OGH 8Ob102/15f

OGH8Ob102/15f17.8.2016

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Vizepräsidenten Prof. Dr. Spenling als Vorsitzenden, die Hofrätin Dr. Tarmann-Prentner, den Hofrat Dr. Brenn sowie die Hofrätinnen Mag. Korn und Dr. Weixelbraun‑Mohr als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei M***** T*****, vertreten durch Dr. Christian Kurz, Rechtsanwalt in Innsbruck, gegen die beklagte Partei O***** GmbH, *****, vertreten durch Dr. Stephan Opperer, Rechtsanwalt in Telfs, und den Nebenintervenienten auf Seiten der beklagten Partei Dr. A***** M*****, vertreten durch Dr. Stefan Gloyer, Rechtsanwalt in Innsbruck, wegen 136.200 EUR sA, über die außerordentlichen Revisionen der beklagten Partei und des Nebenintervenienten gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Innsbruck als Berufungsgericht vom 21. Juli 2015, GZ 2 R 66/15w‑53, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2016:0080OB00102.15F.0817.000

 

Spruch:

Die außerordentlichen Revisionen werden gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen (§ 510 Abs 3 ZPO).

Begründung

Rechtliche Beurteilung

1. Revision der beklagten Partei

1.1. Das Berufungsgericht hat die in der Revision behauptete Mangelhaftigkeit des erstinstanzlichen Verfahrens (wegen Unterbleibens einer Zeugenvernehmung) bereits geprüft und verneint. Diese Mängelrüge kann daher in dritter Instanz nicht mehr neuerlich erhoben werden (RIS‑Justiz RS0042963 ua; Zechner in Fasching/Konecny² IV/1 § 503 ZPO Rz 121).

1.2. Der Oberste Gerichtshof ist keine Tatsacheninstanz (RIS‑Justiz RS0069246 ua); die dem Berufungsurteil zugrundeliegenden Tatsachenfeststellungen sowie die Beweiswürdigung der Vorinstanzen können im Revisionsverfahren nicht mehr bekämpft werden.

1.3. Ob ein Rechtsanwalt bei Befolgung eines Auftrags seines Mandanten die für einen Angehörigen seines Berufsstands gebotene Sorgfalt eingehalten hat, kann immer nur aufgrund der Umstände des Einzelfalls geprüft werden und stellt daher regelmäßig keine erhebliche Rechtsfrage im Sinne des § 502 Abs 1 ZPO dar (RIS‑Justiz RS0026584; RS0026458).

Die beklagte Partei war damit beauftragt, für die Einstellung eines gegen den Kläger geführten Zwangsversteigerungsverfahrens zu sorgen, nachdem er die in Exekution gezogene Forderung bezahlt hatte. Wenn die Vorinstanzen davon ausgegangen sind, dass es zur Erfüllung dieses Auftrags der Beklagten geboten gewesen wäre, das rechtzeitige Einlangen des angekündigten Einstellungsantrags des Betreibendenvertreters bei Gericht zu überwachen (zumal menschliche Versehen im Kanzlei‑ oder Gerichtsbetrieb und technische Übermittlungsstörungen immer im Bereich des Möglichen liegen), kann darin keine im Sinne des § 502 Abs 1 ZPO korrekturbedürftige Fehlbeurteilung gesehen werden.

1.4. Welche konkrete Nachforschungspflicht der das Versteigerungsverfahren leitende Exekutionsrichter verletzt haben sollte, insbesondere wie er durch Namensabfrage im Register Kenntnis von einem (zum Versteigerungsverfahren) gar nicht eingebrachten Einstellungsantrag erlangen hätte können, vermag die Revision nicht darzulegen. Ihr Einwand lässt zudem die Regelung des § 1302 letzter Satz ABGB unbeachtet.

1.5. Der Schädiger hat den Geschädigten grundsätzlich so zu stellen, wie er ohne schuldhaftes Verhalten gestellt worden wäre. Der Schaden ist durch eine Differenzrechnung zu ermitteln. Das zu leistende Interesse liegt in der Differenz zwischen der Vermögenslage des Geschädigten, wie sie sich im Beurteilungszeitpunkt ohne schädigendes Ereignis darstellen würde, und dem nach dem schädigenden Ereignis nun tatsächlich vorhandenen Vermögensstand (RIS‑Justiz RS0030153).

Ein ersatzfähiger positiver Verdienstentgangsschaden (und nicht nur entgangener Gewinn) ist bereits dann eingetreten, wenn eine rechtlich gesicherte Position besteht, den Gewinn zu erzielen (RIS‑Justiz RS0111898), oder wenn die Realisierung des Gewinns nach den typischen Marktverhältnissen praktisch gewiss war und insofern schon als „sicher“ angesehen worden wäre (RIS‑Justiz RS0111898 [T1, T2]; RS0081773 [T2]; RS0030082 [T5]; RS0030452 [T9]; RS0032927 [T19]).

Der Kläger hätte nach dem für den Obersten Gerichtshof bindenden Sachverhalt durch Abtrennung eines gesonderten Baugrundstücks in absehbarer Zeit einen Erlös von 89.800 EUR erzielen können. Der Kläger und sein von ihm beauftragter Immobilienmakler hatten sich bis nach der Versteigerung um die Umsetzung des Verkaufs bemüht. Der Abschluss mit einem konkreten Interessenten für den Erwerb des abzuteilenden Baugrundstücks zum Kaufpreis von 90.000 EUR war nur an Uneinigkeit über die Zahlungsmodalitäten gescheitert. Wenn das Berufungsgericht unter diesen Umständen zu dem Ergebnis kam, dass der Kläger den Entgang einer gesicherten Verdienstmöglichkeit nachweisen konnte, ist dies nicht unvertretbar.

2. Revision des Nebenintervenienten

2.1. Der Revisionsgrund eines Mangels des Berufungsverfahrens (§ 503 Z 2 ZPO) ist nur dann verwirklicht, wenn sich das Berufungsgericht mit der Beweisrüge nicht oder nur so mangelhaft befasst hat, dass keine nachvollziehbaren Überlegungenen über die Beweiswürdigung angestellt sind (RIS‑Justiz RS0043027 [T3]). Dies ist hier nicht der Fall. Ob die vom Berufungsgericht angestellten Überlegungen überzeugend sind, kann im Revisionsverfahren nicht mehr überprüft werden.

2.2. Ein vom Berufungsgericht bereits verneinter Verstoß gegen § 405 ZPO betrifft einen Mangel des erstinstanzlichen Verfahrens und ist nicht revisibel (RIS‑Justiz RS0042963 ua).

2.3. Ob einem Geschädigten, der im Vertrauen auf den Schädiger mögliche Vorsichtsmaßnahmen unterlassen hat, deswegen eine dessen Haftung mindernde Sorglosigkeit in eigenen Angelegenheiten im Sinne des § 1304 ABGB vorzuwerfen ist, hängt von den konkreten Umständen des Einzelfalls ab (RIS‑Justiz RS0087606 [T10; T11; T15]; RS0029874; RS0022681 [T4]).

Zur Überprüfung von Einzelfallentscheidungen stünde die Revision nach § 502 Abs 1 ZPO nur offen, wenn– was hier nicht zutrifft – dem Berufungsgericht eine krasse Fehlbeurteilung unterlaufen wäre.

Wer einen Rechtsanwalt betraut, darf davon ausgehen, dass dieser im besonderen Maß geeignet ist, ihn vor Nachteilen zu schützen und dass er alle nach der Rechtsordnung erforderlichen Schritte unternehmen wird, um die Verwirklichung des ihm bekannten Geschäftszwecks sicherzustellen (RIS-Justiz RS0038724).

Wenn die Revision demgegenüber meint, dem Kläger wäre ein Mitverschulden vorzuwerfen, weil er so leichtsinnig gewesen sei, der Auskunft eines Anwalts zu vertrauen, ist dies angesichts der Profession des Nebenintervenienten zwar bemerkenswert, aber unbegründet.

Hinsichtlich der übrigen Revisionsgründe kann auf die Erledigung des Rechtsmittels der Beklagten verwiesen werden.

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