OGH 6Ob62/14g

OGH6Ob62/14g15.5.2014

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Hon.‑Prof. Dr. Pimmer als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Schramm, Dr. Gitschthaler, Univ.‑Prof. Dr. Kodek und Dr. Hargassner als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Ing. H***** S*****, vertreten durch Advokaten Pfeifer Keckeis Fiel Scheidbach OG in Feldkirch, gegen die beklagte Partei Dr. M***** S*****, vertreten durch Mag. Klaus P. Pichler, Rechtsanwalt in Dornbirn, wegen 11.416 EUR sA, über den Rekurs der beklagten Partei gegen den Beschluss des Landesgerichts Feldkirch als Berufungsgericht vom 13. Februar 2014, AZ 3 R 39/14d, womit die Berufung der beklagten Partei gegen das Urteil des Bezirksgerichts Dornbirn vom 29. November 2013, GZ 1 C 20/13z‑11, zurückgewiesen wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2014:0060OB00062.14G.0515.000

 

Spruch:

Dem Rekurs wird nicht Folge gegeben.

Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei binnen 14 Tagen die mit 640,80 EUR (darin 106,80 EUR USt) bestimmten Kosten des Rekursverfahrens zu ersetzen.

 

Begründung:

Die Streitteile waren miteinander verheiratet. Ihre Ehe wurde mit Beschluss des Erstgerichts vom 28. 10. 2010 gemäß § 55a EheG geschieden. In der Scheidungsfolgenvereinbarung verpflichtete sich der Kläger, der Beklagten ab 1. 11. 2010 Ehegattenunterhalt sowie für den gemeinsamen Sohn Luca Kindesunterhalt zu leisten.

Der Kläger begehrt von der Beklagten 11.416 EUR sA mit dem Vorbringen, zumindest im Jahr 2012 habe die Beklagte im Hinblick auf ihr weit höheres Eigeneinkommen keinen Unterhaltsanspruch mehr gehabt. Er habe daher 11.416 EUR zu viel bezahlt.

Das Erstgericht gab der Klage statt und verpflichtete die beklagte Partei zur Rückzahlung dieses Betrags.

Das Urteil des Erstgerichts wurde den Parteienvertretern am 2. 12. 2013 zugestellt.

Die beklagte Partei erhob am 10. 1. 2014 per Fax sowie auf elektronischem Weg Berufung gegen dieses Urteil.

Das Berufungsgericht wies die Berufung zurück. Es handle sich um eine Unterhaltsstreitigkeit, die gemäß § 222 Abs 2 ZPO nicht von der Fristenhemmung nach § 222 Abs 1 ZPO betroffen sei.

Rechtliche Beurteilung

Der Rekurs der beklagten Partei gegen diesen Beschluss ist nicht berechtigt.

1.  Gegen einen Beschluss, mit dem das Berufungsgericht eine Berufung zurückweist, ist ein Rekurs ohne Rücksicht auf den Streitwert zulässig (RIS‑Justiz RS0043893).

2.1.  Gemäß § 222 Abs 2 Z 4 ZPO hat die in § 222 Abs 1 ZPO normierte Fristenhemmung keinen Einfluss auf die Rechtsmittelfristen in Streitigkeiten über den aus dem Gesetz gebührenden Unterhalt.

2.2.  Dies entspricht auch der Rechtsprechung zu § 49 Abs 2 Z 2 JN aF, der generell „sonstige Streitigkeiten über den aus dem Gesetz gebührenden Unterhalt“ umfasste, und zu § 224 Abs 2 Z 4 ZPO aF. Demnach umfasst § 49 Abs 2 Z 2 JN alle Rechtsfragen des gesetzlichen Unterhaltsrechts (RIS‑Justiz RS0046467).

2.3.  Diese zu § 49 Abs 2 Z 2 JN entwickelten Grundsätze sind wegen der Wortidentität beider Normen der Auslegung des § 224 Abs 1 Z 4 ZPO (aF) zugrunde zu legen (RIS‑Justiz RS0046467 [T6]). Diese Rechtsprechung wurde auch nach Änderung des § 49 Abs 2 Z 2 JN durch das AußStrG‑BegleitG fortgeschrieben (RIS‑Justiz RS0046467 [T15]; vgl auch 3 Ob 6/13y). Aufgrund des wörtlichen Gleichklangs zwischen § 79 Abs 2 Z 2 JN und § 224 Abs 1 Z 4 ZPO ist kein Grund zu sehen, die Voraussetzungen hiefür an unterschiedlichen Kriterien zu messen (2 Ob 155/00h).

2.4.  In diesen weit gezogenen Rahmen fällt demnach auch ein Rechtsstreit, in dem zu klären ist, ob der unterhaltsberechtigte Ehegatte zu viel bezahlten Unterhalt zurückzahlen muss, geht es doch auch dabei letztlich um die Frage, ob und bejahendenfalls in welchem Umfang der gesetzliche Unterhalt gebührt (1 Ob 1/98y). Daher ist auch eine Klage auf Rückzahlung von irrtümlich in Erfüllung einer vermeintlichen Unterhaltspflicht bezahlten Beträgen unter § 49 Abs 2 Z 2c JN zu subsumieren (RIS‑Justiz RS0109622). Die gegenteilige Ansicht von Simotta (in Fasching ² § 49 JN Rz 27) steht in Widerspruch zur zitierten Judikatur. Die dort angeführten Belegstellen sind durchwegs nur Entscheidungen zweitinstanzlicher Gerichte.

3.  Zu § 224 Abs 1 ZPO entsprach es ständiger Rechtsprechung, dass die dort genannten Streitigkeiten ex lege Ferialsachen sind, bei denen es nicht darauf ankommt, ob sie im konkreten Fall auch besonders dringend sind (RIS‑Justiz RS0110162). Im Übrigen geht es auch bei der Rückforderung von angeblich zu viel bezahltem Unterhalt um wichtige, für die Parteien sogar existenzielle Entscheidungen, sodass keine Rede davon sein kann, dass Rückforderungsansprüche typischerweise weniger dringend seien als Unterhaltsansprüche. Zudem spricht auch das Gleichbehandlungsgebot dafür, den Unterhaltsanspruch und den Anspruch auf Rückforderung zu viel bezahlten Unterhalts gleich zu behandeln.

4.  Damit erweist sich der Beschluss des Berufungsgerichts aber als frei von Rechtsirrtum, sodass dem unbegründeten Rekurs ein Erfolg zu versagen war.

5.  Die Entscheidung über die Kosten des Rekursverfahrens gründet sich auf §§ 41, 50 ZPO.

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