OGH 8ObA2312/96z

OGH8ObA2312/96z28.11.1996

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Huber als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Petrag und Dr.Adamovic sowie die fachkundigen Laienrichter Dipl.Ing.Dr.Hans Peter Bobek und Werner Fendrich als weitere Richter in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei Dr.Gertrud B*****, Kammerangestellte, ***** vertreten durch Dr.Othmar Pfeifer und Dr.Günther Keckeis, Rechtsanwälte in Feldkirch, wider die beklagte Partei Kammer für Arbeiter und Angestellte für Vorarlberg, Feldkirch, Wiednau 4, vertreten durch Dr.Gerold Hirn und Dr.Burkhard Hirn, Rechtsanwälte in Feldkirch, wegen S 1.734,-- sA, infolge Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Innsbruck als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 20.August 1996, GZ 15 Ra 119/96d-13, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Landesgerichtes Feldkirch als Arbeits- und Sozialgericht vom 24.April 1996, GZ 33 Cga 22/96h-10, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die beklagte Partei ist schuldig, der Klägerin die mit S 1.791,36 bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (darin S 298,56 USt) binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Rechtliche Beurteilung

Das Berufungsgericht hat zutreffend ausgeführt, daß die Vergütung der Kosten der Bahnfahrt erster Klasse durch die beklagte Partei im Wissen, die Klägerin habe tatsächlich die zweite Klasse benützt, als eine über den Ersatz des tatsächlichen Aufwandes hinausgehende Zahlung zu werten ist, die Entgeltcharakter hat und daß durch wiederholte, vorbehaltlose Gewährung solchen zusätzlichen Entgelts der Einzelarbeitsvertrag ergänzt wird (§ 48 ASGG).

Den Revisionsausführungen ist entgegenzuhalten:

1. Der Weisung der beklagten Partei vom 24.2.1989 über den Ersatz von Reiseaufwendungen ("Information intern 215") kann ein Widerrufsvorbehalt nicht entnommen werden. Die Dienst-, Bezugs- und Pensions-Ordnung der beklagten Arbeiterkammer hat den Charakter einer Vertragsschablone (SZ 61/106 = DRdA 1990/22, 269 [Öhlinger] = Arb

10.740 zum Pensionsbeitrag; SZ 63/227 = ZAS 1991/20, 201 [Sladecek] zur Witwenpension). Aus dieser, insbesondere aber aus der die Ermächtigungsgrundlage für die Spesenvergütung darstellenden Bestimmung des § 65 Abs 1 DBPO kann ein allgemeines, jeder Weisung innewohnendes Widerrufsrecht ebenfalls nicht abgeleitet werden. Lediglich durch eine eine frühere normative Regelung ablösende jüngere normative Regelung kann allenfalls eine Verschlechterung der Rechte der Arbeitnehmer ohne ihre Zustimmung erfolgen, nicht aber durch eine vertragliche Regelung oder bei einer Vertragsergänzung durch eine Betriebsübung ohne Widerrufsvorbehalt.

2. Geht eine Vergütung (im Fall der Entscheidung Arb 9838 = SozM II b

1119 = DRdA 1980/20, 390 [Cermak] Außendienstzulage im Zusammenhang

mit einer Versetzung) über einen reinen Spesenersatz hinaus, dann

gewinnt der ersparte Betrag den Charakter eines echten Entgelts

(ähnlich zum Organisationspauschale bei einer Dienstfreistellung DRdA

1993, 397 = ecolex 1993, 846 = infas 1993 A 81 = WBl 1993, 223; 9 Ob

A 171-173/94 zur Aufteilung von "Diäten" in echtes Entgelt und

Spesenanteil). Dies hat folgerichtig auch für die Vergütung von

Fahrtauslagen über das Ausmaß der tatsächlichen, dem Arbeitgeber

nachgewiesenen Auslagen hinaus zu gelten. In der Dienstanweisung

"Information intern 215" wird unter Hinweis auf die unterschiedlichen

Auswirkungen für den Lohnsteuer-Abzug sogar ausdrücklich - und ohne

jeden Widerrufsvorbehalt - auf den Fall der Verrechnung höherer, als

der nachgewiesenen Fahrtauslagen hingewiesen. Der Entgeltcharakter

kann auch nicht von der beklagten Partei dadurch in Frage gestellt

und der unterlassene Widerrufsvorbehalt nicht dadurch nachgeholt

werden, daß diese Verrechnungsweise als "großzüge Handhabung des

Aufwandersatzes" bzw als formale Arbeitsbedingung dargestellt wird.

Durch die willentliche Überpauschalierung dh Vergütung über den tatsächlich nachgewiesenen Aufwand hinaus, enthält die Zahlung neben dem Aufwandersatzanteil einen zusätzlichen Entgeltanteil (im Sinne

des weiten Entgeltbegriffes im Arbeitsrecht: SZ 50/46 = Arb 9573 =

JBl 1979, 215; Arb 9430 = ZAS 1977/19, 140). Eine einseitige Änderung

des schlüssig ergänzten Arbeitsvertrages verstößt gegen den Grundsatz der Vertragstreue; das fehlende Korrektiv kann allenfalls durch eine Änderungskündigung, nicht aber durch einen rechtswidrigen Widerruf der Vorgangsweise, die zur schlüssigen Vertragsergänzung führte, erfolgen.

Die Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens gründet sich auf die §§ 41, 50 ZPO.

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