OGH 3Ob11/16p

OGH3Ob11/16p27.4.2016

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Dr. Hoch als Vorsitzenden sowie die Vizepräsidentin Dr. Lovrek, die Hofräte Dr. Jensik und Dr. Roch und die Hofrätin Dr. Kodek als weitere Richter in der Exekutionssache der betreibenden Partei K*****, vertreten durch Hornek Hubacek Lichtenstrasser Epler Rechtsanwälte OG in Wien, wider die verpflichtete Partei T*****, vertreten durch Dr. Marco Nademleinsky, Rechtsanwalt in Wien, wegen Exekutionsbewilligung und Vollstreckbarerklärung, über den außerordentlichen Revisionsrekurs der verpflichteten Partei gegen den Beschluss des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien als Rekursgericht vom 16. Dezember 2015, GZ 46 R 420/15b, 46 R 422/15x‑10, womit die Beschlüsse des Bezirksgerichts Hietzing vom 9. Oktober 2015, GZ 13 E 2174/15s‑3 und ‑4 bestätigt wurden, den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2016:0030OB00011.16P.0427.000

 

Spruch:

Der außerordentliche Revisionsrekurs wird soweit er sich gegen die Bestätigung der Exekutionsbewilligung richtet, als jedenfalls unzulässig zurückgewiesen.

Im Übrigen wird der außerordentliche Revisionsrekurs gemäß (§ 78 EO iVm) § 526 Abs 2 Satz 1 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 528 Abs 1 ZPO zurückgewiesen (§ 528a iVm § 510 Abs 3 ZPO).

 

Begründung:

Mit Beschlüssen vom 9. Oktober 2015 bewilligte das Erstgericht zur Hereinbringung rückständigen und laufenden Unterhalts aufgrund des Urteils eines Schweizer Gerichts vom 11. März 2009 der Betreibenden die Fahrnis‑ und Forderungsexekution gemäß § 294a EO und erklärte dieses Urteil für vollstreckbar.

In seinem Rekurs dagegen berief sich der Verpflichtete unter Hinweis auf ein später ergangenes Urteil desselben Schweizer Gerichts, mit dem das frühere Urteil abgeändert worden sei, auf den Versagungsgrund des Art 27 Z 3 LGVÜ 1988. Zufolge des späteren Urteils ruhten die im früheren Urteil festgesetzten Ehegattenunterhaltsbeiträge mit Wirkung zum 1. März 2012. Die Bedingungen für dieses Ruhen lägen noch immer vor.

Das bestritt die Betreibende in ihrer Rekursbeantwortung.

Das Rekursgericht gab beiden Rekursen nicht Folge und ließ den ordentlichen Revisionsrekurs mangels erheblicher Rechtsfrage nicht zu. Schon aus dem Wortlaut des Art 27 Z 3 LGVÜ 1988 gehe eindeutig hervor, dass ein solcher Versagungsgrund nur vorliegen könne, wenn die dort genannte Unvereinbarkeit zwischen einer im Ursprungsland ergangenen Entscheidung und einer im Anerkennungsstaat ergangenen Entscheidung bestehe. Davon seien ‑ wie hier ‑ zeitlich aufeinanderfolgende, einander allenfalls widersprechende Entscheidungen des Ursprungslands nicht erfasst. Im zweiten Urteil liege allenfalls ein Oppositionsgrund, der aber mit Rekurs nur geltend gemacht werden könnte, wenn darin zugleich ein konventionskonformer Untersagungsgrund läge. Das sei hier aber nicht der Fall. Wegen der somit berechtigten Vollstreckbarerklärung sei auch die nur insoweit beanstandete Exekutionsbewilligung zu Recht erfolgt.

Der vom Verpflichteten erhobene außerordentliche Revisionsrekurs ist aus folgenden Gründen zurückzuweisen:

Rechtliche Beurteilung

1.  Das Exekutionsverfahren kennt zwar eine Ausnahme von der Unbekämpfbarkeit bestätigender Beschlüsse in § 84 Abs 4 EO für die Fälle der Erteilung oder Versagung der Vollstreckbarerklärung eines ausländischen Exekutionstitels; die Ausnahmeregelung nach § 84 Abs 4 EO ist aber nur auf abweisende Entscheidungen über den Exekutionsantrag auszudehnen, bei bewilligenden Entscheidungen in zwei Instanzen bleibt es bei der Unanfechtbarkeit wegen Vollbestätigung gemäß § 78 EO iVm § 528 Abs 2 Z 2 ZPO (RIS‑Justiz RS0114023 [T3]). Soweit sich der Revisionsrekurs gegen die Exekutionsbewilligung der Vorinstanzen richtet, ist er daher absolut unzulässig.

2.1.  Gegen die Vollstreckbarerklärung wendet der Revisionsrekurs ein, das davon betroffene Schweizer Urteil sei mit einem später ebenfalls in der Schweiz erlassenen Urteil unvereinbar; er sieht darin den Versagungsgrund des Art 27 Z 3 oder der Z 5 LGVÜ 1988 verwirklicht.

Dabei verschweigt der Rechtsmittelwerber, dass die beiden Urteile keineswegs unvereinbar, sondern aufeinander abgestimmt sind: Nimmt doch das spätere auf das frühere Urteil Bezug und erklärt die im früheren Urteil festgesetzten Ehegattenunterhaltsbeiträge mit Wirkung zum 1. März 2012 nicht nur für ruhend, sondern sieht auch die Möglichkeit eines Wiederauflebens vor. Schon deshalb stellt sich die vom Verpflichteten als erheblich angesehene Rechtsfrage des Vorliegens der geltend gemachten Versagungsgründe nicht.

2.2.  Da das spätere Urteil das frühere nicht vernichtet hat, liegt es am Verpflichteten, seine Einwendungen gegen den Anspruch geltend zu machen (vgl RIS‑Justiz RS0000987 [T4]). Der EuGH erachtet im Rechtsmittelverfahren gegen die Vollstreckbarerklärung nach der EuGVVO die Geltendmachung sämtlicher nachträglich entstandener materiell‑rechtlicher Einwendungen jedenfalls dann als ausgeschlossen, wenn sie weder unstrittig noch rechtskräftig festgestellt (also nicht liquide) sind (RIS‑Justiz RS0116739 [T2]); was nach der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs allgemein für das Europäische Zivilprozessrecht Geltung hat ( Slonina in Angst/Oberhammer ³ § 84 EO Rz 25 mwN). Hier ist zwar der Bestand des späteren Urteils unstrittig, nicht jedoch die Frage des Ruhens der mit dem früheren, aufrecht gebliebenen Urteil ausgesprochenen Unterhaltsverpflichtung. Deshalb ist der materiell‑rechtliche Einwand, diese Verpflichtung ruhe noch immer, im vorliegenden Rechtsmittelverfahren unbeachtlich (so im Ergebnis bereits: 3 Ob 93/03b, SZ 2003/174).

2.3. Somit gelingt es dem Verpflichteten nicht, eine erhebliche Rechtsfrage zur bekämpften Vollstreckbarerklärung aufzuzeigen.

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