OGH 3Ob127/16x

OGH3Ob127/16x22.9.2016

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Dr. Hoch als Vorsitzenden sowie die Vizepräsidentin Dr. Lovrek, die Hofräte Dr. Jensik und Dr. Roch und die Hofrätin Dr. Kodek als weitere Richter in der Pflegschaftssache der am ***** 2004 geborenen minderjährigen P***** und der am ***** 2008 geborenen minderjährigen J*****, über den außerordentlichen Revisionsrekurs der Mutter E*****, vertreten durch GKP Gabel Kogler Leitner Stöglehner Bodingbauer Rechtsanwälte OG in Linz, gegen den Beschluss des Landesgerichts Linz als Rekursgericht vom 22. März 2016, GZ 15 R 83/16f‑274, womit die Beschlüsse des Bezirksgerichts Linz vom 16. November 2015, und 12. Jänner 2016, GZ 2 Ps 308/09h‑255 und ‑263, bestätigt wurden, den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2016:0030OB00127.16X.0922.000

 

Spruch:

1. Der Revisionsrekurs wird, soweit er sich gegen die Bestätigung der Abweisung des Antrags der Mutter auf Ablehnung der Sachverständigen richtet, als unzulässig zurückgewiesen.

2. Im Übrigen wird der außerordentliche Revisionsrekurs mangels der Voraussetzungen des § 62 Abs 1 AußStrG zurückgewiesen.

Begründung:

Rechtliche Beurteilung

1. Gegen bestätigende Entscheidungen der zweiten Instanz ist in Ablehnungssachen auch dann ein weiterer Rechtszug ausgeschlossen, wenn die

Ablehnung einen im Außerstreitverfahren beigezogenen

Sachverständigen betrifft und – wie hier – eine inhaltliche Prüfung der Ablehnungsgründe erfolgte (RIS‑Justiz RS0007183 [T6, T7]).

Soweit sich der Revisionsrekurs daher gegen die inhaltliche Bestätigung des nicht abgesondert anfechtbaren erstgerichtlichen Beschlusses (RIS‑Justiz RS0040730 [T10]) wendet, womit dem Ablehnungsantrag nicht stattgegeben wurde, ist er als absolut unzulässig zurückzuweisen.

2. Im Übrigen zeigt der außerordentliche Revisionsrekurs keine erhebliche Rechtsfrage iSd § 62 Abs 1 AußStrG auf:

2.1 Nach ständiger Rechtsprechung bildet ein vom Rekursgericht verneinter Mangel des außerstreitigen Verfahrens erster Instanz keinen Revisionsrekursgrund (RIS‑Justiz RS0050037). Davon ist nur eine Ausnahme zu machen, wenn eine Durchbrechung dieses Grundsatzes aus Gründen des Kindeswohls erforderlich ist (RIS‑Justiz RS0050037 [T4]; RS0030748 [T2, T5]). Derartige Gründe ergeben sich weder aus dem außerordentlichen Revisionsrekurs noch aus dem Akteninhalt.

2.2 Eines Ausspruchs iSd § 180 Abs 2 letzter Satz ABGB dahin, in wessen Haushalt das Kind hauptsächlich betreut wird, bedarf es nicht, weil dieser Ausspruch voraussetzt, dass beide Eltern mit der Obsorge betraut sind. Im vorliegenden Fall steht jedoch die Alleinobsorge derzeit der Mutter zu.

2.3 Die Entscheidung, ob und inwieweit einem Elternteil ein Kontaktrecht eingeräumt wird, ist eine solche des Einzelfalls, der keine erhebliche Bedeutung im Sinn des § 62 Abs 1 AußStrG zukommt, wenn sie nicht leitende Grundsätze der Rechtsprechung verletzt (RIS‑Justiz RS0097114). Ausschlaggebend ist die Orientierung am Kindeswohl (RIS‑Justiz RS0087024). Im Konfliktfall hat das Interesse eines Elternteils gegenüber dem Wohl des Kindes zurückzutreten (RIS‑Justiz RS0048068 [T3]).

2.4 Die hier vorliegenden ganz besonderen Umstände des Falls rechtfertigen die von den Vorinstanzen festgesetzte und von der gerichtlich bestellten Sachverständigen befürwortete Kontaktrechtsregelung. Dabei ist insbesondere zu berücksichtigen, dass sich – abgesehen von Konflikten, die vorwiegend die Beziehungsebene der Eltern betreffen – die Gestaltung des Kontaktrechts in der Vergangenheit bewährt hat. Ein Kontaktrecht in dem nun festgelegten Umfang wird bereits seit Jahren praktiziert und beruhte ursprünglich auf einer einvernehmlichen Regelung der Eltern. Berücksichtigt man überdies, dass der Lebensgefährte der Mutter an einer schweren Erkrankung leidet und daher nur eingeschränkt belastbar ist, entspricht die Zuerkennung eines weit über das übliche Ausmaß hinausgehenden Kontaktrechts an den Vater der konkreten Lebenssituation der Betroffenen und dem – allein maßgeblichen – Wohl der Kinder. Gerade in solchen Fällen langjährig gewachsener Strukturen könnte im Gegenteil eine Kindeswohlgefährdung eintreten, würden ohne zureichende Gründe die bisher bestehenden häufigeren und längeren Kontakte eines Elternteils verringert werden (vgl Kathrein, Kindschafts‑ und Namensrechts‑Änderungsgesetz 2013, ÖJZ 2013/23, 197 [208]).

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