OGH 4Ob237/15d

OGH4Ob237/15d20.4.2016

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Dr. Vogel als Vorsitzenden und die Hofräte Dr. Jensik, Dr. Musger, Dr. Schwarzenbacher und Dr. Rassi als weitere Richter in der Rechtssache des Klägers Dr. M***** L*****, gegen den Beklagten Dr. W***** L*****, vertreten durch Dr. Manfred Klicnik, Rechtsanwalt in Linz, wegen Feststellung (Streitwert 8.720 EUR), über die Revision des Beklagten gegen das Urteil des Landesgerichts Linz als Berufungsgericht vom 20. August 2015, GZ 14 R 31/15z‑38, womit das Urteil des Bezirksgerichts Linz vom 22. Dezember 2014, GZ 11 C 8/14h‑31, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2016:0040OB00237.15D.0420.000

 

Spruch:

 

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die angefochtene Entscheidung wird mit der Maßgabe bestätigt, dass Punkt 1. des Spruchs zu lauten hat:

„Es wird festgestellt, dass dem Kläger das Vor‑(unter‑)mietrecht gemäß Vereinbarung vom 6. 6. 1974 an den mit Mietvertrag vom 6. 12. 1974 von der Hauseigentümerin, ***** gemieteten, im 2. Stock links des Stiegenhauses gelegenen Räumlichkeiten im Haus ***** weiterhin zusteht.“

Der Beklagte ist schuldig, dem Kläger die mit 744,43 EUR (darin 124,07 EUR USt) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.

 

Entscheidungsgründe:

Die Streitteile sind Brüder und sind bzw waren als Rechtsanwälte tätig. Sie sind gemeinsam Hauptmieter (Mitmieter) einer Kanzlei samt Wohnung. Gemäß einer auch von den Streitteilen unterfertigten Vereinbarung aus dem Jahr 1974 darf „die Majorität der Hauptmietberechtigten untervermieten“, „der Minorität steht in Analogie zum Vorkaufsrecht ein Vormietrecht zu und zwar an den von der Majorität zu vermietenden Räumlichkeiten“.

Mit Schreiben vom 25. 3. 2003 bot der Beklagte dem Kläger erstmals die Untervermietung seiner damaligen 40%-Anteile an, was der Kläger ablehnte.

Aufgrund der Erbfolge nach der Mutter verfügt der Beklagte seit Ende 2003 über 60 % der „Mietrechtsanteile“, während dem Kläger die restlichen 40 % zukommen.

Zuletzt benützt der Beklagte Räumlichkeiten im Mietobjekt im Ausmaß von 10,51 % (Garconniere), der Kläger nutzt die übrigen 89,49 % des Mietobjekts (Kanzlei). Es gibt derzeit keine Benützungsregelung für die Kanzleiräumlichkeiten.

Mit Schreiben vom 16. 12. 2011 teilte der Beklagte dem Kläger mit, dass er beabsichtige, ihm rund 50 % seiner Mietrechtsanteile zu einem bestimmten monatlichen Untermietzins befristet auf fünf Jahre unterzuvermieten. Der Kläger antwortete darauf, er schließe aufgrund der dahinter stehenden Schädigungsabsicht mit dem Beklagten keinen befristeten Untermietvertrag ab.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren, es werde festgestellt, dass dem Kläger das Vor‑(unter‑)mietrecht gemäß Vereinbarung vom 6. 6. 1974 an den internen Mietrechtsanteilen der Beklagten an den näher bezeichneten Räumlichkeiten weiterhin zustehe, ab. Mit Ablehnung des Angebots vom 25. 3. 2003 sei das Vormietrecht bereits erloschen. Die Erstreckung auf mehrere „Vorkaufsfälle“ bedürfe einer besonderen Vereinbarung. Eine solche liege nicht vor.

Das Berufungsgericht gab der Klage statt. Es sprach aus, dass der Wert des Entscheidungsgegenstands 5.000 EUR, nicht jedoch 30.000 EUR übersteige und erklärte die ordentliche Revision mangels höchstgerichtlicher Rechtsprechung zu Voruntermietverhältnissen für zulässig. Vorbestandrechte erlöschen bei Nichtausübung anlässlich einer an sich möglichen Gelegenheit nicht endgültig. Im Frühjahr 2003 sei nicht einmal ein Unterbestandverhältnis zwischen dem Beklagten und einem Dritten angedacht gewesen, und der Beklagte habe auch nicht die Majorität der Hauptmietberechtigten repräsentiert. Es sei daher das Vorliegen eines Voruntermietfalls zu verneinen. Die Mitteilung der beabsichtigten befristeten Untervermietung mit Schreiben vom 16. 12. 2011 habe ebenfalls keinen Voruntermietfall verwirklicht, weil daraus nicht einmal die betroffenen Räumlichkeiten hervorgingen. Infolge Bestreitung des weiterhin bestehenden Voruntermietrechts des Klägers durch den Beklagten sei das rechtliche Interesse des Klägers an der Feststellung zu bejahen. Der Beklagte habe keine Anhaltspunkte aufgezeigt, wonach die Klagsführung schikanös, rechtsmissbräuchlich oder sittenwidrig erfolgt wäre.

Rechtliche Beurteilung

Die vom Kläger beantwortete Revision des Beklagten ist zur Klarstellung der Rechtslage zulässig; sie ist aber nicht berechtigt.

1. Die Klage ist auf Feststellung gerichtet, dass das seinerzeit begründete Voruntermietrecht weiter besteht, also nicht durch einen „Voruntermietfall“ hinsichtlich bestimmter Räumlichkeiten erloschen ist.

2. Vorpachtrechte erlöschen ‑ im Gegensatz zum Vorkaufsrecht ‑ nicht, wenn sie bei einer an sich möglichen Gelegenheit nicht ausgeübt worden sind (RIS-Justiz RS0020229). Das selbe gilt für Vor‑(unter‑)mietrechte. Dies erkannte auch das Berufungsgericht. Die weiteren Erwägungen des Berufungsgerichts zur Frage, ob überhaupt ein „Voruntermietfall“ eingetreten ist, können daher auf sich beruhen.

3. Dass Vormietrechte nicht durch einmaliges Nichtausüben erlöschen, wird auch vom Revisionswerber anerkannt. Sein Rechtsmittel zeigt nicht auf, warum Voruntermietrechte anders behandelt werden sollten.

4. Ebenso wenig legt der Revisionswerber dar, weshalb das Berufungsgericht das Bestehen des Feststellungsinteresses unrichtig beurteilt habe. Schließlich hat der Beklagte stets vorgebracht, dass das Vor‑(unter‑)mietrecht des Klägers (gänzlich) erloschen sei. Der Beklagte hat damit ein Recht des Klägers hartnäckig bestritten, sodass das Berufungsgericht davon ausgehen konnte, dass ein aktueller Anlass zur Klärung des streitigen Rechts bestand (vgl RIS-Justiz RS0039202; RS0039007; RS0039215).

5. Der Feststellungsanspruch des Klägers besteht daher zu Recht.

6. Allerdings kann sich ein Bestandvertrag nie auf einen ideellen Teil einer Liegenschaft erstrecken, weil die Ausübung eines Gebrauchsrechts an einem ideellen Liegenschaftsanteil unmöglich ist (RIS-Justiz RS0020294). Der im Klagebegehren und im Spruch der angefochtenen Entscheidung enthaltene Passus betreffend „interne Mietrechtsanteile des Beklagten“ hat daher im Sinne einer Anpassung des Urteilsspruchs an den sachlichen Inhalt des Klagebegehrens (vgl RIS-Justiz RS0041254) zu entfallen.

7. Der Revision des Beklagten ist somit nicht Folge zu geben und die angefochtene Entscheidung mit der genannten Maßgabe zu bestätigen.

8. Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 41 und 50 ZPO.

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