OGH 9ObA61/16k

OGH9ObA61/16k24.6.2016

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits‑ und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Hopf als Vorsitzenden, die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Hon.‑Prof. Dr. Dehn und den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. Hargassner sowie die fachkundigen Laienrichter Dr. Christoph Kainz und Dr. Gerda Höhrhan‑Weiguni als weitere Richter in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei C***** A*****, vertreten durch Gabler Gibel & Ortner Rechtsanwälte GmbH & Co KG in Wien, gegen die beklagte Partei „R*****“ *****gesellschaft mbH, *****, vertreten durch Herbst Kinsky Rechtsanwälte GmbH in Wien, wegen Feststellung des aufrechten Dienstverhältnisses, über die außerordentliche Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 29. März 2016, GZ 10 Ra 94/15i‑73, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2016:009OBA00061.16K.0624.000

 

Spruch:

Die außerordentliche Revision der beklagten Partei wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

Begründung

Rechtliche Beurteilung

Gemäß § 502 Abs 1 ZPO ist die Revision nur dann zulässig, wenn die Entscheidung von der Lösung einer Rechtsfrage des materiellen Rechts oder des Verfahrensrechts abhängt, der zur Wahrung der Rechtseinheit, Rechtssicherheit oder Rechtsentwicklung erhebliche Bedeutung zukommt, etwa weil das Berufungsgericht von der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs abweicht oder eine solche Rechtsprechung fehlt oder uneinheitlich ist. Dies ist hier nicht der Fall.

Die Beurteilung der Vorinstanzen, der vom damaligen Geschäftsführer der Beklagten schriftlich abgegebene Kündigungsverzicht für das Dienstverhältnis der Streitteile sei rechtswirksam zustande gekommen, ist aus zweierlei Hinsicht nicht zu beanstanden: Zum einen ist der Beklagten der Beweis, ihr damaliger Geschäftsführer sei zum Zeitpunkt der Abgabe des Kündigungsverzichts am 19. 10. 2012 im Innenverhältnis als Geschäftsführer bereits abberufen gewesen, weshalb der Firmenbuchstand – die entsprechende Eintragung über den Geschäftsführerwechsel erfolgte erst am 8. 2. 2013 – die gesellschaftsrechtliche Situation der Beklagten zum Zeitpunkt 19. 10. 2012 unrichtig widergespiegelt habe, nicht gelungen. Diese selbständig tragfähige Hilfsbegründung wird in der außerordentlichen Revision der Beklagten auch nicht bekämpft (vgl RIS‑Justiz RS0118709).

Zum anderen vertraten die Vorinstanzen – für den Fall, dass der damalige Geschäftsführer der Beklagten mit der Zustimmung zum Kündigungsverzicht seine interne Befugnis überschritten haben sollte – übereinstimmend die Rechtsansicht, dass die Klägerin auf den Firmenbuchstand der Beklagten und damit auf die Vertretungsmacht des damaligen Geschäftsführers zum Zeitpunkt 19. 10. 2012 vertrauen habe dürfen, weil weder ein bewusstes Zusammenwirken der Klägerin mit dem damaligen Geschäftsführer der Beklagten noch überhaupt ein vom Wissen der Klägerin getragenes pflichtwidriges Handeln des Geschäftsführers zum Nachteil der Beklagten festgestellt habe werden können. Die Beklagte vermag in ihrer Revision weder eine krasse Fehlbeurteilung des Berufungsgerichts noch ein Abweichen von der ständigen Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs, insbesondere von der Entscheidung 9 ObA 68/14m, darzulegen.

Richtig ist, dass vom Grundsatz, wonach aus Gründen des Verkehrsschutzes die Gültigkeit des vom Vertreter, hier dem damaligen Geschäftsführer der Beklagten, mit einem Dritten, hier der Klägerin, abgeschlossenen Geschäfts, hier der Zusatzvereinbarung (Kündigungsverzicht), grundsätzlich nicht berührt wird, dann eine Ausnahme gemacht wird, wenn der Dritte nicht schutzwürdig ist (RIS‑Justiz RS0019576; RS0016733). Dies wird dann angenommen, wenn der Vertreter und der Dritte kollusiv, also absichtlich zusammengewirkt haben, um den Vertretenen zu schädigen; dem ist gleichzuhalten, dass der Vertreter mit Wissen des Dritten bewusst zum Nachteil des Vertretenen handelte oder sich der Missbrauch dem Dritten geradezu aufdrängen musste (9 ObA 68/14m = DRdA 2015/42 [ Kühteubl ] = ZAS 2016/6 [ Ludvik ]; RIS‑Justiz RS0061587 [T1, T4]; RS0061579 [T1, T2]). Soweit die Beklagte ihren Revisionsausführungen zugrunde legt, dass der Klägerin spätestens bei der Abschiedsfeier des Geschäftsführers am 29. 2. 2012 bewusst war, dass dieser nicht mehr berechtigt war, einen Kündigungsverzicht für die Beklagte abzugeben, weicht sie in unzulässiger Weise von den im Revisionsverfahren bindenden Feststellungen des Erstgerichts ab. Ein mit der Entscheidung 9 ObA 68/14m vergleichbarer Sachverhalt liegt daher gerade nicht vor. Auch Anhaltspunkte dafür, dass sich der Klägerin ein Missbrauch der Vertretungsmacht des damaligen Geschäftsführers der Beklagten geradezu aufdrängen musste (darauf hat sich die Beklagte im erstinstanzlichen Verfahren im Übrigen gar nicht gestützt), bietet der festgestellte Sachverhalt nicht.

Mangels einer Rechtsfrage von der Qualität des § 502 Abs 1 ZPO ist die außerordentliche Revision der Beklagten zurückzuweisen.

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