OGH 8ObA95/15a

OGH8ObA95/15a29.3.2016

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits‑ und Sozialrechtssachen durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofs Prof. Dr. Spenling als Vorsitzenden, die Hofrätin Dr. Tarmann‑Prentner und den Hofrat Dr. Brenn sowie die fachkundigen Laienrichter Dr. Reinhold Hohengartner und Robert Hauser als weitere Richter in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei Dr. K***** S*****, vertreten durch Mag. Wolfgang Kleinhappel, Rechtsanwalt in Wien, gegen die beklagte Partei Kammer für Arbeiter und Angestellte *****, vertreten durch Mairhofer Gradl, Rechtsanwälte in Linz, wegen 14.749,30 EUR brutto sA, über die außerordentliche Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Linz als Berufungsgericht in Arbeits‑ und Sozialrechtssachen vom 28. Oktober 2015, GZ 12 Ra 79/15x‑14, mit dem das Urteil des Landesgerichts Linz als Arbeits‑ und Sozialgericht vom 18. Juni 2015, GZ 7 Cga 100/14g‑10, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2016:008OBA00095.15A.0329.000

 

Spruch:

Der Revision wird Folge gegeben.

Die Urteile der Vorinstanzen werden aufgehoben; die Rechtssache wird zur neuerlichen Entscheidung nach Verfahrensergänzung an das Erstgericht zurückverwiesen.

Die Kosten des Revisionsverfahrens sind weitere Verfahrenskosten.

 

Begründung:

Die Klägerin war vom 1. Dezember 1982 bis 31. August 2013 bei der Beklagten, zuletzt als Leiterin des Frauenbüros, beschäftigt. Auf das Dienstverhältnis sind die Bestimmungen der Dienst‑, Bezugs‑ und Pensions‑Ordnung für die Bediensteten der Kammern für Arbeiter und Angestellte Österreichs in der ab 17. Juni 1998 gültigen Fassung (DBPO) anzuwenden. Mit 1. September 2013 trat die Klägerin in den Ruhestand.

Bis 26. Februar 1995 war die Klägerin 40 Stunden wöchentlich beschäftigt. Im Zeitraum vom 27. Februar 1995 bis 20. Juni 1999 war sie 24 Stunden pro Woche und vom 21. Juni 1999 bis 30. November 1999 wiederum 40 Stunden pro Woche beschäftigt. Vom 1. Dezember 1999 bis 31. Oktober 2009 war sie sodann nur zehn Stunden wöchentlich beschäftigt, weil sie in dieser Zeit ein politisches Amt bekleidete. Im Zeitraum ab 1. November 2009 bis 31. August 2013 war sie wiederum 40 Stunden pro Woche beschäftigt. Insgesamt weist die Klägerin 420 Monate AK‑Dienstzeit auf.

Seit 1. September 2014 beläuft sich die (über die Pensionskasse ausbezahlte) AK‑Pension der Klägerin auf monatlich 1.248 EUR brutto. Als Bemessungsgrundlage wurde der Letztbezug von 7.176,67 EUR brutto herangezogen. Dieser Betrag wurde allerdings um den von der Beklagten herangezogenen Teilzeitkoeffizienten reduziert, sodass von einer Berechnungsbasis von 5.053,09 EUR ausgegangen wurde. Bei Zugrundelegung eines monatlichen Letztbezugs von 7.176,67 EUR errechnet sich die AK‑Pension mit monatlich 2.722,93 EUR brutto. Nach dem Berechnungsmodell der Beklagten wird zunächst der Teilzeitkoeffizient als prozentuelle Relation zwischen Teil‑ und Vollbeschäftigungszeiten eines Dienstnehmers ermittelt. In weiterer Folge wird dieser Prozentsatz auf den Letztbezug auf Basis einer fiktiven Vollzeitbeschäftigung umgelegt und als Berechnungsbasis herangezogen.

Die anzuwendende Dienst‑, Bezugs‑ und Pensions‑Ordnung enthält auszugsweise folgende Bestimmungen:

§ 3

(1) ...

(2) Von der Anwendung der Dienst‑, Bezugs‑ und Pensions‑Ordnung ist das Dienstverhältnis von Personen ausgenommen,

a) ...

b) die nur vorübergehend oder stundenweise beschäftigt werden;

...

§ 58 Bezüge

(1) ...

(2) Die Kammerbediensteten, deren Dienstverhältnis durch die Dienstordnung geregelt ist, enthalten ein Monatsgehalt entsprechend der durch Beschluss des Vorstands (Personalkommission) erfolgten Einreihung in das Bezugsschema.

§ 66 Leistungszusage

Kammerbedienstete, die der Dienst‑ und Bezugsordnung unterstellt sind, sowie deren versorgungsberechtigte Hinterbliebene haben nach Maßgabe der erfolgenden Bestimmungen Anspruch auf Leistungen der Arbeiterkammer.

§ 70 Bemessung des Ruhegenusses

(1) Der Ruhegenuss beträgt für die ersten zehn anrechenbaren Dienstjahre 40 v.H. der Bemessungsgrundlage und erhöht sich für jedes weitere Dienstjahr um 1,82 v.H. bis zum Höchstausmaß von 80 v.H. der Bemessungsgrundlage nach 32 anrechenbaren Dienstjahren

(2) Bemessungsgrundlage im Sinn des Abs 1 ist der zuletzt gebührende Monatsbezug (das ist der Monatsgehalt gemäß Einstufung in das Bezugsschema samt dauernd gewährten Verwendungszulagen, jedoch ohne Kinderzulage  ‑ § 58 Abs 3).

...

§ 70a Berechnung der AK‑Pensionsleistung

Für die Berechnung der AK‑Pensionsleistung sind folgende Einzelberechnungen vorzunehmen:

(1) Es wird die AK‑Pensionsleistung unter Anwendung der §§ 70 und 89 ermittelt.

(2) Parallel zur Pensionsberechnung gemäß Abs 1 ist eine weitere Berechnung nach folgenden Bestimmungen anzustellen:

Für jeden Monat der AK‑Dienstzeit ist eine Bemessungsgrundlage nach § 70 Abs 2 DBPO (alte Regelung Stand 1. 4. 1986) zu ermitteln. Bemessungsgrundlagen aus den dem Jahr des Pensionsantritts vorangegangenen Jahren sind mit den Aufwertungsfaktoren gemäß den §§ 108 Abs 4 und 108 c des ASVG aufzuwerten.

Bei einem Pensionsantritt ab 1. 1. 2020 gilt Folgendes:

Liegen mindestens 216 Monate effektive AK‑Dienstzeit vor, so ist die Grundlage für die Berechnung der AK‑Pensionsleistung die Summe der 216 höchsten Bemessungsgrundlagen, geteilt durch 216 (Durchrechnung).

Bei einem Pensionsantritt

a) nach dem ersten Jahr nach dem gesetzlichen Anfallsalter für die vorzeitige Alterspension tritt an die Stelle der Zahl '216' jeweils die Zahl '209',

b) nach dem zweiten Jahr nach dem gesetzlichen Anfallsalter für die vorzeitige Alterspension tritt an die Stelle der Zahl '216' jeweils die Zahl '202',

c) nach dem dritten Jahr nach dem gesetzlichen Anfallsalter für die vorzeitige Alterspension tritt an die Stelle der Zahl '216' jeweils die Zahl '195',

d) nach dem vierten Jahr nach dem gesetzlichen Anfallsalter für die vorzeitige Alterspension tritt an die Stelle der Zahl '216' jeweils die Zahl '188',

e) nach dem fünften Jahr nach dem gesetzlichen Anfallsalter für die vorzeitige Alterspension tritt an die Stelle der Zahl '216' jeweils die Zahl '180'.

Liegen weniger zu berücksichtigende Monate AK‑Dienstzeit vor, so ist die Grundlage für die Berechnung der AK‑Pensionsleistung die Summe aller Bemessungsgrundlagen, geteilt durch die Anzahl der Monate der AK‑Dienstzeit.

Für die Pensionierungsjahre 2003‑2019 gilt folgende Übergangsregelung:

Anstelle von 216 Monaten gilt bei Pensionsantritt im Jahr 2003 ein Durchrechnungszeitraum im obigen Sinn von 12 Monaten, dieser verlängert sich bei einem Pensionsantritt in einem folgenden Kalenderjahr für jedes Kalenderjahr um weitere 12 Monate. In dem Zeitraum von 2003 bis 2019 gilt bei Pensionsantritt nach dem Anfallsalter der vorzeitigen Alterspension eine Einschleifregelung im Sinne des § 62e Abs 4 Pensionsgesetz 1965 in der Fassung des BGBl I Nr 138/1997.

Aus der so ermittelten Berechnungsgrundlage ist nach § 70 Abs 1 und 2 DBPO und unter Berücksichtigung des § 89 DBPO (jeweils alte Regelung Stand 1. 4. 1986), allerdings ausgehend von einer fiktiven ASVG‑Pension im Sinne des § 89 Abs 1, eine AK‑Pensionsleistung zu errechnen (Pensionswert I).

Für Pensionsantritte in den Jahren 2003 bis 2019 wird der Verlust gegenüber der AK‑Pensionsleistung nach den Bestimmungen der DBPO Stand 1. 4. 1986 (Pensionswert II) im Sinne der Regelung des § 62h Abs 2 bis 5 Pensionsgesetz 1965 idF BGBl I Nr 138/1997 begrenzt. Dabei entspricht dem Begriff Ruhegenuss der Pensionswert I, dem Begriff Vergleichspension der Pensionswert II. Der Pensionswert II wird ebenfalls unter Berücksichtigung einer fiktiven ASVG‑Pension im Sinne des § 89 Abs 1 DBPO ermittelt.

(3) Die gemäß Abs 1 errechnete AK‑Pensionsleistung wird der gemäß Abs 2 ermittelten AK‑Pensionsleistung (Pensionswert I) gegenübergestellt. Der niedrigere Wert kommt zur Auszahlung, wobei sich darauf eine Kürzung von höchstens 18 % gegenüber AK‑Pensionsleistung nach den Bestimmungen der DBPO Stand 1. 3. 1986 (Pensionswert II) ergeben darf.

Mindestens gebührt in jedem Fall jene AK‑Pensionsleistung, die sich aufgrund einer RILAK‑Zuschusspensionsberechnung (RILAK in der Fassung vom 1. 1. 1993) ergeben würde.“

Die Klägerin begehrte die nach ihrer Berechnung offenen monatlichen Pensionsleistungen für den Zeitraum 1. September 2014 bis 1. Juni 2015. Die AK‑Pensionsleistung werde ab 1. September 2014 betragsmäßig in zu geringer Höhe ausbezahlt. Bei der Berechnung der Pensionsleistung sei die Beklagte nicht vom tatsächlichen Letztbezug ausgegangen. Es ergebe sich für den klagsgegenständlichen Zeitraum daher eine monatliche Differenz von 1.474,93 EUR brutto. Eine Durchrechnung komme aufgrund der eindeutigen Regelung in der DBPO nicht in Betracht.

Die Beklagte entgegnete, dass die Klägerin über mehrere Zeiträume nur teilzeitbeschäftigt gewesen sei. Während dieser Zeiträume sei auch das Einkommen der Klägerin aliquot im Verhältnis zur wöchentlichen Normalarbeitszeit reduziert gewesen. Berücksichtige man die Vollzeit‑ und die Teilzeitbeschäftigung, so ergebe sich, dass die Klägerin lediglich eine bei der Beklagten tatsächlich erbrachte Dienstzeit von 70,41 % im Vergleich zur Vollzeitbeschäftigung verbracht habe. Die Bemessungsgrundlage sei um diesen Teilzeitkoeffizienten zu reduzieren gewesen. In Bezug auf eine Teilzeitbeschäftigung weise die DBPO eine Regelungslücke auf, die durch ergänzende Vertragsauslegung zu schließen sei. Außerdem bestehe eine betriebliche Übung dahin, dass am Ende des Dienstverhältnisses die tatsächliche Dienstzeit der Vollbeschäftigung gegenübergestellt und die Pension aliquot berechnet werde.

Das Erstgericht gab dem Klagebegehren statt. Die Regelung in der DBPO sei eindeutig. § 70 DBPO nehme auf § 68 DBPO inhaltlich Bezug. Hinsichtlich der anrechenbaren Dienstzeit sei von Dienstjahren auszugehen. Die Bemessungsgrundlage sei ausschließlich in § 70 Abs 2 DBPO geregelt. Nach dieser Bestimmung sei der zuletzt gebührende Monatsbezug maßgebend. Auf eine betriebliche Übung könne sich die Beklagte nicht berufen, weil eine solche auch im Verhältnis zwischen den konkreten Streitparteien vorliegen müsste. Dies sei aber nicht der Fall.

Das Berufungsgericht bestätigte diese Entscheidung. Teilzeitbeschäftigte dürften wegen ihrer Teilzeitbeschäftigung grundsätzlich nicht schlechter als Vollzeitbeschäftigte behandelt werden. Es sei daher nicht gerechtfertigt, für Teilzeitbeschäftigte eine längere Dienstzeit für das Erreichen von Leistungen vorzusehen als für Vollzeitbeschäftigte. § 70 Abs 2 DBPO definiere die Bemessungsgrundlage für die Berechnung des Ruhegenusses eindeutig mit dem zuletzt gebührenden Monatsbezug. Für eine Differenzierung zwischen Teilzeit‑ und Vollzeitbeschäftigungen bleibe nach dem Wortlaut daher kein Raum. Die „tatsächlich bei der Beklagten verbrachte Dienstzeit“ sei im Gegensatz zu den nicht tatsächlich bei der Beklagten verbrachten, aber trotzdem gemäß § 68 DBPO anrechenbaren Vordienstzeiten zu sehen. Es seien daher die Dienstjahre gemeint. Gegen eine von der Beklagten angenommene Regelungslücke spreche auch § 70a DBPO. Diese Bestimmung sehe einen ansteigenden Durchrechnungszeitraum je nach Pensionsantrittszeitpunkt vor. Damit würden Arbeitnehmer mit längeren Teilbeschäftigungszeiten erfasst, und zwar mit umso größeren Auswirkungen, je später der Pensionsantrittszeitpunkt sei. Dies entspreche der Bestimmung des § 19d Abs 6 AZG und trage dem Umstand Rechnung, dass in Zeiten der Teilzeitbeschäftigung auch geringere Pensionsbeiträge geleistet würden. Durch den von der Beklagten zusätzlich angewandten Teilzeitkoeffizienten würden Zeiträume einer Teilzeitbeschäftigung ein weiteres Mal berücksichtigt. Bei einem Arbeitsvertrag bedeute die stillschweigende Hinnahme einer Verschlechterung grundsätzlich nicht die Zustimmung des Arbeitnehmers. Es liege daher auch keine betriebliche Übung vor. Die ordentliche Revision sei nicht zulässig, weil Auslegungsfragen gemäß §§ 914, 915 ABGB nicht über den Einzelfall hinaus von Bedeutung seien.

Gegen diese Entscheidung richtet sich die außerordentliche Revision der Beklagten, mit der sie eine Abweisung des Klagebegehrens anstrebt.

Mit ihrer ‑ durch den Obersten Gerichtshof freigestellten ‑ Revisionsbeantwortung beantragt die Klägerin, dem Rechtsmittel der Gegenseite den Erfolg zu versagen.

Rechtliche Beurteilung

Entgegen dem ‑ den Obersten Gerichtshof nicht bindenden ‑ Ausspruch des Berufungsgerichts ist die Revision zulässig, weil zur Auslegung der DBPO hinsichtlich der Bemessungsgrundlage für den Ruhegenuss bei Teilzeitbeschäftigung eine Klarstellung des Obersten Gerichtshofs und gleichzeitig eine Korrektur der Rechtsansicht der Vorinstanzen geboten ist. Im Sinn eines Aufhebungsantrags ist die Revision der Beklagten auch berechtigt.

1.1  In der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs wurde bereits ausgesprochen, dass die DBPO der beklagten Arbeiterkammer den Charakter einer Vertragsschablone hat (8 ObA 2312/96z; 9 ObA 49/02z; vgl auch 8 ObA 6/14m). Die Geltung für den einzelnen Arbeitnehmer ergibt sich daraus, dass die DBPO von den Arbeiterkammern, und zwar verpflichtend, als Vertragsschablone den einzelnen Arbeitsverträgen zugrunde gelegt wird (9 ObA 49/02z). Der Grund für die Geltung im Verhältnis zum jeweiligen Arbeitnehmer liegt daher im Einzelvertrag.

1.2  Für die Auslegung einer Vertragsschablone als Inhalt des Einzelvertrags gelangen die §§ 914 f ABGB zur Anwendung (vgl 1 Ob 126/14g). Allgemein sind maßgebliche Auslegungskriterien des § 914 ABGB der Wortsinn in seiner gewöhnlichen Bedeutung und die (übereinstimmende) „Absicht“ der Parteien. Unter der „Absicht der Parteien“ ist der dem Erklärungsgegner erkennbare und von ihm widerspruchslos zur Kenntnis genommene Vertragswille des Erklärenden zu verstehen. Die „Absicht der Parteien“ ist allerdings nur soweit zu beachten, als sie dem Vertragspartner gegenüber bei Vertragsabschluss zum Ausdruck gebracht wurde (2 Ob 212/08b; 8 ObA 62/09i).

2.1  Unstrittig ist, dass auf das Dienstverhältnis der Klägerin die DBPO idF 1998 zur Anwendung gelangt.

Nach § 66 DBPO gilt die Pensionsordnung für Kammerbedienstete, die der Dienst‑ und Bezugsordnung unterstellt sind. Nach § 3 Abs 3 lit b DBPO ist das Dienstverhältnis von Personen, die nur vorübergehend oder stundenweise beschäftigt werden, von der Anwendung der DBPO ausgenommen. Aus § 3 Abs 3 Satz 2 DBPO lässt sich nach dem Wortsinn unter Berücksichtigung des Sachzusammenhangs ableiten, dass auch eine regelmäßige wöchentliche Arbeitszeit im Ausmaß einer bestimmten Stundenanzahl (zB von acht Stunden) unter den Begriff der „stundenweisen Beschäftigung“ fällt. Davon ausgehend erweist sich im Ansatz die Ansicht der Beklagten als zutreffend, dass eine Teilzeitbeschäftigung nach dem Wortlaut nicht in den Anwendungsbereich der DBPO fällt. Dementsprechend beziehen sich die Begriffe „Monatsgehalt“ (§ 58 Abs 2 DBPO) und „Monatsbezüge“ (§ 61 Abs 2 und 4 DBPO) auf ein Dienstverhältnis mit Vollzeitbeschäftigung.

Nach § 70 Abs 2 DBPO ist die Bemessungsgrundlage für den Ruhegenuss der zuletzt gebührende Monatsbezug. Dieser wird als Monatsgehalt gemäß Einstufung in das Bezugsschema (samt dauernd gewährten Verwendungszulagen, jedoch ohne Kinderzulage) definiert. Die Einstufung laut Bezugsschema bezieht sich auf das Monatsgehalt für eine Vollzeitbeschäftigung. Entgegen der Ansicht der Beklagten ist der „zuletzt gebührende Monatsbezug“ im Sinn des § 70 Abs 2 DBPO somit nicht das ‑ im Fall einer Teilzeitbeschäftigung ‑ tatsächlich zuletzt bezogene Entgelt.

2.2  § 70a Abs 2 DBPO sieht eine Parallelrechnung im Sinn einer Durchrechnung zur Ermittlung der Bemessungsgrundlage nach Maßgabe der AK‑Dienstzeit‑Monate vor. Auch diese Durchrechnung bezieht sich nicht etwa auf Zeiten einer Teilzeitbeschäftigung. Vielmehr soll dadurch auf die im Lauf eines Dienstverhältnisses unterschiedliche Höhe der Monatsbezüge (bei Vollzeitbeschäftigung) im Sinn eines Durchschnitts Bedacht genommen werden. Die Parallelrechnung ist somit lediglich als betragsmäßiger Vergleich zur Berechnung des Ruhegenusses nach § 70 Abs 2 DBPO gedacht. Beiden Berechnungsarten liegen nach der Intention der DBPO jeweils die Monatsbezüge für eine Vollzeitbeschäftigung zugrunde. Nur diese sind nach § 70 Abs 2 für die Bemessungsgrundlage und damit auch für die Bemessungsgrundlagen-Vergleichsrechnung nach § 70a Abs 2 DBPO maßgebend.

3.1  Aus der dargestellten Auslegung der relevanten Bestimmungen der DBPO ergibt sich die Vorgangsweise bei Berechnung des Anspruchs auf Ruhegenuss im Fall von Teilbeschäftigungszeiten nicht.

Die Parteien sind sich allerdings einig, dass jedenfalls bei Zusammentreffen von Voll‑ und Teilbeschäftigungszeiten ein Anspruch auf Ruhegenuss auf Basis der DBPO gebührt. Sie gehen somit offenkundig vom Grundsatz der Nichtdiskriminierung von Teilzeitbeschäftigten aus, der in der Richtlinie über Teilzeitarbeit (Richtlinie 97/81/EG in der durch die Richtlinie 98/23/EG geänderten Fassung) auf unionsrechtlicher Ebene normiert wurde.

Da eine einfache Vertragsauslegung zu keinem Ergebnis führt, ist auf eine ergänzende Vertragsauslegung als weitere Auslegungsregel des § 914 ABGB zurückzugreifen. Dabei ist unter Berücksichtigung der übrigen Vertragsbestimmungen, des von den Parteien verfolgten Zwecks sowie unter Heranziehung der Verkehrssitte zu fragen, welche ergänzenden Regelungen vernünftige und redliche Parteien getroffen hätten (RIS‑Justiz RS0017758; 9 ObA 122/11y).

3.2  Wie bereits dargelegt, gehen die Parteien offenkundig vom Grundsatz der Nichtdiskriminierung aus. In diesem Sinn ist vernünftigen Parteien der hypothetische Wille zu unterstellen, dass sie auf die einschlägigen rechtlichen Rahmenbedingungen Bedacht nehmen wollen. Dies gilt in besonderer Weise für anwendbare unionsrechtliche Grundsätze.

Aufgrund des Gebots der Nichtdiskriminierung von Teilzeitbeschäftigten nach § 4 der Richtlinie über Teilzeitarbeit dürfen Teilzeitbeschäftigte in ihren Beschäftigungsbedingungen nur deswegen, weil sie teilzeitbeschäftigt sind, gegenüber vergleichbaren Vollzeitbeschäftigten nicht schlechter behandelt werden, es sei denn, die unterschiedliche Behandlung ist aus sachlichen Gründen gerechtfertigt. In dieser Hinsicht gilt, wo dies angemessen ist, der Pro‑rata‑temporis‑Grundsatz. Der Europäische Gerichtshof hat auch bei der Betriebspension am Pro‑rata‑temporis‑Grundsatz festgehalten. Demnach steht das Unionsrecht einer zeitanteiligen Berechnung des Ruhegehalts bei Teilzeitbeschäftigung nicht entgegen (EuGH C‑537/07, Gomez , Rn 59). Dazu führte der Europäische Gerichtshof aus, dass die Höhe der Versorgung unmittelbar vom Umfang der geleisteten Arbeit und den entsprechenden Beiträgen abhänge. Die Berücksichtigung des Umfangs der von einem Teilzeitbeschäftigten während seines Berufslebens tatsächlich geleisteten Arbeit im Vergleich zum Umfang der Arbeitsleistungen eines Beschäftigten, der während seines gesamten Berufslebens in Vollzeit gearbeitet habe, stelle ein objektives Kriterium dar, das eine proportionale Kürzung der Altersversorgung des Teilzeitbeschäftigten zulasse (EuGH C‑395/08, Bruno , Rn 65).

Der Pro‑rata‑temporis‑Grundsatz besagt, dass eine Leistung des Arbeitgebers für eine Person in Teilzeitbeschäftigung nach dem Ausmaß der Arbeitszeit berechnet wird (EuGH C‑395/08, Bruno , Rn 65).

3.3  Unter Zugrundelegung der Regelungen der DBPO ist Anknüpfungspunkt für die Berücksichtigung des Ausmaßes der Arbeitszeit die Bemessungsgrundlage nach § 70 Abs 2 und § 70a Abs 2 DBPO. Dies führt zum Ergebnis, dass dann, wenn für die Berechnung des Ruhegenusses ein bestimmter Zeitraum und damit mehrere Monatsbezüge zu berücksichtigen sind, grundsätzlich auch Monate mit Teilzeitentgelt einzubeziehen sind. Konkret bedeutet dies Folgendes: Liegen nach § 70a Abs 2 DBPO nicht 216 Vollzeitbeschäftigungs‑Monate vor, so sind die dafür fehlenden Monate mit Teilzeitbeschäftigungs‑Monaten (jeweils nach der höchsten Bemessungsgrundlage) aufzufüllen. Daraus folgt, dass Teilzeitbeschäftigungs‑Monate und damit eine Teilzeitbeschäftigung nach Maßgabe der DBPO nur im Rahmen der Parallelrechnung nach § 70a Abs 2 DBPO Berücksichtigung finden.

3.4  Bei Zusammentreffen von Voll‑ und Teilbeschäftigungszeiten stellt sich dann kein Problem, wenn sich der Pensionsantritt an eine Vollbeschäftigungszeit anschließt. Die Bemessungsgrundlage bestimmt sich entsprechend der Anordnung in § 70 Abs 2 DBPO (Normalrechnung) nach dem zuletzt gebührenden Monatsbezug für die Vollzeitbeschäftigung.

Anderes gilt, wenn sich der Pensionsantritt an eine Teilzeitbeschäftigung anschließt. In diesem Fall würde sich die Bemessungsgrundlage nach dem Wortlaut des § 70 Abs 2 DBPO nach dem letzten Teilzeitentgelt bemessen. Die Vollbeschäftigungszeiten blieben zur Gänze unberücksichtigt. Dieses Ergebnis widerspricht dem Grundsatz der Nichtdiskriminierung von Teilzeitbeschäftigten und dem Auslegungsergebnis, dass Teilbeschäftigungszeiten nach der DBPO nur im Rahmen der Parallelrechnung nach § 70a Abs 2 DBPO, nicht aber für die Normalrechnung nach § 70 Abs 2 DBPO eine Rolle spielen. Um diesen Vorgaben zu entsprechen, ist daher dann, wenn der Anspruch auf Ruhegenuss im Anschluss an eine Teilzeitbeschäftigung entsteht, fiktiv vom letzten Monatsbezug für eine Vollzeitbeschäftigung auszugehen. Dazu ist darauf hinzuweisen, dass auch das Berechnungsmodell der Beklagten (Teilzeitkoeffizient nach § 70 Abs 2 DBPO) vom Letztbezug auf Basis einer fiktiven Vollzeitbeschäftigung ausgeht und davon einen bestimmten Prozentsatz als Bemessungsgrundlage heranzieht.

3.5 Die dargestellten unionsrechtlichen Regelungen zum Grundsatz der Nichtdiskriminierung von Teilzeitbeschäftigten haben in § 19d AZG Niederschlag gefunden. Die Beklagte anerkennt dazu selbst, dass Vertragslücken primär durch die Anwendung des dispositiven Rechts zu füllen sind. Ihrer Ansicht, dies gelte hier nicht, weil die gesetzlichen Regelungen für den konkreten Fall ausnahmsweise nicht sachgerecht wären, zumal der wirtschaftlich gravierendste Teilaspekt einer Teilzeitbeschäftigung über einen langen Zeitraum zwischen zwei Vollzeitbeschäftigungen nicht gelöst würde, kann nicht gefolgt werden. Genau dieser Aspekt soll durch die Parallelrechnung abgefangen werden. Das von der Beklagten angewandte Berechnungsmodell des Teilzeitkoeffizienten stellt einen Versuch zur Berücksichtigung von Teilbeschäftigungszeiten bei Ermittlung der Bemessungsgrundlage für den Ruhegenuss dar. In der DBPO sowie in den im Rahmen der Auslegung zugrunde zu legenden unionsrechtlichen Normen findet dieses Modell jedoch keine Deckung.

Die Beklagte nimmt in der außerordentlichen Revision auch selbst auf den Pro‑rata‑temporis‑Grundsatz Bezug. Dazu führt sie aus, dass eine Vertragslücke nicht unter Hinweis auf § 19d Abs 6 AZG argumentiert werden könne. Diese Bestimmung sei erst mit 1. Jänner 2008 in Kraft getreten und könne daher nicht zur Interpretation der Vertragsschablone herangezogen werden. Die Beklagte übersieht dabei, dass der unionsrechtliche Grundsatz der Nichtdiskriminierung von Teilzeitbeschäftigten im Jahr 1998 normiert wurde. Auch die hier anzuwendende Fassung der DBPO stammt aus diesem Jahr. Der in Rede stehende Pro‑rata‑temporis‑Grundsatz gehörte somit bereits zum Rechtsbestand der Europäischen Union.

4. Auch auf eine betriebliche Übung kann sich die Beklagte hinsichtlich ihres Berechnungsmodells nicht berufen.

Wenn der Dienstgeber durch regelmäßige, vorbehaltlose Gewährung bestimmter Leistungen an die Gesamtheit seiner Dienstnehmer eine betriebliche Übung begründet, die seinen Willen, sich diesbezüglich auch für die Zukunft zu verpflichten, unzweideutig zum Ausdruck bringt, wird diese Übung zum Inhalt der einzelnen Dienstverträge. Entscheidend ist dabei, welchen Eindruck die Belegschaft vom schlüssigen Verhalten des Dienstgebers haben musste und was die Dienstnehmer bei sorgfältiger Überlegung dem Erklärungsverhalten des Dienstgebers entnehmen konnten (RIS‑Justiz RS0014543; RS0014539). Wesentlich bei einer Betriebsübung ist auch der generelle Charakter (9 ObA 24/02y).

Eine betriebliche Übung setzt im gegebenen Zusammenhang voraus, dass der Dienstgeber der Belegschaft eine freiwillige bzw zusätzliche Leistung gewährt und dadurch einen zusätzlichen Anspruch schafft. Wenn aber ‑ wie hier ‑ der Dienstgeber nur die vertraglich zustehenden Ansprüche zuerkennen will und in dieser Hinsicht von einer bestimmten Berechnungsmethode ausgeht, die für einen Teil der Belegschaft sogar nachteilige Auswirkungen hat, kann sich der Dienstgeber nicht auf eine betriebliche Übung berufen.

5. Zusammenfassend ergibt sich somit, dass beide Parteien von Berechnungsmodellen ausgegangen sind, die nicht der DBPO entsprechen. Da für die Berechnung der Pensionsleistung der Klägerin nach dem nunmehr geklärten Modell die Grundlagen fehlen, waren die Entscheidungen der Vorinstanzen in Stattgebung der Revision aufzuheben.

Im fortgesetzten Verfahren wird insbesondere die Parallelrechnung nach § 70a Abs 2 DBPO mit den Parteien zu erörtern sein. In der Folge wird der Klägerin Gelegenheit zu geben sein, ihre Ansprüche allenfalls neu zu berechnen.

Der Kostenvorbehalt beruht auf § 52 Abs 1 ZPO iVm § 2 Abs 1 ASGG.

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