OGH 4Ob185/15g

OGH4Ob185/15g23.2.2016

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Dr. Vogel als Vorsitzenden und die Hofräte Dr. Jensik, Dr. Musger, Dr. Schwarzenbacher und Dr. Rassi als weitere Richter in der Rechtssache der Klägerin B***** GmbH, *****, vertreten durch WKG Korp‑Grünbart Rechtsanwälte GmbH in Ried im Innkreis, gegen den Beklagten A***** K*****, vertreten durch Dr. Franz Gütlbauer & Partner Rechtsanwälte in Wels, wegen 165.946,89 EUR sA, über die außerordentliche Revision des Beklagten gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Linz als Berufungsgericht vom 20. August 2015, GZ 1 R 99/15g‑50, den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

Begründung

Rechtliche Beurteilung

1. Ist ein als (technischer) Bauleiter bezeichneter Angestellter eines Bauunternehmens weder dessen organschaftlicher Vertreter noch Prokurist, ist davon auszugehen, dass er gemäß § 54 UGB zu allen Geschäften und Rechtshandlungen bevollmächtigt ist, die die Vornahme der Geschäfte eines solchen Bauleiters gewöhnlich mit sich bringen. Dazu gehört es grundsätzlich nicht, einen von befugten Vertretern seines Unternehmens geschlossenen Vertrag in wirtschaftlich bedeutenden Punkten zu ergänzen oder abzuändern (2 Ob 43/10b mwN).

2. Der vorliegende Fall ist aber besonders gelagert: Der Bauleiter des Beklagten hat in mehreren Baubesprechungen Zusatzaufträge an die Klägerin im Namen des Beklagten erteilt. Dabei handelte es sich um Arbeiten, deren Ausführung durch die Klägerin sich der Beklagte „wünschte“. Überdies war der Beklagte persönlich bei zwei dieser Baubesprechungen anwesend, ohne den dort der Klägerin erteilten Zusatzaufträgen des Bauleiters zu widersprechen. Damit hat der Beklagte nach außen zu erkennen gegeben, seinen Bauleiter zur Erteilung von Aufträgen im Zusammenhang mit dem Bauvorhaben an die Klägerin bevollmächtigt zu haben. Die Vorinstanzen sind daher im konkreten Einzelfall ‑ vgl 5 Ob 1078/91, wonach die Entscheidung über die Auslegung des Umfangs der mündlich erteilten Vollmacht von den Umständen des Einzelfalls abhängt ‑ vertretbar davon ausgegangen, dass dem Bauleiter insoweit Vertretungsmacht zukam.

3. Was den im Werkvertrag vereinbarten Schriftformvorbehalt anlangt, so können die Parteien jederzeit einvernehmlich davon abgehen (vgl RIS‑Justiz RS0014378; RS0038673). Macht ein Vertragspartner bestimmte Zusagen, widerspricht es den Grundsätzen des redlichen Verkehrs, wenn er sich im Nachhinein auf eine damit in Widerspruch stehende Klausel beruft (9 ObA 30/93; 7 Ob 69/11i).

4. Die Entscheidung 7 Ob 642/85 gelangte bei einem ähnlichen Sachverhalt zu folgendem Ergebnis: Dass der Geschäftsherr der Verhandlungsführung durch seinen Scheinvertreter widerspruchslos beigewohnt hat, begründet nicht nur eine Duldungsvollmacht hinsichtlich des erzielten Vertrags, sondern auch hinsichtlich des damit notwendigerweise einhergehenden Abgehens vom Schriftformerfordernis.

Diese Grundsätze sind auf den vorliegenden Fall anwendbar. Die angefochtene Entscheidung ist daher auch im Zusammenhang mit dem Aspekt des Schriftformvorbehalts nicht zu beanstanden.

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