OGH 13Os102/12t

OGH13Os102/12t22.11.2012

Der Oberste Gerichtshof hat am 22. November 2012 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Hon.-Prof. Dr. Kirchbacher als Vorsitzenden, den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. Lässig, die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Mag. Marek sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Nordmeyer und Dr. Oshidari in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Krausam als Schriftführerin in der Strafsache gegen Stefan H***** wegen des Verbrechens des Suchtgifthandels nach § 28a Abs 1 vierter Fall, Abs 2 Z 1 SMG und anderer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Graz als Schöffengericht vom 27. Juni 2012, GZ 11 Hv 54/12w-72, sowie die Beschwerde des Angeklagten gegen den unter einem gefassten Beschluss auf Widerruf einer bedingten Strafnachsicht nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

In Stattgebung der Nichtigkeitsbeschwerde und aus deren Anlass werden das angefochtene Urteil sowie demzufolge auch der unter einem gefasste Beschluss auf Widerruf einer bedingten Strafnachsicht aufgehoben und die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Landesgericht für Strafsachen Graz verwiesen.

Mit seiner Berufung und seiner Beschwerde wird der Angeklagte auf diese Entscheidung verwiesen.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde Stefan H***** des Verbrechens des Suchtgifthandels nach § 28a Abs 1 vierter Fall, Abs 2 Z 1 SMG (I) sowie jeweils mehrerer Vergehen des unerlaubten Umgangs mit Suchtgiften nach § 27 Abs 1 Z 1 achter Fall, Abs 3 SMG (II) und nach § 27 Abs 1 Z 1 erster und zweiter Fall SMG (III) schuldig erkannt.

Danach hat er in G***** vorschriftswidrig

I) vom 11. April 2011 bis zum 6. Oktober 2011 gewerbsmäßig 100 Gramm Kokain einer verdeckten Ermittlerin des Bundeskriminalamtes zum Kauf angeboten, wobei er schon einmal wegen einer Straftat nach § 28a Abs 1 SMG verurteilt worden war,

II) seit Februar 2011 gewerbsmäßig (vgl US 6) wiederholt Kokain und einmal Mephedron anderen überlassen sowie

III) vom Februar 2011 bis zum 17. Jänner 2012 wiederholt Kokain, Speed, Mephedron und Cannabis erworben und besessen.

Rechtliche Beurteilung

Die dagegen aus Z 9 (zu ergänzen) lit a, 10 und 11 des § 281 Abs 1 StPO erhobene Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten ist im Recht.

Die Rechtsrüge (Z 9 lit a) weist zutreffend darauf in, dass die tatrichterlichen Feststellungen den Schuldspruch nach § 28a Abs 1 vierter Fall SMG (I) nicht tragen. Unter „Anbieten“ im Sinn dieses Tatbestands ist nämlich eine Willenserklärung zu verstehen, die inhaltlich ausreichend bestimmt sein, also die wesentlichen Punkte der abzuschließenden Vereinbarung enthalten, und einen endgültigen Bindungswillen des Offerenten zum Ausdruck bringen muss (RIS-Justiz RS0125860). In Bezug auf einen - nach den Urteilskonstatierungen hier intendierten - Kaufvertrag bedeutet dies, dass die Willenserklärung des Anbietenden jedenfalls die zu überlassende Sache und den Kaufpreis zu umfassen hat (§§ 1053 erster Satz, 1054 zweiter Satz ABGB), was den Urteilsfeststellungen in Bezug auf Letzteren aber nicht zu entnehmen ist.

Entgegen der Meinung der Generalprokuratur vermag die im Rahmen der Beweiswürdigung geäußerte Ansicht, dass aufgrund von Proben, die der Beschwerdeführer nach den Urteilsannahmen der verdeckten Ermittlerin zu einem Grammpreis von 80 bis 100 Euro überlassen hatte, auf einen „noch geringeren Preis bei Abnahme einer größeren Menge zwanglos geschlossen werden konnte“ (US 11), konkrete Feststellungen zur - im dargelegten Sinn - erforderlichen (allenfalls im Wege der Auslegung zu ermittelnden [Apathy in KBB³, § 1054 Rz 4]) Willensausrichtung des Beschwerdeführers nicht zu ersetzen.

Der Vollständigkeit halber sei festgehalten, dass auch der Einwand der Subsumtionsrüge (Z 10), wonach die tatrichterlichen Konstatierungen die Subsumtion nach der Qualifikationsnorm des § 28a Abs 2 Z 1 SMG (im Übrigen ebenso wie jene nach der Bestimmung des § 27 Abs 3 SMG [II]) nicht tragen, im Ergebnis zutrifft. Die angefochtene Entscheidung enthält nämlich keine Feststellungen zur zeitlichen Komponente der Intention des Beschwerdeführers, sich durch wiederkehrende Delinquenz eine fortlaufende Einnahme zu verschaffen, (dazu eingehend Jerabek in WK² § 70 Rz 7) und stellt solcherart den unter dem Aspekt rechtsrichtiger Subsumtion gebotenen Sachverhaltsbezug (RIS-Justiz RS0119090) nicht her.

Aufgrund der mit Blick auf die aufgezeigten Rechtsfehler unumgänglichen Aufhebung des Schuldspruchs I waren im Sinn des § 289 StPO auch die Schuldsprüche II und III aufzuheben, um für den zweiten Rechtsgang die Möglichkeit einer allenfalls gebotenen Diversion (§§ 35, 37 SMG) zu eröffnen (RIS-Justiz RS0119278).

Hinsichtlich dieser Schuldsprüche sei ergänzt, dass die tatrichterlichen Feststellungen, wonach der Angeklagte suchtgiftabhängig war und den Verkauf von Suchtmitteln zum überwiegenden Teil (dazu Schwaighofer in WK2 SMG § 27 Rz 92) durchführte, um sich seine eigene Sucht zu finanzieren (US 6 f), und wonach er Kokain, Mephedron, Speed sowie Cannabis ausschließlich zum persönlichen Gebrauch (hiezu Schwaighofer in WK2 SMG § 27 Rz 57) erwarb und besaß (US 7), die Anwendung der privilegierenden Normen des § 27 Abs 5 SMG (II) und des § 27 Abs 2 SMG (III) verlangen.

Entsprechendes gilt mit Blick auf die Konstatierung, der Angeklagte habe das Angebot an die verdeckte Ermittlerin vorwiegend zu dem Zweck gerichtet, sich zum überwiegenden Teil seine eigene Sucht zu finanzieren (US 6 f), für die - rechtsfehlerhaft zwar nicht der Subsumtion (US 2), wohl aber der Strafrahmenbildung (US 13) zu Grunde gelegte - Norm des § 28a Abs 3 SMG in Bezug auf die vom Schuldspruch I umfasste Tat.

Aufgrund der Aufhebung der Schuldsprüche können auch der Strafausspruch (einschließlich der Vorhaftanrechnung) sowie das - verfehlt in Beschlussform ergangene (§ 443 Abs 1 StPO) - Verfalls- und Einziehungserkenntnis nicht bestehen bleiben, womit sich ein Eingehen auf die Sanktionsrüge erübrigt.

Im zweiten Rechtsgang wird insoweit zu beachten sein, dass im Fall des neuerlichen Ausspruchs der Einziehung deren Gegenstand exakt zu determinieren ist (RIS-Justiz RS0121298 [insbesonders T9]).

Mit seiner Berufung und seiner Beschwerde war der Angeklagte auf die Aufhebung des Sanktionsausspruchs und des gemeinsam mit dem Urteil gefassten Widerrufsbeschlusses zu verweisen.

Stichworte