OGH 8Ob35/16d

OGH8Ob35/16d24.5.2016

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsrekursgericht durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofs Prof. Dr. Spenling als Vorsitzenden, die Hofrätin Dr. Tarmann‑Prentner, den Hofrat Dr. Brenn und die Hofrätinnen Mag. Korn und Dr. Weixelbraun‑Mohr als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei R***** GmbH, *****, vertreten durch Dr. Joachim Tschütscher, Rechtsanwalt in Innsbruck, gegen die beklagten Parteien 1) I***** Warenhandelsgesellschaft mbH, *****, und 2) Dr. F***** A*****, ebendort, wegen 442.985,47 EUR sA, über den außerordentlichen Revisionsrekurs der klagenden Partei gegen den Beschluss des Landesgerichts Innsbruck als Rekursgericht vom 25. März 2016, GZ 2 R 23/16w‑5, den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2016:0080OB00035.16D.0524.000

 

Spruch:

Der außerordentliche Revisionsrekurs wird gemäß § 526 Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 528 Abs 1 ZPO zurückgewiesen (§ 528a iVm § 510 Abs 3 ZPO).

Begründung:

Rechtliche Beurteilung

1. Der außerordentliche Revisionsrekurs richtet sich gegen die Zurückweisung der Klage gegen den Zweitbeklagten.

Da sich die übereinstimmenden Entscheidungen der Vorinstanzen auf die Zurückweisung des Klagebegehrens beziehen, ist das Rechtsmittel nach § 528 Abs 2 Z 2 ZPO nicht jedenfalls unzulässig. Die Zulässigkeit hängt daher vom Vorliegen einer erheblichen Rechtsfrage im Sinn des § 528 Abs 1 ZPO ab.

Die Voraussetzungen dafür sind jedoch nicht gegeben. Die Frage, ob „das Vorliegen einer einheitlichen Streitpartei ein Abgehen von der bisherigen Rechtsprechung zu § 49 Abs 2 Z 5 JN rechtfertigt“, stellt sich nicht.

2. Die Klägerin steht auf dem Standpunkt, dass die Eigenzuständigkeit des Bezirksgerichts nach § 49 Abs 2 Z 5 JN für beide Beklagte gegeben sein müsse. Festgehalten wird, dass der Gerichtsstand der Streitgenossenschaft (§ 93 JN) ‑ auch nach den Ausführungen im Rechtsmittel ‑ hier keine Rolle spielt.

3.1 § 49 Abs 2 Z 5 JN erfasst im gegebenen Zusammenhang alle Streitigkeiten aus (reinen) Bestandverträgen über die in § 560 ZPO bezeichneten Sachen. Der Klagsanspruch muss aus dem (bestehenden oder früher bestandenen) Bestandvertrag abgeleitet werden. Die Eigenzuständigkeit besteht etwa auch für Schadenersatzansprüche aus einem Bestandvertrag und für alle anderen aus dem Gesetz abgeleiteten Ersatzansprüche, wie solche nach §§ 1041, 1042, 1111 oder 1431 ff ABGB, und zwar zB auch wegen vertragswidriger Weitervermietung des Bestandobjekts, sowie darüber hinaus für andere aus dem Gesetz abgeleiteten Ersatzansprüche im weitesten Sinn, wenn sie mit einem Bestandvertrag verknüpft sind, wie zB die Klage auf Zahlung eines Benützungsentgelts nach Vertragsauflösung (vgl 1 Ob 169/12b; Simotta in Fasching/Konecny 3 § 49 JN Rz 75 ff).

Die Eigenzuständigkeit des Bezirksgerichts nach § 49 Abs 2 Z 5 JN setzt voraus, dass es sich um einen Streit unmittelbar zwischen den tatsächlichen Parteien des Bestandverhältnisses bzw den seinerzeitigen Vertragspartnern des Bestandvertrags oder deren Einzel‑ oder Gesamtrechtsnachfolger handelt (RIS‑Justiz RS0046553). Dementsprechend steht die Eigenzuständigkeit des Bezirksgerichts nicht zur Verfügung, wenn Personen als Kläger oder Beklagte auftreten, die nicht Parteien des Bestandvertrags sind (Simotta aaO, Rz 96).

3.2 Im Anlassfall ist unstrittig, dass der Zweitbeklagte nicht Partei des der Klage zugrunde liegenden Mietvertrags ist. Aus diesem Grund erachteten die Vorinstanzen die Eigenzuständigkeit des Erstgerichts für die Klage gegen den Zweitbeklagten auch nicht als gegeben.

4.1 Die Klägerin beruft sich in ihrem Rechtsmittel auf das Vorliegen einer einheitlichen Streitpartei und die sich angeblich daraus ergebende Notwendigkeit der einheitlichen Klagsführung gegen beide Beklagten.

Bei Beurteilung der Frage, ob eine Bestandstreitigkeit gemäß § 49 Abs 2 Z 5 JN vorliegt, ist von den Klagsbehauptungen auszugehen (10 Ob 1/15t). In der Klage wurde im Wesentlichen vorgebracht, dass die mit der Untermieterin getroffene vertragliche Konstruktion (gesonderte Vereinbarungen und Mietzinszahlungen hinsichtlich der Erstbeklagten und des Zweitbeklagten) den alleinigen Zweck gehabt habe, das Verbot der Untervermietung zu einem überhöhten Untermietzins zu umgehen, um sich daraus einen unrechtmäßigen Nutzen zu verschaffen und die Klägerin zu schädigen. Die Klägerin wolle daher die vereinnahmten Beträge abschöpfen, die über das zulässige Ausmaß des Untermietzinses hinaus gingen. Das Verhalten des Zweitbeklagten sei der Erstbeklagten zurechenbar. Sein Auftreten, seine Erklärungen und Handlungen begründeten seine Mithaftung mit der Erstbeklagten.

4.2 Soweit die Klägerin auf eine eigene Mithaftung des Zweitbeklagten Bezug nimmt, machte sie einen Schadenersatzanspruch aus der Umgehungskonstruktion wegen bewusstem und gewolltem Zusammenwirken mit der Geschäftsführerin der Erstbeklagten geltend.

Die Verantwortlichkeit mehrerer Beklagter aufgrund strafrechtlich vorwerfbarer oder kollusiver Beteiligungshandlungen begründet nach § 1301 ABGB eine Solidarhaftung als Mittäter oder Beitragstäter. Bei mehreren Schädigern als fahrlässig handelnde Nebentäter tritt (bei Teilbarkeit der Ersatzpflicht) dann, wenn sich die Anteile nicht bestimmen lassen, nach § 1302 ABGB (vgl demgegenüber § 889 ABGB) eine solidarische Haftung ein (vgl RIS‑Justiz RS0022703).

Mehrere (selbständig) fahrlässig handelnde ‑ auch solidarisch haftende ‑ Schädiger bilden nach der Rechtsprechung nicht einmal eine materielle Streitgenossenschaft (vgl Fucik in Rechberger 4 § 11 ZPO Rz 2; Schneider in Fasching/Konecny 3 § 11 ZPO Rz 17). Wegen einer Solidarhaftung entsteht keine einheitliche Streitpartei (Fucik aaO, § 14 ZPO Rz 5).

4.3 Auf die im außerordentlichen Revisionsrekurs zitierten Entscheidungen (1 Ob 354/97h; 7 Ob 257/99s; 3 Ob 253/99y; 5 Ob 10/05i) kann sich die Klägerin nicht berufen, weil diese Klagebegehren auf Anfechtung bzw auf Feststellung der Unwirksamkeit von (im Rahmen von Umgehungskonstruktionen miteinander verknüpften) Verträgen wegen Nichtigkeit betroffen haben.

5. Insgesamt gelingt es der Klägerin nicht, mit ihren Ausführungen eine erhebliche Rechtsfrage aufzuzeigen. Der außerordentliche Revisionsrekurs war daher zurückzuweisen.

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