OGH 4Ob113/16w

OGH4Ob113/16w24.5.2016

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Dr. Vogel als Vorsitzenden und die Hofräte Dr. Jensik, Dr. Musger, Dr. Schwarzenbacher und Dr. Rassi als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei A***** Aktiengesellschaft, *****, vertreten durch e/n/w/c Natlacen Walderdorff Cancola Rechtsanwälte GmbH in Wien, gegen die beklagte Partei N***** B.V., *****, vertreten durch Kletzer Messner Mosing Schnider Schultes Rechtsanwälte OG in Wien, wegen Unterlassung (Streitwert 70.000 EUR) und Urteilsveröffentlichung (Streitwert 6.000 EUR), über den außerordentlichen Revisionsrekurs der klagenden Partei gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts Wien als Rekursgericht vom 31. März 2016, GZ 2 R 140/15w‑29, den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2016:0040OB00113.16W.0524.000

 

Spruch:

Der außerordentliche Revisionsrekurs wird gemäß § 78 Abs 1 EO iVm § 526 Abs 2 Satz 1 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 528 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

Begründung

Die beklagte Partei veröffentliche einen Index über die inländischen Internetdienstanbieter von Video‑on‑demand (Streaming) mit ortsgebundenem Internet, in dem die klagende Partei bei der durchschnittlichen Netzgeschwindigkeit in einem Ranking an sechster und letzter Stelle ausgewiesen wurde.

Mit ihrem Sicherungsantrag begehrte die klagende Partei, der beklagten Partei die Veröffentlichung dieses Index (hilfsweise ohne entsprechende aufklärende Hinweise) zu untersagen und führte aus, dass die Erhebung wegen der Ausklammerung des Mobilfunks nicht repräsentativ sei, worüber die beklagte Partei nicht aufkläre. Sie erwähne auch nicht die Abhängigkeit der Geschwindigkeit von bestimmten Faktoren.

Rechtliche Beurteilung

Der gegen die abweisende Rekursentscheidung erhobene außerordentliche Revisionsrekurs der klagenden Partei ist mangels erheblicher Rechtsfrage nicht zulässig.

1. Vergleichende Werbung ist nach ständiger Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs primär nach § 2 UWG zu beurteilen und wettbewerbsrechtlich zu beanstanden, wenn beworbene und objektiv nachprüfbare Umstände nicht den Tatsachen entsprechen oder die Ankündigung sonst zur Irreführung geeignet ist (RIS‑Justiz RS0077980). Dabei kann auch durch das Verschweigen wesentlicher Umstände ein falscher Gesamteindruck hervorgerufen werden, wenn die Unvollständigkeit geeignet ist, das Publikum in für den Kaufentschluss erheblicher Weise irrezuführen (RIS‑Justiz RS0078579). Welche Informationen dabei wesentlich sind, richtet sich stets nach den Umständen des Einzelfalls (4 Ob 203/15d mwN), weshalb darauf grundsätzlich keine erhebliche Rechtsfrage begründet werden kann. Auch die Frage, wie die angesprochenen Verkehrskreise eine Werbeaussage verstehen und ob sie demnach zur Irreführung geeignet ist, hat im Allgemeinen keine über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung und ist daher nicht erheblich iSd § 528 Abs 1 ZPO, soweit nicht eine krasse Fehlbeurteilung vorliegt, die im Interesse der Rechtssicherheit wahrgenommen werden muss (RIS‑Justiz RS0107771, RS0053112, RS0043000).

2. Die hier vorliegende Konstellation, bei der die Irreführungseignung einer Werbung von der Repräsentativität und Objektivität eines bestimmten Produkttests über Dienstleistungen im Internet abhängt, begründet schon deshalb nicht die Zulässigkeit des Rechtsmittels, weil sich die von der klagenden Partei dazu als erheblich bezeichnete Frage, wann ein bestimmtes Testergebnis „als repräsentativ sowie neutral, objektiv und fachkundig anzusehen ist“, grundsätzlich immer an den Umständen des Einzelfalls orientieren muss. Der Senat verneinte bereits in mehreren Fällen die Zulässigkeit von drittinstanzlichen Rechtsmitteln, wenn die Irreführungseignung davon abhängt, ob ein Produkttest ausreichend repräsentativ oder aussagekräftig ist (vgl etwa 4 Ob 67/14b oder 4 Ob 194/02m).

3. Die Ansicht des Rekursgerichts, der hier angesprochene Durchschnittsverbraucher erkenne, dass der Test nur auf ortsgebundene Internet‑Anschlüsse abstelle, sodass das mobile Internet vom Index gar nicht umfasst sei, ist jedenfalls vertretbar. Gleiches gilt für die Rechtsansicht, dass die Irreführungseignung nicht schon deshalb gegeben sei, weil auf mögliche Faktoren, die die Geschwindigkeit beeinflussen könnten, nicht hingewiesen werde, zumal es sich bei den Angaben im Index (nur) um Durchschnittswerte handle, in denen alle für die Geschwindigkeit relevanten Umstände Eingang gefunden hätten.

4. Schließlich liegt auch im Zusammenhang mit den Kenntnissen des Durchschnittsverbrauchers keine die Zulässigkeit begründende Fehlbeurteilung des Rekursgerichts vor. Bei der Frage der Irreführungseignung einer Geschäftspraktik ist auf das Verständnis der angesprochenen Verkehrskreise und auf den Grad der Aufmerksamkeit des durchschnittlich informierten und verständigen Verbrauchers abzustellen (RIS‑Justiz RS0114366; RS0078572). Je nach beworbenem Produkt oder beworbener Dienstleistung ist auch ein erhöhter Aufmerksamkeitsgrad zu unterstellen (zB 4 Ob 122/15t). Somit hält sich auch die Rechtsauffassung des Rekursgerichts, das hier den Durchschnittsverbraucher, der sich für das ausschließlich über einen Internet‑Anschluss konsumierbare Angebot der beklagten Partei interessiert, aus einer über die Einrichtungen des Internets informierten Zielgruppe ermittelte (vgl Heidinger in Wiebe/Kodek UWG 2 § 1 Rz 69 mwN), im Rahmen der referierten Rechtsprechung und begründet daher keine erhebliche Rechtsfrage.

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