European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2016:0040OB00127.16D.0615.000
Spruch:
Dem Revisionsrekurs wird Folge gegeben.
Der angefochtene Zurückweisungsbeschluss wird aufgehoben und dem Rekursgericht die neuerliche Entscheidung über den Rekurs der beklagten Partei unter Abstandnahme vom gebrauchten Zurückweisungsgrund aufgetragen.
Das Revisionsverfahren wird bis zur Entscheidung des Verfassungsgerichtshofs über den mit hg Beschluss vom 30. März 2016 zu 4 Ob 31/16m ua gestellten Antrag an den Verfassungsgerichtshof, näher bezeichnete Normen des Glücksspielrechts als verfassungswidrig aufzuheben, unterbrochen.
Die Aufnahme des Revisionsverfahrens erfolgt von Amts wegen.
Begründung
Das Erstgericht entschied in der von den Beklagten sowohl mit Rekurs als auch mit Berufung angefochtenen Entscheidung sowohl über das von der Klägerin erhobene Klagebegehren als auch über das damit verbundene Sicherungsbegehren. Die Entscheidung wurde den Beklagtenvertretern am 9. Dezember 2015 zugestellt. Sie bekämpften die Entscheidung mit einem am 19. Jänner 2016 in einem einheitlichen Schriftsatz eingebrachten Rechtsmittel.
Das Rekursgericht wies den Rekurs gegen die einstweilige Verfügung als verspätet zurück und sprach aus, dass der Wert des Entscheidungsgegenstands 30.000 EUR übersteige und der ordentliche Revisionsrekurs zulässig sei, weil das Rekursgericht von der Rechtsprechung betreffend die Geltung der jeweils längeren Rechtsmittelfrist abgewichen sei. Der Rekurs sei mit der Berufung verbunden worden, für die gemäß § 222 Abs 1 ZPO zwischen dem 24. Dezember und dem 6. Jänner eine zweiwöchige Fristenhemmung gegolten habe. Dadurch habe sich die Berufungsfrist auf sechs Wochen verlängert. Diese Frist auch für den Rekurs gelten zu lassen, würde bedeuten, die Fristenhemmung des § 222 Abs 1 ZPO auf das Sicherungsverfahren zu erstrecken, obwohl dieses Verfahren von der Fristenhemmung ausgenommen sei. Eine solche Erstreckung verbiete sich nunmehr auch deswegen, weil der durch das BudgetbegleitG 2011 eingefügte § 78 Abs 2 EO (in Einschränkung des Abs 1) ausdrücklich anordne, dass die Fristenhemmungsbestimmung des § 222 ZPO im Exekutionsverfahren (und damit auch im Sicherungsverfahren) nicht anzuwenden sei.
Rechtliche Beurteilung
Der Revisionsrekurs ist aus dem vom Rekursgericht genannten Grund zulässig und auch berechtigt.
Das Rekursgericht verwies zunächst zutreffend auf die ständige Rechtsprechung, wonach sämtliche in einem einheitlichen Erkenntnis zusammengefassten Entscheidungen innerhalb der jeweils zur Verfügung stehenden längeren Rechtsmittelfrist angefochten werden können (RIS‑Justiz RS0002105, RS0041670, RS0041696). Dies wurde mehrfach auch für die gemeinsame Ausfertigung eines Beschlusses über einen Sicherungsantrag und des Urteils in der Hauptsache für anwendbar erachtet (RIS‑Justiz RS0002105 [T2]; 2 Ob 561/90; zuletzt 4 Ob 161/15w) und ausdrücklich auch für den Fall ausgesprochen, dass die Rechtsmittelfrist für die Bekämpfung des Urteils durch die Gerichtsferien (nunmehr bloß Fristenhemmung nach § 222 ZPO) verlängert wird (2 Ob 561/90).
An diesen Grundsätzen bisheriger Rechtsprechung ist festzuhalten. Durch die zwischenzeitige Ergänzung des § 78 EO (Anfügung des Abs 2 durch das BudgetbegleitG 2011 BGBl I 2010/111) ist keine Änderung eingetreten, weil es sich hiebei nur um eine technische Anpassung handelt, zumal § 223 Abs 2 ZPO aufgehoben wurde, wonach die verhandlungsfreie Zeit keinen Einfluss auf das Exekutionsverfahren hat (RV 981 BlgNR 24. GP 55 f).
Die durch die Verbindung der Entscheidung über den Sicherungsantrag mit dem Urteil im Hauptverfahren bewirkte Verlängerung der Rechtsmittelfrist steht auch mit dem Eilcharakter des Sicherungsverfahrens nicht in Widerspruch, weil die einstweilige Verfügung sofort vollstreckbar ist bzw es dem Antragsteller im Fall der Antragsabweisung freisteht, seinen in Weiterverfolgung des Sicherungsinteresses zu erhebenden Rekurs kurzfristig einzubringen.
Da der Rekurs der Beklagten innerhalb der für die Bekämpfung des Urteils in der Hauptsache offenstehenden Frist eingebracht wurde, ist er entgegen der vom Rekursgericht vertretenen Rechtsansicht rechtzeitig.
Der Vorbehalt der Rekurskosten beruht auf § 52 ZPO.
2. Der Senat hat jüngst in mehreren verbundenen Verfahren, denen Sachverhalte zugrunde lagen, die mit jenem des gegenständlichen Verfahrens vergleichbar sind, mit dem im Spruch genannten Beschluss die dort näher bezeichneten Bestimmungen des Glücksspielgesetzes und des NÖ Spielautomatengesetzes 2011 beim Verfassungs-gerichtshof als verfassungswidrig angefochten.
Zu den Anfechtungsgründen wird auf den Beschluss 4 Ob 31/16m ua verwiesen. Die dort angefochtenen Bestimmungen des Glücksspielgesetzes sind auch für das vorliegende Verfahren präjudiziell.
Da zu erwarten ist, dass der Verfassungsgerichtshof im Fall der Aufhebung der angefochtenen Gesetzesbestimmungen eine Anlassfall-erstreckung gemäß Art 140 Abs 7 B‑VG aussprechen wird, ist die Unterbrechung des Verfahrens zweckmäßig (vgl auch 4 Ob 233/15s; 4 Ob 114/16t ua).
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