European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2016:0080OB00015.16P.0226.000
Spruch:
Die Revision wird zurückgewiesen.
Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit 744,43 EUR (darin enthalten 124,07 EUR USt) bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortung binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Begründung
Der Geschäftsführer der Beklagten und D***** (persönlich) beauftragten den Kläger, einen Steuerberater, mit der Erbringung von Steuerberatungsleistungen, insbesondere mit der Durchführung einer Umgründung. Der Kläger zog im Rahmen einer Subbeauftragung eine andere Steuerberaterin hinzu, was den Vertragspartnern bekannt war. Der Stundensatz für die Beratungsleistungen wurde mit netto 300 EUR bekannt gegeben. Eine Kostenschätzung wurde mit dem Hinweis abgelehnt, dass das Honorar nicht nur vom Stundensatz, sondern auch von der notwendigen Zeitdauer abhänge. Die Umgründung wurde mangels eines positiven Verkehrswerts des Unternehmens letztlich aufgrund einer Entscheidung des Geschäftsführers der Beklagten und von D***** nicht durchgeführt. Am 17. 9. 2012 stellte der Kläger eine Rechnung über das gesamte Honorar (20.280 EUR) aus. Diese Rechnung wurde nicht beglichen. In der Folge stellte der Kläger der Beklagten eine neue Honorarnote über 9.600 EUR (ermäßigtes Gesamthonorar von 16.000 EUR : 2 + 20 % USt) aus. Der verzeichnete Stundenaufwand und der verrechnete Stundensatz sind angemessen; die verzeichneten Leistungen wurden erbracht. Die Fälligkeit des Honoraranspruchs ist mit 16. 11. 2012 eingetreten. Auch die neue Rechnung wurde von der Beklagten nicht gezahlt.
Der Kläger begehrte die Zahlung von 9.600 EUR samt Zinsen. Die Steuerberatungsleistungen seien ordnungsgemäß erbracht worden. Über die Subunternehmerkonstruktion habe er den Geschäftsführer der Beklagten mehrfach aufgeklärt. Gegenstand der geplanten Umgründung seien die Beklagte und D***** gewesen. Im zweiten Rechtsgang brachte der Kläger (ausgehend von den rechtlichen Überlegungen des Berufungsgerichts) vor, dass das Klagebegehren von 9.600 EUR seine Grundlage im Vertragsverhältnis zwischen ihm und der Beklagten habe. Die erbrachten Leistungen ließen sich aber, was die Zuordnung zur Beklagten einerseits und D***** andererseits betreffe, nicht teilen. Die Aufgliederung des Honoraranspruchs erfolge daher im Verhältnis 50 : 50.
Die Beklagte entgegnete, dass eine direkte Beauftragung der beigezogenen Steuerberaterin erfolgt sei. Es liege keine Subbeauftragung vor. Mit der Steuerberaterin sei ein Stundensatz von 300 EUR und eine maximale Stundenzahl von 20 besprochen worden. Eine Kostenüberschreitung sei nicht bekannt gegeben worden. Außerdem sei das Leistungsverzeichnis fehlerhaft. Für eine 50%ige Honorarhaftung der Beklagten bestehe keine Grundlage. Eine entsprechende Vereinbarung sei nicht nachgewiesen worden. Außerdem liege kein reines Auftragsverhältnis vor. Das Klagebegehren sei unschlüssig.
Das Erstgericht wies (im zweiten Rechtsgang) das Klagebegehren ab. Der Kläger behaupte ein Tätigwerden für zwei verschiedene Rechtspersonen. Ausgehend von seinem Rechtsvorbringen im zweiten Rechtsgang, wonach zwei getrennte Vertragsverhältnisse abgeschlossen worden seien, hätte er auf der Grundlage der Ausführungen des Berufungsgerichts darlegen müssen, welche Beträge sich ausschließlich auf die Tätigkeit für die Beklagte beziehen. Eine rein rechnerische Zuweisung des Honorarbetrags zur Beklagten reiche für eine Schlüssigstellung des Klagebegehrens nicht aus. Es sei auch nicht nachgewiesen worden, dass eine 50%ige Zuweisung der anfallenden Kosten vereinbart worden sei.
Das Berufungsgericht gab der Berufung des Klägers Folge und dem Klagebegehren statt. Im Anlassfall stelle sich die Frage nach der Teilbarkeit der geschuldeten Leistung. Gemäß §§ 888 und 889 ABGB sei im Zweifel von einem gleich großen Anteil der mehreren Schuldner an der Verpflichtung auszugehen. Die Teilbarkeit einer Leistung sei nach dem Willen der Parteien oder aufgrund des Geschäfts‑ bzw Leistungszwecks zu beurteilen. Sei bei einem synallagmatischen Vertrag eine Leistung unteilbar, ändere dies nichts an der Teilbarkeit der in einer Geldzahlung bestehenden Gegenleistung, sofern sich aus der Vertragsauslegung nichts anderes ergebe. Mangels ausdrücklicher Vereinbarung seien im Anlassfall die vom Kläger verzeichneten Leistungen je zur Hälfte auf die beiden Auftraggeber aufzuteilen.
Über Antrag der Beklagten nach § 508 ZPO sprach das Berufungsgericht nachträglich aus, dass die ordentliche Revision doch zulässig sei, weil darin „eine wesentliche Verkennung der Rechtslage, ein Verstoß gegen das Neuerungsverbot und Ähnliches geltend gemacht“ werde.
Gegen die Entscheidung des Berufungsgerichts wendet sich die Revision der Beklagten, die auf eine Abweisung des Klagebegehrens abzielt.
Mit seiner Revisionsbeantwortung beantragt der Kläger, der Revision den Erfolg zu versagen. Zudem führt er aus, dass die Voraussetzungen für die Zulassung der ordentlichen Revision nicht gegeben seien.
Rechtliche Beurteilung
1. Entgegen dem ‑ den Obersten Gerichtshof nicht bindenden ‑ Ausspruch des Berufungsgerichts ist die Revision mangels Aufzeigens einer entscheidungsrelevanten erheblichen Rechtsfrage nicht zulässig.
Trotz Zulässigerklärung der Revision durch das Berufungsgericht muss der Rechtsmittelwerber die Revision ausführen und eine Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO aufzeigen. Macht er hingegen nur solche Gründe geltend, deren Erledigung nicht von der Lösung einer erheblichen Rechtsfrage abhängt, so ist das Rechtsmittel ungeachtet des Zulässigkeitsausspruchs zurückzuweisen (8 Ob 13/14s).
2. Die behauptete Nichtigkeit, Mangelhaftigkeit und Aktenwidrigkeit liegen ‑ wie der Oberste Gerichtshof geprüft hat ‑ nicht vor.
Das Berufungsgericht ist nicht von den Feststellungen des Erstgerichts abgegangen und hat auch nicht gegen das Neuerungsverbot verstoßen. Es liegen auch keine dislozierten Feststellungen iSd § 473a ZPO vor. Soweit die Beklagte bestreitet, Einwendungen dahin erhoben zu haben, dass die Leistungen bereits in voller Höhe vergütet worden und weitergehende Beauftragungen nicht bekannt seien, ist sie auf den Einspruch in ON 3 zu verweisen, der in der Verhandlung vom 22. 3. 2013 vorgetragen wurde (ON 6).
3.1 Die Begründung des nachträglichen Zulässigkeitsausspruchs durch das Berufungsgericht ist untauglich. Das Berufungsgericht formuliert damit keine erhebliche Rechtsfrage. Auch die Beklagte zeigt in ihrem Rechtsmittel keine erhebliche Rechtsfrage auf.
Im Zusammenhang mit dem mehrgliedrigen Schuldverhältnis stützt sich die Beklagte darauf, dass das Erstgericht zwei getrennte Vertragsverhältnisse festgestellt habe, das Berufungsgericht aber von einem solidarischen Schuldverhältnis ausgehe, obwohl ein solches weder behauptet noch festgestellt worden sei.
Das Erstgericht hat festgestellt, dass die Beauftragung des Klägers einerseits durch den Geschäftsführer der Beklagten und andererseits durch D***** persönlich erfolgte und der Geschäftsführer der Beklagten für diese sowie in Vertretung von D***** die Erklärung abgab, den Auftrag gegenüber dem Kläger anzunehmen. Eine „Feststellung zweier getrennter Vertragsverhältnisse“ ergibt sich daraus nicht. Das Berufungsgericht hat auch keine Solidarverpflichtung der Beklagten und von D***** angenommen. Vielmehr ist es in seiner rechtlichen Beurteilung zum Ergebnis gelangt, dass nach den §§ 888, 889 ABGB eine teilbare Leistung (in einem einheitlichen Schuldverhältnis) vorliege und im Zweifel von gleich großen Anteilen der beiden Schuldner an der Verpflichtung auszugehen sei.
3.2 Nach den Feststellungen erfolgte die Beauftragung des Klägers durch die Beklagte und D***** persönlich. Die Subbeauftragung einer weiteren Steuerberaterin durch den Kläger war den Beteiligten bekannt. Die verzeichneten Steuerberatungsleistungen wurden tatsächlich erbracht. Der verrechnete Stundensatz und Stundenaufwand sind angemessen. Die erste (später stornierte) Rechnung an die Beklagte enthielt den gesamten Rechnungsbetrag. Die neue Honorarnote betraf (unter Berücksichtigung eines Nachlasses) den Hälftebetrag.
Entgegen der Ansicht der Beklagten liegen keine (noch dazu unzulässige) überschießenden Feststellungen vor (vgl dazu 8 ObA 29/15w). Bei den Fragen, ob eine vertragliche Verbindung zu zwei Schuldnern als einheitliches Vertragsverhältnis oder als gesonderte Vertragsverhältnisse zu qualifizieren ist, und ob mehrere Schuldner im Rahmen eines einheitlichen Schuldverhältnisses anteilig oder solidarisch verpflichtet sind, handelt es sich um Rechtsfragen.
3.3 Im Anlassfall besteht ein mehrgliedriges Schuldverhältnis in Form einer Schuldnermehrheit. Das Berufungsgericht hat den mit dem Kläger abgeschlossenen Vertrag zutreffend als einheitlichen Vertrag qualifiziert. Das Honorar für die Steuerberatungsleistungen wird von beiden Auftraggebern geschuldet.
3.4 Das Berufungsgericht geht von folgenden Grundsätzen aus: Ist die geschuldete Leistung teilbar, so entstehen im Zweifel selbständige Teilschulden. Jeder Mitschuldner schuldet dann nur seinen Anteil. Die (allfällige) Unteilbarkeit der Hauptleistung ändert nichts an der Teilbarkeit einer in Geld bestehenden Gegenleistung; Ansprüche auf Geld sind teilbar ( P. Bydlinski in KBB 4 § 889 Rz 1 und § 892 Rz 1; Kodek in Kletečka/Schauer , ABGB‑ON 1.01 § 888 Rz 5 und § 889 Rz 6; vgl auch Kramer/Rauter in Straube/Ratka/Rauter , UGB 4 § 348 Rz 13; Haberl , https://rdb.manz.at/document/rdb.tso.CLrdw200803404385?execution=e4s1 ). Die Größe der Anteile richtet sich nach dem Innenverhältnis, im Zweifel ist von gleichen Quoten auszugehen (vgl auch 6 Ob 600/86; 3 Ob 176/03h). Ganz allgemein ist die Frage der Teilbarkeit oder Unteilbarkeit der Erfüllung nach dem Willen der Vertragsteile zu beurteilen (RIS‑Justiz RS0018438). Die gesetzlichen (Zweifels‑)Regelungen der §§ 888 ff ABGB über Mehrheiten im Schuldverhältnis sind dispositiv (3 Ob 37/14h).
Die Beklagte tritt dieser Beurteilung des Berufungsgerichts nicht entgegen. Insbesondere stellt sie keine Überlegungen zum Vorliegen einer anteiligen Schuld oder einer Solidarschuld an.
Zu der vom Berufungsgericht qualifizierten anteiligen Teilschuld der Beklagten im einheitlichen Vertragsverhältnis zwischen Kläger einerseits und der Beklagten sowie D***** andererseits zeigt die Revision der Beklagten damit keine erhebliche Rechtsfrage auf.
4.1 Gleiches gilt für die übrigen Argumente im Rechtsmittel der Beklagten.
Für die Qualifikation des Vertragsverhältnisses zwischen einem Rechtsanwalt oder Steuerberater und seinen Klienten als Werkvertrag oder als Auftragsverhältnis bzw Geschäftsbesorgungsverhältnis kommt es auf die Umstände des Einzelfalls an (RIS‑Justiz RS0113156). Grundsätzlich wird ein Beratungs- oder Vertretungsvertrag zwischen einem Rechtsanwalt bzw einem Steuerberater und seinem Klient als Bevollmächtigungsvertrag zur entgeltlichen Besorgung von Geschäften qualifiziert (10 Ob 50/14x). Ausnahmsweise, etwa bei Erstattung eines Gutachtens oder Errichtung eines Vertrags, wird auch Werkvertrag angenommen (vgl 8 Ob 91/08b). Nach unionsrechtlicher Terminologie handelt es sich bei der Tätigkeit eines Rechtsanwalts oder Notars typischerweise um die selbständige Erbringung einer Dienstleistung. Im Rahmen eines Beratungs- oder eines Vertretungsvertrags wird grundsätzlich das sorgfältige Bemühen bei Erbringung der Beratungs- oder Vertretungsleistungen geschuldet.
Im Anlassfall beabsichtigten die Beklagte und D***** eine Umgründung. Der Kläger sollte die erforderlichen Maßnahmen erledigen. Obwohl sie aufgrund des negativen Eigenkapitals und fehlender stiller Reserven vor der Durchführung dieser Konstruktion gewarnt wurden, erklärten beide Auftraggeber zunächst, dass am Zeitplan für die Umgründung festzuhalten und diese zum Abschluss zu bringen sei. Da ihnen ab August 2012 mangels positiven Verkehrwerts des Unternehmens allerdings Zweifel an der Durchführung der Umgründung kamen, trafen sie am 28. 8. 2012 die Entscheidung, die geplante Umgründung nicht durchzuführen. Davon ausgehend schuldete der Kläger nicht den (noch dazu faktischen) Erfolg der Durchführung der Umgründung. Die Beklagte kann sich daher nicht darauf berufen, dass der Kläger die Umgründung geschuldet habe und mangels Umgründungserfolgs der Werklohnanspruch entfalle.
4.2 Soweit die Beklagte von einer festgestellten Kostenschätzung (iSd § 1170a Abs 2 ABGB) ausgeht, weicht sie von der Tatsachengrundlage ab. Nach den Feststellungen wurde dem Geschäftsführer der Beklagten mitgeteilt, dass der Stundensatz mit der anfallenden Stundenzahl multipliziert wird. Eine konkrete Kostenschätzung wurde unter Hinweis darauf abgelehnt, dass das Honorar nicht nur vom Stundensatz, sondern auch von der notwendigen Zeitdauer abhängt.
5. Insgesamt gelingt es der Beklagten nicht, mit ihren Ausführungen eine erhebliche Rechtsfrage aufzuzeigen. Die Revision war daher zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf §§ 41, 50 ZPO. Der Kläger hat auf die Unzulässigkeit der Revision hingewiesen.
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