OGH 3Ob51/16w

OGH3Ob51/16w27.4.2016

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Dr. Hoch als Vorsitzenden sowie die Vizepräsidentin Dr. Lovrek, die Hofräte Dr. Jensik und Dr. Roch und die Hofrätin Dr. Kodek als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei F*****, vertreten durch DDr. Ernst Gramm, Rechtsanwalt in Neulengbach, gegen die beklagte Partei V*****, vertreten durch Mag. Gernot Steier, Rechtsanwalt in Neulengbach, wegen Einwendungen gegen den Anspruch (§ 35 EO), über den „Revisionsrekurs“ (richtig: Rekurs) der klagenden Partei gegen den Beschluss des Landesgerichts St. Pölten als Berufungsgericht vom 20. Jänner 2016, GZ 23 R 8/16y‑11, womit das Urteil des Bezirksgerichts Neulengbach vom 9. Oktober 2015, GZ 9 C 16/15x‑7, und das diesem vorangegangene Verfahren ab Klagezustellung als nichtig aufgehoben und die Klage zurückgewiesen wurde, den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2016:0030OB00051.16W.0427.000

 

Spruch:

Dem Rekurs wird nicht Folge gegeben.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit 418,78 EUR (hierin enthalten 69,80 EUR USt) bestimmten Kosten des Rekursverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Begründung

Die Ehe der Streitteile wurde im Jahr 1999 geschieden. Im Scheidungsfolgenvergleich verpflichtete sich der Kläger gegenüber der Beklagten, die damals kein eigenes Einkommen erzielte, zur Unterhaltsleistung in bestimmter Höhe.

Zur Hereinbringung eines im Zeitraum März 2012 bis August 2013 aufgelaufenen Unterhaltsrückstands von 4.578,30 EUR sA und des laufenden Unterhalts wurde der Beklagten zu 5 E 2260/13w des Erstgerichts die Fahrnis- und Gehaltsexekution bewilligt.

Der Kläger erhob daraufhin zu 2 C 1216/13p des Erstgerichts eine erste Oppositionsklage. Darin wendete er gegen den betriebenen Unterhaltsrückstand lediglich ein, dass sich sein Einkommen gegenüber jenem bei Abschluss der Unterhaltsvereinbarung deutlich reduziert habe. Im Zuge dieses Verfahrens legte die Beklagte einen Lohnzettel für das Jahr 2013 vor und führte dazu aus, dass sie im Jahr 2014 in etwa gleich viel verdienen werde. Der Kläger erstattete auch nach dieser Urkundenvorlage in erster Instanz kein Vorbringen zu diesem Thema; er stützte seine Oppositionsklage also nicht darauf, dass der Beklagten auch aufgrund ihres Eigeneinkommens kein Unterhaltsanspruch mehr zustehe.

Mit Urteil vom 11. Juni 2014 sprach das Erstgericht aus, dass der betriebene Unterhaltsrückstand im Ausmaß von (nur) 1.665,70 EUR erloschen sei; das Mehrbegehren wies es ab. In seiner rechtlichen Beurteilung ging es auf das Eigeneinkommen der Beklagten nicht ein, sondern bezog sich lediglich auf das reduzierte Einkommen des Klägers.

Der vom Kläger erstmals in seiner Berufung erhobene Einwand, dass sich seine Unterhaltsverpflichtung durch das Eigeneinkommen der Beklagten über die vom Erstgericht vorgenommene Berechnung hinaus vermindere, wurde vom Berufungsgericht im Hinblick auf das Neuerungsverbot und die im Oppositionsverfahren geltende Eventualmaxime nicht geprüft.

Am 4. Mai 2015 brachte der Kläger die hier zu beurteilende zweite Oppositionsklage ein, mit der er geltend macht, dass der nach dem Urteil im ersten Verfahren restliche betriebene Unterhaltsanspruch von 2.912,58 EUR sA im Hinblick auf das Eigeneinkommen der Beklagten ebenfalls erloschen sei.

Die Beklagte wendete ein, über den geltend gemachten Anspruch sei bereits im Vorverfahren rechtskräftig entschieden worden. Außerdem stehe der zweiten Klage die Eventualmaxime entgegen.

Das Erstgericht sprach aus, dass der betriebene (restliche) Unterhaltsrückstand hinsichtlich eines weiteren Teilbetrags von 1.912,35 EUR erloschen sei. Das Mehrbegehren wies es ab. Der Einwand der Beklagten, es liege res iudicata vor, sei nicht berechtigt. Gegenstand des Vorverfahrens sei zwar derselbe Unterhaltsrückstand gewesen, nicht aber auch das nun geltend gemachte Eigeneinkommen der Beklagten. Versäumte Einwendungen dürften zwar wegen der Eventualmaxime grundsätzlich nicht zum Gegenstand einer zweiten Oppositionsklage gemacht werden; hier sei aber bereits die Änderung des § 35 Abs 3 EO durch die EO‑Novelle 2014 zu berücksichtigen, wonach dies nicht für Unterhaltssachen gelte.

Das Berufungsgericht hob infolge Berufung der Beklagten das Urteil des Erstgerichts und das ihm vorangegangene Verfahren ab Klagezustellung als nichtig auf und wies die Klage wegen entschiedener Rechtssache zurück. Von einer Identität des Streitgegenstands könne zwar nur dann gesprochen werden, wenn sowohl der Sachantrag als auch der rechtserzeugende Sachverhalt ident seien. Im Unterhaltsverfahren sei es allerdings nicht möglich, über jeden der Umstände, die zu einer Änderung der Unterhaltsbemessung im Sinn der Umstandsklausel führen, gesondert zu entscheiden. Vielmehr sei bei der Unterhaltsbemessung immer auf alle maßgeblichen (rechtserzeugenden und rechtsvernichtenden) Tatsachen Bedacht zu nehmen, auch wenn sie, wie im ersten Oppositionsverfahren, wegen des Neuerungsverbots und der Eventualmaxime mangels rechtzeitigen Vorbringens nicht zu berücksichtigen gewesen seien, weil andernfalls die Gefahr bestünde, dass für denselben Zeitraum einander widersprechende Entscheidungen gefällt würden. Das Vorliegen einer entschiedenen Rechtssache führe zur Unzulässigkeit der neuerlichen Geltendmachung und damit zur Zurückweisung der Klage. Dazu komme, dass nach ständiger Rechtsprechung bei einem in derselben Sache bereits ergangenen Oppositionsurteil die neuerliche Geltendmachung von der Eventualmaxime „zum Opfer gefallenen“ Einwendungen ausgeschlossen sei. Die Änderung des § 35 Abs 3 EO durch die EO-Novelle 2014 könne den Einwand der entschiedenen Rechtssache aus bereits vor Inkrafttreten dieser Novelle ergangenen Entscheidungen nicht beseitigen.

Mit seinem ‑ unrichtig als „Revisionsrekurs“ bezeichneten ‑ Rekurs begehrt der Kläger (verfehlt; vgl RIS‑Justiz RS0043874) die Wiederherstellung des Urteils des Erstgerichts; hilfsweise stellt er einen Aufhebungsantrag.

Die Beklagte beantragt in ihrer Rechtsmittelbeantwortung, den Rekurs zurückzuweisen, hilfsweise ihm nicht Folge zu geben.

Der Rekurs ist gemäß § 519 Abs 1 Z 1 ZPO ohne Rücksicht auf die Höhe des Streitwerts und das Vorliegen einer erheblichen Rechtsfrage zulässig. Er ist aber nicht berechtigt.

Rechtliche Beurteilung

1. Derselbe Streitgegenstand liegt nur vor, wenn sowohl der Entscheidungsantrag (Sachantrag) als auch die zu seiner Begründung vorgetragenen Tatsachen ident sind. Die Nämlichkeit des Rechtsgrundes ist dann nicht gegeben, wenn der im zweiten Verfahren geltend gemachte Anspruch auf neuen rechtserzeugenden Tatsachen beruht. Das gilt allerdings nur für Tatsachen, die im maßgeblichen Entscheidungszeitpunkt noch nicht vorhanden waren. Die Präklusionswirkung der Rechtskraft schließt also nicht nur die neuerliche Entscheidung des gleichen Begehrens aufgrund der gleichen Sachlage aus, sondern auch die Geltendmachung des gleichen Begehrens aufgrund von Tatsachen und Erwägungen, die bereits vor Schluss der mündlichen Verhandlung des Vorprozesses vorhanden und der verfahrensmäßigen Erledigung zugänglich waren, aber infolge Verletzung einer prozessualen Diligenzpflicht der Parteien, also der ihnen auferlegten Behauptungs- und Beweispflicht, nicht zum Gegenstand des Vorprozesses wurden (RIS-Justiz RS0039347 [T7, T14 bis T18, T22, T28]; RS0041321).

2.1. Jene Tatsache, auf die sich der Kläger in seiner zweiten, gegen denselben betriebenen Unterhaltsrückstand gerichteten Oppositionsklage stützt, also das Eigeneinkommen der Beklagten im maßgeblichen Zeitraum, ist naturgemäß nicht erst nach Schluss der mündlichen Verhandlung im Vorverfahren entstanden. Sie war dem Kläger auch bereits im ersten Verfahren (spätestens) aufgrund der Vorlage des Lohnzettels der Beklagten bekannt.

2.2. Sofern er, wovon hier im Zweifel auszugehen ist, erst durch die Urkundenvorlage der Beklagten von deren Einkommen erfuhr, hätte auch die im Oppositionsverfahren (nach damaliger Rechtslage, also vor der EO‑Novelle 2014, uneingeschränkt) geltende Eventualmaxime eine Ergänzung seines Vorbringens (in erster Instanz) nicht gehindert (RIS‑Justiz

RS0001285 [T2 und T3]).

2.3. Im Hinblick darauf steht aber die Präklusionswirkung der Rechtskraft der Entscheidung des ersten Oppositionsverfahrens der zweiten Oppositionsklage entgegen, sodass das Rekursgericht

das Prozesshindernis der entschiedenen Rechtssache zu Recht bejaht hat.

3. Mit der Eventualmaxime hat das Prozesshindernis der entschiedenen Rechtssache nichts zu tun. Schon deshalb kommt es auf die vom Kläger ins Treffen geführte Änderung des § 35 Abs 3 EO durch die EO‑Novelle 2014 nicht an.

4. Der Rekurs des Klägers muss deshalb erfolglos bleiben.

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 41, 50 ZPO.

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