OGH 10ObS95/16t

OGH10ObS95/16t13.9.2016

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits‑ und Sozialrechtssachen durch den Hofrat Univ.‑Prof. Dr. Neumayr als Vorsitzenden, den Hofrat Dr. Schramm und die Hofrätin Dr. Fichtenau sowie die fachkundigen Laienrichter ADir. Sabine Duminger (aus dem Kreis der Arbeitgeber) und Mag. Thomas Kallab (aus dem Kreis der Arbeitnehmer) als weitere Richter in der Sozialrechtssache der klagenden Partei R*****, vertreten durch Dr. Leopold Boyer, Rechtsanwalt in Zistersdorf, gegen die beklagte Partei Pensionsversicherungsanstalt, 1021 Wien, Friedrich‑Hillegeist‑Straße 1, wegen Witwenpension, über die außerordentliche Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht in Arbeits‑ und Sozialrechtssachen vom 25. Mai 2016, GZ 8 Rs 29/16t‑19, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2016:010OBS00095.16T.0913.000

 

Spruch:

Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

 

Begründung:

Der frühere Ehemann der Klägerin verstarb am 18. 11. 2011. Ihre Ehe war am 29. 3. 2000 geschieden worden. Im gerichtlichen Vergleich vom 19. 12. 2003 verpflichtete sich der frühere Ehemann der Klägerin, ihr einen monatlichen Unterhalt von 620 EUR ab dem 1. 1. 2004 zu zahlen, wobei vereinbart wurde, dass dieser Betrag alljährlich an die geänderten Einkommensverhältnisse anzupassen ist. Der frühere Ehemann der Klägerin zahlte ihr aufgrund dieses Vergleichs im Monat seines Todes einen Unterhalt von 530,43 EUR.

Die beklagte Partei setzte die der Klägerin ab 19. 11. 2011 gebührende Witwenpension mit 530,47 EUR fest.

Die Klägerin erwirkte in einem zunächst gegen die Verlassenschaft nach ihrem früheren Ehemann und später gegen dessen eingeantwortete Erbin geführten Prozess in Ergänzung zum Vergleich vom 19. 12. 2003 eine Erhöhung des ihr vom 1. 1. 2009 bis 30. 11. 2011 zustehenden Unterhalts.

Mit dem angefochtenen Urteil erkannte das Berufungsgericht die beklagte Partei infolge Berufung der Klägerin schuldig, dieser ab 19. 11. 2011 eine Witwenpension von 620 EUR monatlich zu zahlen. Das Mehrbegehren von 432,03 EUR monatlich wies es ab.

Rechtliche Beurteilung

Die außerordentliche Revision zeigt keine Rechtsfrage im Sinn des § 502 Abs 1 ZPO auf.

Gemäß § 264 Abs 8 ASVG darf die Witwenpension nach § 258 Abs 4 lit a bis c ASVG den gegen den Versicherten zur Zeit seines Todes bestehenden und mit dem im Zeitpunkt des Pensionsanfalls für das Jahr des Todes geltenden Aufwertungsfaktor aufgewerteten Anspruch auf Unterhalt (Unterhaltsbeitrag), vermindert um eine der Anspruchsberechtigten nach dem Versicherten gemäß § 215 Abs 3 ASVG gebührenden Witwenrente, nicht übersteigen. Eine vertraglich oder durch gerichtlichen Vergleich übernommene Erhöhung des Unterhalts (Unterhaltsbeitrags) bleibt außer Betracht, wenn seit dem Abschluss des Vertrags (Vergleichs) bis zum Tod nicht mindestens ein Jahr vergangen ist. Gemäß § 258 Abs 4 lit a bis c ASVG setzt der Anspruch einer geschiedenen Ehegattin auf Witwenpension voraus, dass ihr der Versicherte zur Zeit seines Todes Unterhalt (einen Unterhaltsbeitrag) aufgrund eines gerichtlichen Urteils, eines gerichtlichen Vergleichs oder einer vor Auflösung der Ehe eingegangenen vertraglichen Verpflichtung zu leisten hatte.

Nach ständiger Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs, die das Berufungsgericht seiner Entscheidung zugrunde legte, muss aus dem Unterhaltstitel die Unterhaltshöhe bestimmt oder leicht bestimmbar hervorgehen (RIS‑Justiz RS0085196). So wurde vor der EO‑Novelle 1991 ein Bruchteilstitel als tauglich qualifiziert (10 ObS 228/89, SSV‑NF 3/113). Ferner hat der Oberste Gerichtshof ausgesprochen, dass eine sich aus einer vereinbarten Wertsicherung ergebende Erhöhung des Unterhaltsanspruchs bei der Entscheidung über die Witwenpension der geschiedenen Gattin unabhängig davon zu berücksichtigen ist, ob im Zeitpunkt des Todes der Unterhalt in der wertgesicherten Höhe gezahlt wurde (10 ObS 276/89 = SSV‑NF 3/121). Damit ist der vorliegende Fall nicht zu vergleichen:

Die Klägerin vereinbarte im Unterhaltsvergleich mit ihrem geschiedenen Ehemann, dass sie bis 1. 3. eines jeden Jahres ihre Einkommensnachweise des Vorjahres in Form von Jahreslohnzetteln an die Gegenseite zuzustellen, per 1. 4. eines jeden Jahres die Abrechnung der Unterhaltsverpflichtungen auf Basis der Lohnzettel der Vorjahre vorgenommen und gegenseitig zugestellt wird, per 1. 5. eines jeden Jahres die Rückverrechnung der Unterhaltszahlung auf Basis der Lohnzettel der Vorjahre durchgeführt wird und per 1. 6. eines jeden Jahres sich die Unterhaltsverpflichtung auf Basis der Lohnzettel der Vorjahre ändert.

Dem Vergleich ist somit nicht zu entnehmen, wie eine Erhöhung oder Minderung des bestimmt vereinbarten Unterhaltsbetrags „auf Basis der Lohnzettel der Vorjahre“ berechnet wird. Er genügt insoweit nicht dem Kriterium der leichten Bestimmbarkeit der Unterhaltshöhe (vgl 10 ObS 154/09h mwN).

Nach ständiger Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs muss im Zeitpunkt des Todes des Versicherten der Unterhaltstitel vorhanden, wenn auch diesem Zeitpunkt noch nicht in Rechtskraft erwachsen sein (RIS‑Justiz RS0119628). Das Berufungsgericht hat daher zutreffend das erst nach dem Tod des Versicherten ergangene Urteil über die Erhöhung des aus dem gerichtlichen Vergleich geschuldeten Unterhaltsbetrags nicht berücksichtigt.

Die Entscheidung des Obersten Gerichtshofs 10 ObS 57/10w (SSV‑NF 24/31), auf die das Berufungsgericht verwiesen hat, betrifft die Frage, ob Abfertigungen für den Zweck der Ermittlung der Berechnungsgrundlagen nach § 264 Abs 3 und 4 ASVG als Einkommen im Sinn dieser Bestimmungen (§ 264 Abs 5 ASVG) gilt. Diese Frage wurde verneint. Die Ermittlung der Berechnungsgrundlagen der Witwe und des verstorbenen Versicherten nach § 264 Abs 3 und 4 ASVG hat nichts mit der Frage zu tun, ob und wie Abfertigungen in die Bemessungsgrundlage eines Unterhaltsanspruchs eines (geschiedenen) Ehegatten einzubeziehen sind. Die Berechnungsgrundlagen dienen nur der Ermittlung des Hundertsatzes der Pension des Versicherten, aus dem sich das Ausmaß der Witwenpension ergibt (§ 264 Abs 1 und 2 ASVG). Die Ausführungen des Berufungsgerichts sind für die Entscheidung nicht erheblich, hat doch die beklagte Partei nach ihrem Vorbringen den höchstmöglichen Prozentsatz von 60 (und die Pension, auf die der Versicherte im Zeitpunkt des Todes Anspruch gehabt hätte, mit 2.293,73 EUR) errechnet. Die Höhe der Witwenpension der Klägerin ist aber nach § 264 Abs 8 ASVG begrenzt.

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