OGH 12Os142/15x

OGH12Os142/15x3.3.2016

Der Oberste Gerichtshof hat am 3. März 2016 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Hon.‑Prof. Dr. Schroll als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte und die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. T. Solé, Dr. Oshidari, Dr. Michel‑Kwapinski und Dr. Brenner in Gegenwart des Richteramtsanwärters Mag. Kühlmayer als Schriftführer in der Strafsache gegen Naim A***** wegen der Verbrechen des Suchtgifthandels nach § 12 zweiter Fall StGB, § 28a Abs 1 zweiter und dritter Fall, Abs 2 Z 2, Abs 4 Z 3 SMG, § 15 Abs 1 StGB und weiterer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten sowie über die Berufung der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Wien als Schöffengericht vom 4. August 2015, GZ 61 Hv 17/15p‑303, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2016:0120OS00142.15X.0303.000

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufungen werden die Akten dem Oberlandesgericht Wien zugeleitet.

Dem Angeklagten fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Gründe:

Mit dem angefochtenen ‑ auch unbekämpft gebliebene Freisprüche enthaltenden ‑ Urteil wurde Naim A***** des Vergehens des unerlaubten Umgangs mit Suchtgiften nach § 27 Abs 1 Z 1 achter Fall, Abs 3 und Abs 4 Z 2 SMG (A./I./), der Verbrechen des Suchtgifthandels nach § 12 zweiter Fall StGB, § 28a Abs 1 zweiter und dritter Fall, Abs 2 Z 2, Abs 4 Z 3 SMG, § 15 Abs 1 StGB (A./II./1./ und 2./), des Verbrechens der Vorbereitung von Suchtgifthandel nach §§ 12 zweiter Fall StGB, 28 Abs 1 zweiter und dritter Fall, Abs 2 und Abs 3 SMG (A./II./3./), der Verbrechen des Suchtgifthandels nach § 28a Abs 1 vierter Fall, Abs 2 Z 2 SMG (A./III./), des Vergehens des unerlaubten Umgangs mit Suchtgiften nach § 27 Abs 1 Z 1 erster und zweiter Fall, Abs 2 SMG (B./) und des Vergehens der Annahme, Weitergabe oder des Besitzes falscher oder verfälschter besonders geschützter Urkunden nach § 224a StGB (C./) schuldig erkannt.

Danach hat er ‑ soweit für eine Entscheidung über die Nichtigkeitsbeschwerde von Relevanz ‑ in W***** und anderen Orten

A./ als Mitglied einer kriminellen Vereinigung, die zumindest aus den im Urteil namentlich angeführten fünf Personen besteht,

I./ vorschriftswidrig Suchtgift in einer die Grenzmenge (§ 28b SMG) nicht übersteigenden Menge gewerbsmäßig anderen überlassen, und zwar

1./ Seckin Y***** zwischen Jänner 2014 und 27. März 2014 in wiederholten Angriffen eine nicht mehr feststellbare Menge Heroin mit einem Reinheitsgehalt von zumindest 13,3 % Heroin, 0,1 % Monoacetylmorphin und 0,9 % Acetylcodein, indem er diesem das Suchtgift zur Verteilung an die für die kriminelle Vereinigung tätigen Straßenverkäufer übergab;

2./ …

II./ im bewussten und gewollten Zusammenwirken mit Enis K***** als Mittäter (§ 12 StGB) im März 2014 Bülent Ka***** dazu bestimmt, vorschriftswidrig 375,4 Gramm „netto“ Heroin mit einem Reinheitsgehalt von 29,12 % Heroin, 1,9 % Monoacetylmorphin und 2,11 % Acetylcodein, somit 109,31 Gramm Reinsubstanz Heroin, 7,13 Gramm Reinsubstanz Monoacetylmorphin und 7,9 Gramm Reinsubstanz Acetylcodein (39‑fache Grenzmenge), also Suchtgift in einer die Grenzmenge (§ 28b SMG) „um das 15‑fache und 25‑fache“ übersteigenden Menge,

1./ aus den Niederlanden aus‑ und über Deutschland nach Österreich einzuführen, indem sie diesen zu einem nicht mehr exakt festzustellenden Zeitpunkt kurz vor dem 6. März 2014 beauftragten, Heroin und Kokain in den Niederlanden anzukaufen und ihm dafür Geld übergaben, übergeben und überweisen ließen, woraufhin Bülent Ka***** etwa Mitte März 2014 das oben angeführte Suchtgift in den Niederlanden ankaufte und über Deutschland nach Österreich transportierte;

2./ aus Österreich aus‑ und über Deutschland in die Niederlande einzuführen, indem sie diesen zu einem nicht mehr exakt festzustellenden Zeitpunkt Ende März 2014 beauftragten, das Heroin in die Niederlande zurück zu transportieren, woraufhin Bülent Ka***** am 28. März 2014 mit dem Suchtgift aus Österreich nach Deutschland zu reisen versuchte, wobei er jedoch betreten wurde;

3./ mit dem Vorsatz zu besitzen sowie von der österreichischen Staatsgrenze bis nach W***** und von W***** bis zur österreichischen Staatsgrenze zu befördern, dass dieses in Verkehr gesetzt werde, indem sie diesen beauftragen, das Suchtgift zunächst von den Niederlanden nach W***** und sodann von W***** zurück in die Niederlande zu befördern, woraufhin Bülent Ka***** im März 2014 mit dem Suchgift zunächst von den Niederlanden nach Österreich reiste und sodann am 27./28. März 2014 nach Deutschland zu reisen versuchte;

III./ Bekir Kar***** vorschriftswidrig Suchtgift in einer die Grenzmenge (§ 28b SMG) übersteigenden Menge, nämlich 500 Gramm Kokain mit einem Reinheitsgehalt von zumindest 20 % Cocain am 26. März 2014 angeboten, indem er diesem mitteilte, dass er nach dem Verkauf von 60 Gramm Kokain von ihm ein halbes Kilo Kokain auf Kommission für den Weiterverkauf erhalten werde;

B./ am 28. März 2014 vorschriftswidrig Suchtgift, nämlich Marihuana, zum ausschließlich persönlichen Gebrauch erworben und besessen, indem er 0,95 Gramm Marihuana mit den Wirkstoffen Delta‑9‑THC und THCA ankaufte und mit sich führte;

C./ …

Rechtliche Beurteilung

Dagegen richtet sich die auf § 281 Abs 1 Z 5 und Z 9 lit a StPO gestützte Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten.

In seiner die Schuldsprüche A./I./1./, A./II./ und A./III./ betreffenden Mängelrüge reklamiert der Beschwerdeführer Unvollständigkeit (Z 5 zweiter Fall), weil das Gericht im Rechtsmittel konkret angeführte Ergebnisse der Telefonüberwachung, nämlich ON 95, 101, 102 unerörtert gelassen habe, bekämpft damit aber im Ergebnis in unzulässiger Weise mit spekulativen und eigenständigen Beweiswerterwägungen zu einzelnen isoliert herausgegriffenen Telefonprotokollen die Beweiswürdigung des Erstgerichts, das sich ohnedies vielfach auf die durchgeführte Telefonüberwachung bezogen hat (US 21 ff), dem Gebot zu gedrängter Darstellung auch in den Entscheidungsgründen folgend jedoch nicht verhalten war, die Protokolle im Einzelnen zu erörtern und darauf zu untersuchen, wie weit sie für oder gegen diese oder jene Geschehensvariante sprechen (Ratz, WK‑StPO § 281 Rz 428). Im Übrigen lässt der Beschwerdeführer hinsichtlich der von ihm angeführten Telefonprotokolle deren Relevanz für die Entscheidung über Schuld‑ oder Freispruch bzw die rechtliche Kategorie unbeantwortet, stehen diese und die von der Rüge vor allem angesprochene mangelnde Kontaktaufnahme zwischen dem Angeklagten und Seckin Y***** den getroffenen Feststellungen doch nicht entgegen. Schließlich haben die Tatrichter ohnedies berücksichtigt, dass zum Nichtigkeitswerber nur verhältnismäßig wenige Telefonate aufgezeichnet wurden (US 25).

Welche konkrete Position Henefi A***** in der kriminellen Vereinigung inne hat (vgl US 7), ist für die Entscheidung über die Täterschaft des Beschwerdeführers nicht entscheidend.

Dass der Zeuge Bekir Kar*****, auf dessen Aussagen sich das Gericht stützte, den Beschwerdeführer nicht zu allen Fakten aus eigener Wahrnehmung belastete, sondern seine Informationen auch aus anderen Quellen schöpfte, hat das Gericht ohnedies nicht unerwähnt gelassen und in seinen Erwägungen berücksichtigt (vgl US 13, 23), sodass sich die Rüge in Beweiswürdigungskritik erschöpft.

Die Behauptung, das Gericht habe das Telefonüberwachungsprotokoll ON 96 S 9 unerwähnt gelassen, ist urteilswidrig (vgl US 24 letzter Absatz).

Die den Schuldspruch B./ betreffende Mängelrüge übersieht, dass es sich beim Tatzeitpunkt bei ‑ vorliegender ‑ ausreichender Individualisierung um keine entscheidende Tatsache handelt (RIS‑Justiz RS0098557).

Mit den Schuldspruch II./ betreffenden beweiswürdigenden Erwägungen, unter welchen Prämissen der Beschwerdeführer wie gehandelt hätte, zeigt die einen Widerspruch reklamierende Mängelrüge (Z 5 dritter Fall) keine sich ausschließenden Urteilsannahmen auf, zumal das Motiv für das Zurückschicken des Suchtgifts nach Holland nicht entscheidend ist (RIS‑Justiz RS0117499 [T2]) und dessen Qualität objektiviert werden konnte (US 26 oben).

Die den Schuldspruch III./ betreffende Rechtsrüge (Z 9 lit a) vermisst für die Annahme des Tatbestands des Anbietens von Suchtgift Feststellungen zum ‑ als notwendigen Mindestbestandteil bezeichneten -Preis, leitet jedoch nicht methodengerecht aus dem Gesetz ab, weshalb ‑ wenn auch ein Preis noch nicht festgelegt worden sein sollte ‑ das Anbieten einer konkreten Menge eines bestimmten Suchtmittels „auf Kommission … für den Weiterverkauf“ (US 8) im Rahmen einer kriminellen Vereinigung auch bereits die Determinierung eines bestimmten Preises erfordern sollte, handelt es sich im vorliegenden Fall doch nicht (wie zu 15 Os 5/10i und 13 Os 102/12t) um ein Verkaufsanbot (vgl auch Apathy in Jabornegg/Artmann, UGB2 § 383 Rz 9).

Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher in weitgehender Übereinstimmung mit der Stellungnahme der Generalprokuratur, jedoch entgegen der hiezu erstatteten Äußerung der Verteidigung bereits bei nichtöffentlicher Beratung sofort zurückzuweisen (§ 285d Abs 1 StPO), woraus die Zuständigkeit des Oberlandesgerichts zur Entscheidung über die Berufungen folgt (§ 285i StPO).

Die Kostenentscheidung beruht auf § 390a Abs 1 StPO.

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