OGH 5Ob78/16f

OGH5Ob78/16f18.5.2016

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Dr. Hradil als Vorsitzenden sowie den Hofrat Dr. Höllwerth, die Hofrätin Dr. Grohmann, die Hofräte Mag. Wurzer und Mag. Painsi als weitere Richter in der Grundbuchsache der Antragstellerin P***** GmbH (FN *****), *****, wegen Einverleibung des Eigentumsrechts und eines Pfandrechts ob der Liegenschaft EZ 1110 GB *****, über den außerordentlichen Revisionsrekurs der Antragstellerin und der A*****aktiengesellschaft (FN *****), *****, beide vertreten durch Kubes Passeyrer Rechtsanwälte OG in Wien, gegen den Beschluss des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien als Rekursgericht vom 25. Februar 2016, GZ 47 R 371/15d‑10, den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2016:0050OB00078.16F.0518.000

 

Spruch:

Der außerordentliche Revisionsrekurs wird mangels der Voraussetzungen des § 126 Abs 2 GBG iVm § 62 Abs 1 AußStrG zurückgewiesen (§ 126 Abs 3 GBG).

Begründung:

Rechtliche Beurteilung

1. Der Oberste Gerichtshof hat bereits ausgesprochen, dass sich Bedenken gegen die Verfügungsfähigkeit insbesondere aufgrund der Bestellung eines (einstweiligen) Sachwalters ergeben können, weil sie eine Behinderung des Betroffenen im Sinn des § 268 Abs 1 ABGB indiziert (vgl 5 Ob 1045/91 = RPflSlg 2330; 5 Ob 185/01v; 5 Ob 207/04h; zum Verfahrenssachwalter vgl auch Feil/Marent/Preisl, Grundbuchsrecht², § 94 GBG Rz 23). Da sich ein Eintragungshindernis aber nur aus „beachtlichen“ Bedenken ergeben kann, spielt für die fragliche Bedeutung der Einschränkung der Diskretions‑ und/oder Dispositionsfähigkeit des Betroffenen, die durch die Überprüfung der Notwendigkeit einer Sachwalterbestellung indiziert wird, der zeitliche Zusammenhang zur maßgeblichen rechtsgeschäftlichen Erklärung eine wesentliche Rolle (vgl 5 Ob 207/04h; 5 Ob 108/97m = NZ 1998, 90/408 [Hoyer]). Die Vermutung, dass jeder erwachsene Mensch voll handlungsfähig ist, aber auch Gründe der Rechtssicherheit gebieten es, die Indizwirkung einer notwendig gewordenen Sachwalterbestellung für eine anzunehmende Beschränkung der Handlungsfähigkeit des Betroffenen maximal auf den Zeitraum von einem Jahr vor dem Bestellungsakt auszudehnen, sofern nicht konkrete Belege für einen bereits länger anhaltenden Zustand beschränkter Handlungsfähigkeit vorliegen (5 Ob 206/08t = wobl 2010/124; RIS‑Justiz RS0060681 [T4]; zu weiter zurückreichenden Bedenken vgl 5 Ob 253/06a = immolex 2007/111, 221). Dieser zeitliche Konnex ist im vorliegenden Fall gegeben. Die Entscheidung des Rekursgerichts entspricht dieser Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs.

2. Ob in zwei noch anhängigen Streitverfahren die Geschäftsfähigkeit des Geschäftsführers der Liegenschaftseigentümerin geklärt wird, ist hier nicht entscheidungswesentlich und auch nicht abzuwarten. Das Grundbuchgericht darf nämlich die Verbücherung eines Vertrags gemäß § 94 Abs 1 Z 2 GBG schon dann nicht bewilligen, wenn sich auch nur (einer objektiven Überprüfung zugängliche) Bedenken gegen die Verfügungsfähigkeit des Veräußerers im Zeitpunkt der Vertragserrichtung ergeben (5 Ob 108/97m mwN; vgl RIS‑Justiz RS0107975), wie dies hier aufgrund der Ergebnisse des Sachwalterbestellungsverfahrens der Fall ist.

3. Dass bei dem an der Errichtung des Vertrags bzw Notariatsakts mitwirkenden Rechtsvertreter bzw Notar möglicherweise keine Zweifel an der Diskretions‑ und/oder Dispositionsfähigkeit einer Vertragspartei vorlagen, kann, wie der Oberste Gerichtshof ebenfalls bereits ausgesprochen hat, „Bedenken“ im Sinn des § 94 Abs 1 Z 2 GBG nicht schlechthin ausschließen (5 Ob 206/08t wobl 2010/124).

3. § 22 GBG bezweckt eine Vereinfachung grundbuchstechnischer Art: Es soll bei mehreren aufeinanderfolgenden außerbücherlichen Rechtsübergängen vermieden werden, diese Rechtsübergänge später einzeln bücherlich nachzutragen (vgl auch RIS‑Justiz RS0107463), ohne dass darauf verzichtet würde, hinsichtlich jedes einzelnen Erwerbsgeschäfts die Vorlage verbücherungsfähiger Urkunden und allenfalls erforderlicher Genehmigungen zu verlangen; der Sachverhalt darf nicht anders beurteilt werden, als wenn jedes einzelne Erwerbsgeschäft gesondert zur Verbücherung gelangt wäre (5 Ob 28/88 = SZ 61/69 = JBl 1988, 463 = NZ 1988, 237 [Hofmeister 239]). Jeder Zwischenerwerber muss das einzutragende Recht in verbücherungsfähiger Art und Weise erworben haben. Geschlossen im Sinn des § 22 GBG ist die Kette von Übertragungsakten zwischen bücherlichem Vormann und Eintragungswerber dann, wenn jeder der „Vormänner“ des Einzutragenden über alle (selbstverständlich tauglichen) Eintragungsunterlagen verfügt, die das Gesetz für die Einverleibung fordert (5 Ob 46/94 mwN; 5 Ob 295/98p; 5 Ob 172/08t = wobl 2009/68 = SZ 2008/175; RIS‑Justiz RS0060662 [T3]). Demnach schließen die hier bestehenden „Bedenken“ im Sinn des § 94 Abs 1 Z 2 GBG gegen jene Urkunde, die in der Kette die erste Eintragungsunterlage bildet, die auf § 22 GBG gestützte Eintragung aus.

4. Die von den Rechtsmittelwerbern gewünschte Absicherung der Liegenschaftserwerberin und deren Kreditgeberin durch die Anmerkung eines Belastungs‑ und Veräußerungsverbots ist nicht Gegenstand dieses Verfahrens.

5. Wie die Kreditgeberin ihr angestrebtes Pfandrecht gutgläubig erworben haben soll, ist nicht nachvollziehbar, war doch die Antragstellerin (Kreditnehmerin) nie grundbücherliche Eigentümerin der Liegenschaft.

6. Der Revisionsrekurs ist mangels der Voraussetzungen des § 62 Abs 1 AußStrG unzulässig und somit zurückzuweisen.

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