OGH 5Ob76/16m

OGH5Ob76/16m18.5.2016

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Dr. Hradil als Vorsitzenden sowie den Hofrat Dr. Höllwerth, die Hofrätin Dr. Grohmann und die Hofräte Mag. Wurzer und Mag. Painsi als weitere Richter in der Grundbuchsache des Antragstellers T***** S*****, vertreten durch die Pacher & Partner Rechtsanwälte GmbH & Co KG in Graz, wegen Einverleibung des Eigentumsrechts und anderer Grundbuchshandlungen ob EZ ***** GB *****, über den außerordentlichen Revisionsrekurs des Antragstellers sowie des W***** S*****, und der C***** S*****, beide vertreten durch die Pacher & Partner Rechtsanwälte GmbH & Co KG in Graz, gegen den Beschluss des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Graz als Rekursgericht vom 1. März 2016, AZ 4 R 28/16s, mit dem der Beschluss der Bezirksgerichts Graz-West vom 4. Jänner 2016, TZ 12224/2015, bestätigt wurde, den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2016:0050OB00076.16M.0518.000

 

Spruch:

Der außerordentliche Revisionsrekurs wird mangels der Voraussetzungen des § 126Abs 2GBG iVm § 62Abs 1AußStrG zurückgewiesen.

 

Begründung:

Gemäß § 126 Abs 2 GBG iVm § 62 Abs 1AußStrG ist gegen einen im Rahmen des Rekursverfahrens ergangenen Beschluss der Revisionsrekurs nur dann zulässig, wenn die Entscheidung von der Lösung einer Rechtsfrage des materiellen Rechts oder des Verfahrensrechts abhängt, der zur Wahrung der Rechtseinheit, Rechtssicherheit oder Rechtsentwicklung erhebliche Bedeutung zukommt. Eine solche Frage zeigt der außerordentliche Revisionsrekurs nicht auf:

Rechtliche Beurteilung

1. Die Revisionsrekurswerber machen geltend, dass das Rekursgericht von der höchstgerichtlichen Rechtsprechung zum Nachweis der „wirklichen Übergabe“ iSd § 943 ABGB, § 1 NotAktG abgewichen sei. Der ihrem Einverleibungsgesuch zugrunde liegende Schenkungsvertrag sei nicht notariatsaktspflichtig, weil mit dem Schenkungsvertrag der erforderliche urkundliche Nachweis für die wirkliche Übergabe erbracht worden sei.

2. Nach § 1 Abs 1 lit d NotAktG bedürfen Schenkungsverträge ohne wirkliche Übergabe zu ihrer Gültigkeit eines Notariatsakts. Eine „wirkliche Übergabe“, muss nach außen erkennbar und so beschaffen sein, dass aus ihr der Wille des Schenkers hervorgeht, das Objekt der Schenkung sofort aus seiner Gewahrsame in den Besitz des Beschenkten zu übertragen (RIS‑Justiz RS0011383, RS0011295 [T16]). Der Ausdruck „wirkliche Übergabe“ bedeutet nichts anderes als das Gegenteil der bloßen Zusicherung oder des bloßen Schenkungsversprechens (RIS‑Justiz RS0011295 [T2]; RS0011383 [T6], RS0018908 [T1]). Bei Liegenschaften genügt die außerbücherliche Übergabe (5 Ob 181/15a mwN; RIS‑Justiz RS0011383 [T4]).

3. Im Grundbuchsverfahren ist für die Beantwortung der Frage der Übertragung der Gewahrsame und damit der wirklichen Übergabe der Wortlaut des Schenkungsvertrags maßgeblich (vgl RIS‑Justiz RS0060573; RS0060878). Aus diesem Wortlaut unmittelbare logische Schlussfolgerungen zu ziehen, ist dem Grundbuchsgericht zwar nicht verwehrt, es darf sich aber nicht auf Spekulationen zu Fragen der Auslegung des Vertrags insbesondere nach der wahren oder hypothetischen Absicht der Parteien einlassen (vgl RIS‑Justiz RS0060573 [T16]; RS0060878 [T36]). Im Grundbuchsverfahrenserschöpft sich der „Nachweis“ der Übergabe daher in mehr oder weniger ausführlichen Urkundenfloskeln (5 Ob 181/15a mwN). Konkrete Übergabsakte müssen nicht dargestellt werden, es genügt ein Hinweis in der Vertragsurkunde, dass die „Übergabe“ bereits erfolgt ist. Ein Notariatsakt ist dann entbehrlich (RIS‑Justiz RS0018923). Dies wurde in der höchstgerichtlichen Judikatur auch im ‑ wie hier vorliegenden ‑ Fall einer gleichzeitigen Einräumung eines lebenslangen, alleinigen Wohnungsrechts zu Gunsten des Geschenkgebers bejaht (5 Ob 181/15a mwN; vgl auch 5 Ob 8/16m).

4. 

Das Grundbuchsgericht hat das Ansuchen und dessen Beilagen insgesamt einer genauen Prüfung zu unterziehen (§ 94 Abs 1 GBG). Ein Ansuchen kann nur dann bewilligt werden, wenn der Urkundeninhalt auch bezüglich

der materiell‑rechtlichen Frage keinerlei Zweifel aufkommen lässt (RIS‑Justiz RS0060878). Es ist dem Grundbuchsgericht verwehrt, eine undeutliche und zu begründeten Zweifeln Anlass gebenden Urkunde auszulegen. Durch den Inhalt der Urkunden erweckte und nicht restlos beseitigte Zweifel haben vielmehr zur Abweisung des Grundbuchsgesuchs zu führen (

RIS‑Justiz

RS0060573, RS0060878). Bestehen daher aufgrund des Urkundeninhalts Zweifel, ob die Geschenkgeber die Liegenschaft tatsächlich „real“ aus der Hand gegeben haben, ist das Ansuchen auf Einverleibung des Eigentums der Geschenknehmerin daran abzuweisen, wenn der Schenkungsvertrag nicht in Form eines Notariatsakts abgeschlossen wurde (5 Ob 8/16m, 5 Ob 172/15b).

Der Schenkungsvertrag, der hier dem Eintragungsgesuch zugrunde liegt, enthält den Hinweis, dass „die Übergabe des Schenkungsgegenstandes in den physischen Besitz des Geschenknehmers bereits vor Vertragsunterfertigung erfolgt ist“. Diese Formulierung mag zwar für sich allein genommen eine im Sinne der dargestellten Rechtsprechung des erkennenden Senats zum Nachweis der wirklichen Übergabe ausreichende Urkundenfloskel darstellen. Eine Grundbuchsurkunde ist aber stets in ihrer Gesamtheit zu beurteilen (RIS‑Justiz RS0010950 [T2]). Das Rekursgericht hebt in diesem Sinne hervor, dass nach der Vertragsbestimmung, die das den Geschenkgebern eingeräumte Wohnungsgebrauchsrecht konkretisiert, die Geschenkgeber „die verbrauchsabhängigen Kosten wie Strom, Wasser, Telefon auch weiterhin aus eigenem zu tragen“ hätten und „sämtliche im gegenständlichen Einfamilienhaus befindlichen Einrichtungsgegenstände und persönlichen Fahrnisse, welche im Eigentum der Wohnungsgebrauchsberechtigten stehen, in Ausübung dieses Wohnungsgebrauchsrechtes im schenkungsgegenständlichen Einfamilienhaus verbleiben“ sollen [Hervorhebungen durch das Rekursgericht]. Aufgrund dieses Urkundeninhalts hegt das Rekursgericht Zweifel, ob die Geschenkgeber die Liegenschaft tatsächlich (real) aus der Hand gegeben hatten. Darin liegt jedenfalls keine unvertrebare Fehlbeurteilung, die vom Obersten Gerichtshof aufgegriffen werden müsste. Der Wortlaut der relevanten Vertragsbestimmungen lässt zumindest die Möglichkeit offen, dass die Geschenkgeber das Haus schon vor der im Schenkungsvertrag festgehaltenen Übergabe selbst alleine bewohnt haben, diese ausschließliche Nutzung faktisch unverändert blieb und sich daher nur der Rechtstitel für die Benützung ändern sollte. Allein der Umstand, dass die im Schenkungsvertrag aufscheinenden Adressen der Geschenkgeber und des Schenkungsgegenstands nicht übereinstimmen, reicht nicht aus, um die insofern begründeten Zweifel an der wirklichen Übergabe auszuräumen (vgl zur beschränkten Aussagekraft auch gleichlautender Adressen 5 Ob 181/15a, 5 Ob 82/15t).

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