OGH 9ObA160/15t

OGH9ObA160/15t25.2.2016

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits‑ und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Hopf als Vorsitzenden, die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Dehn und Mag. Korn sowie die fachkundigen Laienrichter Dr. Johanna Biereder und Mag. Matthias Schachner als weitere Richter und Richterinnen in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei DI Dr. H*****, vertreten durch Dr. Lothar Hofmann, Rechtsanwalt in Wien, gegen die beklagte Partei A*****, vertreten durch Bollmann & Bollmann, Rechtsanwaltspartnerschaft in Wien, wegen 46.978,14 EUR brutto zuzüglich 1.797,90 EUR netto sA und Rechnungslegung, über die außerordentliche Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht in Arbeits‑ und Sozialrechtssachen vom 28. Oktober 2015, GZ 7 Ra 49/15z‑153, den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2016:009OBA00160.15T.0225.000

 

Spruch:

Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

Begründung

Rechtliche Beurteilung

1. Ist das Berufungsgericht in die Prüfung der Frage einer allfälligen im erstinstanzlichen Verfahren unterlaufenen Nichtigkeit eingegangen und hat eine solche verneint, ist die Wahrnehmung dieser Nichtigkeit im Verfahren dritter Instanz nicht mehr möglich (RIS‑Justiz RS0042981). Ob eine Nichtigkeit verneint wurde, richtet sich allein nach den beurteilten Tatsachen, etwa dem behaupteten Vorenthalten bestimmter Urkunden (3 Ob 76/03b), nicht aber nach den angewendeten oder angesprochenen Rechtsnormen.

Eine in zweiter Instanz verneinte Nichtigkeit des Verfahrens erster Instanz kann in dritter Instanz auch nicht als Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens geltend gemacht werden (RIS‑Justiz RS0042981 [T5]).

2. Auch angebliche Mängel des Verfahrens erster Instanz, die vom Berufungsgericht verneint wurden, können nach ständiger Rechtsprechung im Revisionsverfahren nicht mehr geltend gemacht werden (RIS‑Justiz RS0042963 ua).

3. Es begründet einen vom Obersten Gerichtshof wahrzunehmenden Verfahrensfehler des Berufungsverfahrens, wenn das Berufungsgericht von Tatsachenfeststellungen des Erstgerichts ohne Beweiswiederholung abgeht (RIS‑Justiz RS0043461). Ein Verfahrensmangel liegt aber dann nicht vor, wenn das Berufungsgericht nur auf weitere Beweisergebnisse verweist oder bislang nicht ins Treffen geführte Argumente zur Untermauerung der Richtigkeit der erstgerichtlichen Beweiswürdigung heranzieht ( Zechner in Fasching/Konecny 2 § 503 ZPO Rz 127).

Der Hinweis des Berufungsgerichts, dass ein vermeintlicher Widerspruch in den im großen zeitlichen Abstand erfolgten Einvernahmen eines Zeugen möglicherweise durch zwischenzeitig geänderte Umstände erklärt werden kann, stellt ein solches zusätzliches Argument dar und begründet damit weder eine Nichtigkeit durch Verletzung des rechtlichen Gehörs des Klägers noch einen Verfahrensmangel in Form einer Fehlbeurteilung der Behauptungslast oder einer Überraschungsentscheidung.

4. Der Oberste Gerichtshof ist ausschließlich als Rechtsinstanz zur Überprüfung von Rechtsfragen tätig (RIS‑Justiz RS0123663). Eine angebliche Unrichtigkeit in der Beweiswürdigung kann nicht mit Revision bekämpft werden (RIS‑Justiz RS0069246). Nur wenn sich das Berufungsgericht mit der Beweisfrage überhaupt nicht befasst, ist sein Verfahren mangelhaft. Das Berufungsgericht ist dabei nicht verpflichtet, auf die einzelnen Zeugenaussagen einzugehen, wenn es gegen die Beweiswürdigung des Erstgerichts keine Bedenken hegt. Es muss sich nicht mit jedem einzelnen Beweisergebnis und jedem Argument des Berufungswerbers auseinandersetzen (RIS‑Justiz RS0043371 [T18]).

Die Entscheidung des Berufungsgerichts über eine Beweisrüge ist mängelfrei, wenn es sich mit dieser befasst, die Beweiswürdigung des Erstgerichts überprüft und nachvollziehbare Überlegungen über die Beweiswürdigung anstellt und in seinem Urteil festhält (RIS‑Justiz RS0043150). Diesen Anforderungen hat das Berufungsgericht entsprochen, indem es die Beweiswürdigung des Erstgerichts als fehlerfrei und schlüssig erachtete, in Ansehung der Details auf die Ausführungen des Erstgerichts verwies (1 Ob 10/03g) und darüber hinaus festhielt, es genüge nicht, in der Beweisrüge den einzelnen Feststellungen lediglich Gegenbehauptungen entgegenzusetzen. Darüber hinaus hat es sich mit den wesentlichen Argumenten des Klägers auch konkret auseinandergesetzt.

5. Entgegen den Revisionsausführungen hat das Berufungsgericht nicht angenommen, dass eine Stufenklage kein adäquates Mittel bei der Geltendmachung von in technischen Systemen des Dienstgebers eingetragenen Überstunden ist. Es ging vielmehr davon aus, dass der Kläger selbst vorgebracht hat, seinem Leistungsbegehren auf Abgeltung von Überstunden den von der Beklagten vorgebrachten Ansatz (nach dem zitierten Schriftsatz die konkret vorgebrachte Stundenzahl) zugrunde zu legen, weshalb mangels weiterem Vorbringen zu darüber hinausgehenden Überstunden keine Grundlage für ein Rechnungslegungsbegehren besteht. Dass und aus welchen Gründen diese Ansicht des Berufungsgerichts unrichtig sein soll, wird in der Revision nicht ausgeführt. Setzt sich der Revisionswerber mit der Argumentation des Berufungsgerichts aber nicht auseinander, fehlt es an der gesetzmäßigen Ausführung der Revision (RIS‑Justiz RS0043603 [T9]).

6. Eine Entlassung ist ohne Rücksicht darauf gerechtfertigt, ob dem Arbeitgeber der Entlassungsgrund im Zeitpunkt der Entlassung bekannt war und von ihm geltend gemacht worden ist, wenn nur im Prozess ein die Entlassung rechtfertigender, im Zeitpunkt der Entlassung vorliegender und nachträglich nicht untergegangener Entlassungsgrund nachgewiesen wird (RIS‑Justiz RS0029131 [T10]). Wird ein derart „nachgeschobener“ Entlassungsgrund erwiesen, ist die Entlassung berechtigt, selbst wenn sie durch die bei ihrem Ausspruch genannten Gründe nicht gerechtfertigt werden könnte (RIS‑Justiz RS0029139).

Für alle für den Untergang des Entlassungsrechts maßgeblichen Umstände ist der Arbeitnehmer behauptungs- und beweispflichtig (RIS‑Justiz RS0029249 [T5]).

Der Kläger hat in seiner Berufung keine Verspätung der Entlassung wegen früherer Kenntnis der Beklagten vom maßgeblichen Sachverhalt behauptet, sondern nur geltend gemacht, dass länger zurückliegende Umstände unabhängig vom Zeitpunkt der Kenntnis des Arbeitgebers nicht mehr als Entlassungsgrund herangezogen werden dürfen. Eine im Berufungsverfahren unterbliebene oder nicht gehörig ausgeführte Rechtsrüge kann aber im Revisionsverfahren nicht nachgeholt werden (RIS‑Justiz RS0043573). Nichts anderes gilt für im Berufungsverfahren unbekämpfte selbständige Streitpunkte (RIS‑Justiz RS0043480 [T22]).

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