European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2016:0100OB00004.16K.0222.000
Spruch:
I. Der an den Obersten Gerichtshof gerichtete Antrag der beklagten Partei auf Aufschiebung der Exekution gemäß § 42 Abs 1 Z 2a EO wird zurückgewiesen.
II. Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen (§ 510 Abs 3 ZPO).
Begründung:
Rechtliche Beurteilung
I. Der Oberste Gerichtshof ist zur beantragten Aufschiebung der Exekution gemäß § 42 Abs 1 Z 2a EO nicht zuständig (§ 45 Abs 2 EO), zumal im Antrag nicht einmal behauptet wurde, dass eine ‑ sodann aufzuschiebende ‑ Exekution bereits eingeleitet wurde (10 Ob 28/05y). Eine Rückleitung des Aktes an das zur Entscheidung über den Antrag auf Aufschiebung der Exekution zuständige Erstgericht konnte unterbleiben, weil gleichzeitig über das Rechtsmittel der Beklagten mit Rechtskraftwirkung entschieden werden konnte.
II.1 Die Zulassungsbeschwerde macht geltend, es sei eine erhebliche Rechtsfrage zu klären, weil das Erstgericht entgegen der Rechtsansicht des Berufungsgerichts einen gesonderten Beschluss gemäß § 33 Abs 2 MRG hätte fassen müssen, wonach der Beklagte einen allfälligen Saldo sofort ausgeglichen hätte. Diese Pflicht habe den Beklagten jedoch mangels entsprechender Beschlussfassung nicht getroffen, sodass ihn kein grobes Verschulden am entstandenen Zahlungsrückstand treffe.
II.2 Der Zweck der Beschlussfassung nach § 33 Abs 2 MRG liegt in der Klarstellung, welchen Betrag der Mieter dem Vermieter schuldet, um eine Aufkündigung nach § 30 Abs 1 Z 1 MRG abwehren zu können (RIS‑Justiz RS0069105 [T3], 3 Ob 101/14w mwH). Einer solchen Vorgehensweise bedarf es auch dann, wenn zwar die Höhe des Mietzinsrückstandes nicht strittig ist, der Mieter aber behauptet, er sei nach § 1096 ABGB von der Mietzinszahlung ganz oder teilweise befreit (RIS‑Justiz RS0070404). Eines Beschlusses gemäß § 33 Abs 2 MRG bedarf es nur dann nicht, wenn den Mieter an dem Zahlungsrückstand ein grobes Verschulden trifft oder wenn der mit dem Beweis für das Fehlen groben Verschuldens an einem Mietzinsrückstand belastete Mieter (RIS‑Justiz RS0069316) nicht einmal entsprechende Behauptungen aufgestellt hat (2 Ob 149/06k; RIS‑Justiz RS0070349 [T4]; Würth/Zingher/Kovanyi, Miet‑ und Wohnrecht I23 § 33 MRG Rz 29 mwH).
II.3 Für die Beurteilung der Frage, ob den Mieter an der verspäteten Zahlung des Mietzinses ein grobes Verschulden trifft, ist seine Willensrichtung, die zur Zahlungssäumnis führte, entscheidend (RIS‑Justiz RS0069316 [T2]). Grobes Verschulden setzt ein besonderes Maß an Sorglosigkeit voraus, sodass der Vorwurf berechtigt erscheint, der Mieter habe die Interessen des Vermieters aus Rechthaberei, Willkür, Leichtsinn oder Streitsucht verletzt (RIS‑Justiz RS0069304). Die Beurteilung des Vorliegens eines groben Verschuldens hängt typisch von den Umständen des Einzelfalls ab. Die Revision ist daher nur dann zulässig, wenn das Berufungsgericht den ihm bei der Qualifikation eines bestimmten Verhaltens als grobes Verschulden eingeräumten Beurteilungsspielraum überschritten hat (RIS‑Justiz RS0042773 [T3]; 10 Ob 3/14k mwH).
II.4 Dieser Beurteilungsspielraum wurde im vorliegenden Fall nicht überschritten: Zutreffend hat das Berufungsgericht ausgeführt, dass die Mietzinsminderung nach § 1096 ABGB eine Anzeige des Mieters iSd § 1097 ABGB voraussetzt (RIS‑Justiz RS0126618). Nach den den Obersten Gerichtshof bindenden Feststellungen der Vorinstanzen war der Beklagte für die geringfügige Schimmelbildung an den Fensterfugen selbst verantwortlich. Dass die Wohnung aufgrund eines abgebrochenen Heizkörper‑Thermostatventils nicht beheizbar gewesen wäre, hat er nicht vorgebracht. Weitere wesentliche Mängel ‑ der tropfende Boiler, durchfeuchtete Wände im Sanitärbereich ‑ zeigte der Beklagte der Klägerin nicht einmal an. Sie wurden der Klägerin erst anlässlich der Befundaufnahme des Sachverständigen in diesem Verfahren bekannt. Die Ausführungen in der Revision, wonach die festgestellten Mängel zur Unbrauchbarkeit der Wohnung geführt hätten, haben in den Sachverhaltsfeststellungen keine Grundlage. Vor diesem Hintergrund ist die Rechtsansicht der Vorinstanzen, dass den Beklagten an der nahezu gänzlichen Nichtzahlung von Mietzinsen über einen Zeitraum von vielen Monaten auch noch während des Verfahrens ein grobes Verschulden treffe, nicht zu beanstanden.
II.5 Zu den mit der außerordentlichen Revision vorgelegten Urkunden („Beweismittel 1 ‑ 7“) führt der Beklagtenvertreter aus, dass diese dem Revisionsgericht ‑ trotz Belehrung des Beklagten über das Neuerungsverbot ‑ über dessen ausdrückliches Ersuchen vorgelegt werden. Der Oberste Gerichtshof ist ausschließlich als Rechtsinstanz zur Überprüfung von Rechtsfragen tätig (RIS‑Justiz RS0123663). Gemäß § 506 Abs 1 Z 3 ZPO soll die Revision die Tatsachenbehauptungen und Beweisanträge ‑ den allfälligen Nachweis einer Nichtigkeit des Berufungsurteils oder eines Mangels des Berufungsverfahrens betreffend ‑ enthalten. Nur insoweit besteht im Revisionsverfahren gemäß § 504 Abs 2 ZPO kein Neuerungsverbot (Zechner in Fasching/Konecny² IV/1 § 506 Rz 21 mwH). Auf den Inhalt der vom Beklagten im Revisionsverfahren vorgelegten „Beweismittel“ kann der Oberste Gerichtshof, der keine Tatsacheninstanz ist, daher nicht weiter eingehen.
Mangels einer Rechtsfrage von der Qualität des § 502 Abs 1 ZPO war die Revision daher zurückzuweisen.
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