrer Höhe – für die Frage der Zulässigkeit der Revision unerheblich ist, es sei denn, die Gegenforderung wurde im Wege einer Widerklage oder eines Zwischenantrags auf Feststellung geltend gemacht (RIS-Justiz RS0042639 [T3]; Kodek in Rechberger, ZPO4 § 502 ZPO Rz 4). Da im Berufungsverfahren vom Kläger der Zuspruch von 7.260,44 EUR sA angestrebt und die Feststellung begehrt wurde, dass die Gegenforderung nicht zu Recht bestehe, übersteigt der Streitgegenstand, über den das Berufungsgericht entschieden hat, jedenfalls 5.000 EUR (§ 502 Abs 2 ZPO), sodass die Revision nicht absolut unzulässig ist.

2. Es besteht nunmehr Einigkeit darüber, dass der Geschäftsherr dann, wenn er seinem Auftraggeber für die Schlechterfüllung durch seinen Erfüllungsgehilfen einzustehen hat, vom Erfüllungsgehilfen regelmäßig auch die von ihm aufgewendeten Prozesskosten nach den Grundsätzen des Schadenersatzrechts ersetzt begehren kann (RIS-Justiz RS0115546, RS0045850 [T3]). In seiner neueren Rechtsprechung vertritt der Oberste Gerichtshof zur Kausalitätsfrage die Auffassung, die Prozesskosten stellten eine kausale Folge der Schlechterfüllung dar. Sie seien auch adäquate Schäden, wenn sie nicht bloß durch eine außergewöhnliche Verkettung von Umständen bedingt waren (2 Ob 168/01x, SZ 74/119; 6 Ob 100/07k; 5 Ob 125/15s). Nach der in 2 Ob 168/01x vertretenen und jüngst in 7 Ob 114/15p mit eingehender Begründung bestätigten Rechtsansicht sei der in den Kosten eines Passivprozesses bestehende Schaden in den Schutzzweck jener Vertragsnormen einzubeziehen, die den Vertragspartner – insbesondere wenn er davon weiß, dass die Leistung schließlich einem Dritten zugutekommen soll – dazu verpflichten, seine vertraglich geschuldete Leistung ordnungsgemäß zu erbringen. Jene Entscheidungen, die für eine Kostenregresspflicht zusätzlich zur Schlechterfüllung des Vertrags noch eine weitere Voraussetzung wie etwa die Verletzung einer Informationspflicht verlangen, betreffen – wie im konkreten Fall – jeweils einen Aktivprozess als Vorprozess (RIS-Justiz RS0045850 [T22]). Auf die Frage, ob der als Gegenforderung eingewendete Schadenersatzanspruch die Verletzung weiterer Vertragspflichten erfordert, ist jedoch aus folgenden Erwägungen nicht näher einzugehen.

3. Die Beklagte geht in ihrer Revision ohne Auseinandersetzung mit diesen vom Berufungsgericht in seiner Zulassungsbegründung angesprochenen Rechtsprechungslinien davon aus, den Kläger treffe eine vertragliche Aufklärungspflicht, deren Verletzung ihn auch für den (allein noch Gegenstand des Revisionsverfahrens bildenden) Prozessaufwand im Vorverfahren ab Klageeinbringung bis zur Tagsatzung vom 18. 10. 2012 haftbar mache.

Mit diesem Vorbringen wird aber keine Rechtsfrage von erheblicher Bedeutung aufgezeigt. Selbst wenn man von einer sofortigen Informations- bzw Aufklärungsverpflichtung des Klägers über die nicht vertragsgemäße Erbringung seiner Leistungen an der Elektroanlage ausgehen und ihm eine schuldhafte Verletzung dieser Verpflichtung unterstellen wollte, müsste diese Pflichtverletzung für das Vorverfahren bzw die bis zum 18. 10. 2012 aufgelaufenen Prozesskosten kausal sein. Das Berufungsgericht gelangte diesbezüglich zum Ergebnis, dass lediglich die Kosten des Vorprozesses ab der Tagsatzung am 18. 10. 2012 in einem kausalen Zusammenhang zur Fehlleistung des Klägers stehen. Die Verneinung der natürlichen Kausalität ist aber als Tatsachenfeststellung einer Überprüfung durch den Obersten Gerichtshof entzogen (RIS‑Justiz RS0022582). Im Übrigen wird in der Revision auch nicht behauptet, dass die (hier) Beklagte von der Klagsführung im Vorverfahren bei Kenntnis davon, dass der Kläger die Arbeiten an der elektrischen Anlage nicht vertragsgerecht erbracht habe, abgesehen hätte.

4. Das in der Zulassungsbegründung weiters angesprochene kostenersatzrechtliche Erfolgsprinzip (§§ 41, 43 ZPO) betrifft ausschließlich das Verhältnis zwischen den Parteien eines Zivilprozesses (Kläger und Beklagten bzw den auf der obsiegenden Seite beigetretenen Nebenintervenienten). Davon ist aber die – hier entscheidungswesentliche – Frage zu trennen, ob der Beklagten auf schadenersatzrechtlicher Grundlage Anspruch auf Ersatz der Kosten des (gegen einen Dritten) geführten verlorenen Vorprozesses infolge Schlechterfüllung ihres Erfüllungsgehilfen zukommt.

Mangels einer Rechtsfrage von erheblicher Bedeutung im Sinne des § 502 Abs 1 ZPO war die Revision daher zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 41, 50 ZPO. Der Kläger hat in seiner Revisionsbeantwortung auf die Unzulässigkeit der Revision hingewiesen (RIS-Justiz RS0102059).

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