OGH 8ObA14/16s

OGH8ObA14/16s29.3.2016

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits‑ und Sozialrechtssachen durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofs Prof. Dr. Spenling als Vorsitzenden, die Hofrätin Dr. Tarmann‑Prentner und den Hofrat Dr. Brenn sowie die fachkundigen Laienrichter Dr. Reinhold Hohengartner und Robert Hauser als weitere Richter in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei H***** C*****, vertreten durch die Dr. Reinhard Tögl Rechtsanwaltsgesellschaft mbH in Graz, gegen die beklagte Partei Land Steiermark, *****, vertreten durch Mag. Bernd Wurnig, Rechtsanwalt in Graz, wegen Feststellung, über die außerordentliche Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Graz als Berufungsgericht in Arbeits‑ und Sozialrechtssachen vom 14. Jänner 2016, GZ 7 Ra 60/15w‑42, den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2016:008OBA00014.16S.0329.000

 

Spruch:

Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen (§ 510 Abs 3 ZPO iVm § 2 Abs 1 ASGG).

Begründung

Rechtliche Beurteilung

1. Die geltend gemachte Aktenwidrigkeit liegt ‑ wie der Oberste Gerichtshof geprüft hat ‑ nicht vor.

Das Berufungsgericht hat in Behandlung der Beweisrüge des Klägers wiederholt darauf hingewiesen, dass laut Aussage der Zeugin P***** im Strafverfahren der (Faust‑)Schlag gegen die Stirn des Patienten V***** im Jahr 2008, möglicherweise auch 2009, gewesen sein müsse. Zudem habe sie angegeben, dass dieser Vorfall „vielleicht in der Mitte ihrer Tätigkeit (von 2006 bis 2010) auf der Station 3F“ stattgefunden habe. Davon ausgehend hatte das Berufungsgericht gegen die Feststellung, dass der hier in Rede stehende Vorfall etwa um das Jahr 2008 herum stattgefunden habe, keine Bedenken.

Die vom Kläger in der außerordentlichen Revision wiederholten Argumente betreffen in Wirklichkeit die Beweiswürdigung der Tatsacheninstanzen, die in dritter Instanz nicht mehr angegriffen werden kann (RIS‑Justiz RS0043371).

2. Mit der Frage der Verfristung des Ausspruchs der Kündigung (hier aufgrund der Bindung an Kündigungsgründe in § 130 Abs 1 Stmk L‑DBR) haben sich die Vorinstanzen ausführlich auseinandergesetzt und diese verneint. Die Beklagte habe von den Vorwürfen gegen den Kläger erst durch Einsichtnahme in die Protokolle der Kriminalpolizei am 7. 10. 2010 erfahren.

Dass bei zeitlicher Anknüpfung der Beurteilung an die Einbringung der Strafanzeige am 15. 9. 2010 mit Rücksicht auf die Suspendierung des Klägers ab 27. 9. 2010 (vgl RIS‑Justiz RS0028987) sowie auf das gegen ihn geführte Strafverfahren (vgl RIS‑Justiz RS0029309) die Kündigung vom 30. 5. 2012 nicht verfristet war, bestreitet der Kläger nicht. Ebenfalls bleibt in der außerordentlichen Revision unbestritten, dass das festgestellte Verhalten gegenüber den wehrlosen Patienten, das in Misshandlungen in der Zufügung seelischer Qualen und in Beschimpfungen bestanden hat, die von den Vorinstanzen herangezogenen Kündigungsgründe verwirklicht. In seiner Argumentation stützt sich der Kläger aber darauf, dass die Vorfälle im Wesentlichen schon in den Jahren 2004 bis 2006 stattgefunden hätten. Der „Vorfall um das Jahr 2008“ sei im Kündigungsschreiben nicht enthalten gewesen.

3.1 Allgemein ist in der Rechtsprechung anerkannt, dass bei Vorliegen eines vorerst undurchsichtigen, zweifelhaften Sachverhalts vor allem im Zusammenhang mit einem Strafverfahren dem Dienstgeber das Recht zugebilligt werden muss, bis zur einwandfreien Klarstellung aller wesentlichen Tatumstände in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht durch die dafür zuständige Behörde mit der Entlassung zuzuwarten (vgl RIS‑Justiz RS0029297).

Diese Voraussetzungen waren hier ‑ nicht zuletzt aufgrund der leugnenden Verantwortung des Klägers gegenüber dem Dienstgeber ‑ gegeben. Darüber hinaus ist maßgebend, dass es für den Kündigungsgrund des § 130 Abs 2 Z 6 Stmk L‑DBR (Beeinträchtigung des Ansehens oder der Interessen des Dienstgebers) vor allem auf die Außenwirkung des inkriminierten Verhaltens ankommt (vgl 9 ObA 75/12p). Im Anlassfall wurde diese Außenwirkung erst durch die mediale Berichterstattung (am 26. 9. 2010) im Anschluss an die Strafanzeige herbeigeführt. Nach den Feststellungen gab es in den Medien massive Vorwürfe, wonach Bewohner des in Rede stehenden Landespflegewohnheims von Mitarbeitern misshandelt und gequält worden seien.

3.2 Ausgehend von diesen Grundsätzen ist die von den Umständen des Einzelfalls geprägte Beurteilung der Vorinstanzen (vgl RIS‑Justiz RS0031571), dass die Kündigung des Klägers nicht verspätet erfolgt sei (vgl 8 ObA 4/15v), und der Kläger nicht berechtigt davon hätte ausgehen dürfen, dass der Dienstgeber auf die Geltendmachung (hier) des Kündigungsrechts verzichtet habe (vgl RIS‑Justiz RS0029249; 8 ObA 96/03f), nicht korrekturbedürftig.

4. Richtig ist, dass nach § 130 Abs 1 Stmk L‑DBR der Dienstgeber ein Dienstverhältnis, das ununterbrochen ein Jahr gedauert hat, nur schriftlich und mit Angabe des Grundes kündigen kann (vgl RIS‑Justiz RS0082181; 9 ObA 158/14x). Der Frage, ob der Vorfall mit dem Patienten V***** „etwa um das Jahr 2008“ im Kündigungsschreiben angeführt war oder nicht, kommt allerdings keine Bedeutung zu, weil es für die Beurteilung der Rechtzeitigkeit des Ausspruchs der Kündigung nicht auf diesen Vorfall ankommt.

5. Insgesamt gelingt es dem Kläger nicht, mit seinen Ausführungen eine erhebliche Rechtsfrage aufzuzeigen. Die außerordentliche Revision war daher zurückzuweisen.

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