OGH 8Ob1/16d

OGH8Ob1/16d19.2.2016

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Vizepräsidenten Prof. Dr. Spenling als Vorsitzenden, die Hofrätin Dr. Tarmann‑Prentner, den Hofrat Dr. Brenn sowie die Hofrätinnen Mag. Korn und Dr. Weixelbraun‑Mohr als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Dr. A* K*, vertreten durch Dr. Günther Riess, Dr. Erwin Köll und Mag. Christine Schneider, Rechtsanwälte in Innsbruck, gegen die beklagte Partei Dr. M* K*, vertreten durch Mag. Dr. Norbert Winkler, Rechtsanwalt in Innsbruck, wegen Unterhalt, über den Rekurs der klagenden Partei gegen den Beschluss des Landesgerichts Innsbruck als Berufungsgericht vom 20. November 2015, GZ 3 R 251/15f-44, mit dem die Berufung der klagenden Partei gegen das Urteil des Bezirksgerichts Innsbruck vom 30. Juni 2015, GZ 33 C 56/14k-34, zurückgewiesen wurde, den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2016:E113752

 

Spruch:

Dem Rekurs wird nicht Folge gegeben.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei binnen 14 Tagen die mit 606,60 EUR (darin 101,10 EUR USt) bestimmten Kosten der Rekursbeantwortung zu ersetzen.

 

Begründung:

Gegenstand des erstinstanzlichen Verfahrens war ein Antrag der Klägerin auf Erlassung einer einstweiligen Verfügung betreffend einstweiligen Unterhalt, verbunden mit einer Klage auf rückständigen Unterhalt aufgrund des zwischen den Streitteilen geschlossenen Scheidungs-folgenvergleichs.

Das Erstgericht wies den Sicherungsantrag zur Gänze ab und gab dem Zahlungsbegehren unter Abweisung des Mehrbegehrens teilweise statt.

Das Berufungsgericht wies mit seinem angefochtenen Beschluss die am 13. 8. 2015 eingebrachte Berufung der Klägerin gegen die ihrem Vertreter am 9. 7. 2015 zugestellte erstgerichtliche Entscheidung als verspätet zurück. Eine Fristenhemmung nach § 222 Abs 1 ZPO sei nicht eingetreten, weil eine Streitigkeit über den aus dem Gesetz gebührenden Unterhalt nach Abs 2 Z 4 leg cit vorliege.

Rechtliche Beurteilung

Der gegen den Zurückweisungsbeschluss des Berufungsgerichts erhobene Rekurs der Klägerin ist gemäß § 519 Abs 1 Z 1 ZPO zulässig, aber nicht berechtigt.

Die Rechtsmittelausführungen konzentrieren sich auf den Versuch, den geltend gemachten Anspruch als einen rein vertraglichen Unterhaltsanspruch darzustellen, der den Lebensverhältnissen der Streitteile nicht entsprochen habe und der Klägerin im Fall einer streitigen Scheidung nicht bzw nicht in dieser Höhe zuerkannt worden wäre. Es handle sich deshalb auch bei weitester Auslegung des Begriffs nicht um einen gesetzlichen Unterhaltsanspruch, auf den sich § 222 Abs 2 Z 4 ZPO ausschließlich beziehe.

Dieser Auffassung ist nicht beizupflichten.

Nach ständiger Rechtsprechung betreffen auch Streitigkeiten über den sich aus einer Scheidungsfolgenvereinbarung nach § 55a Abs 2 EheG ergebenden Unterhalt aufgrund der Anordnung des § 69a Abs 1 EheG Rechtsfragen des gesetzlichen Unterhaltsrechts iSd § 49 Abs 2 Z 2 JN (RIS‑Justiz RS0046467; Gitschthaler in Rechberger, ZPO4 § 222 Rz 4). Angesichts des wörtlichen Gleichklangs zwischen § 49 Abs 2 Z 2 JN und § 224 Abs 1 Z 4 ZPO aF bzw § 222 Abs 2 Z 4 ZPO idgF besteht kein Grund, die Voraussetzungen für die Anwendung dieser Bestimmungen an unterschiedlichen Kriterien zu messen (6 Ob 62/14g; 2 Ob 155/00h).

Welcher Unterhalt iSd § 69a Abs 1 EheG als den Lebensverhältnissen der Ehegatten angemessen dem gesetzlichen Unterhalt gleichzuhalten ist, ist nach § 94 ABGB anhand der Verhältnisse bei aufrechter Ehe zu beurteilen und dementsprechend weit auszulegen (Koch in KBB4 § 69a EheG Rz 1; 1 Ob 122/97s mwN). Dass die zwischen den Streitteilen geschlossene Unterhaltsvereinbarung eine unangemessene war (obwohl sie von ihrem eigenen Vertreter formuliert wurde), hätte die Klägerin schon in erster Instanz behaupten müssen. Aus den Sachverhaltsfeststellungen sind dafür keine Anhaltspunkte zu gewinnen. Da es auf die Verhältnisse bei aufrechter Ehe ankommt, war auch nicht zu prüfen, ob der vereinbarte Unterhalt dem Grunde und der Höhe nach jenem entsprach, der der Klägerin im fiktiven Fall einer streitigen Ehescheidung als gesetzlicher Unterhalt gebührt hätte.

Liegt eine Streitigkeit über den aus einer Scheidungsfolgenvereinbarung abgeleiteten Unterhalt nach § 69a Abs 1 EheG vor, ist sie eine Ferialsache nach § 222 Abs 2 Z 4 ZPO. Das Berufungsgericht hat das Rechtsmittel der Klägerin daher zutreffend als verspätet beurteilt.

Die Entscheidung über die Kosten der Rekursbeantwortung gründet sich auf §§ 4150 ZPO.

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