OGH 13Os70/15s

OGH13Os70/15s27.1.2016

Der Oberste Gerichtshof hat am 27. Jänner 2016 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Hon.‑Prof. Dr. Kirchbacher als Vorsitzenden sowie die Hofräte und die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Lässig, Mag. Michel, Dr. Oberressl und Dr. Brenner in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Zabl als Schriftführerin in der Finanzstrafsache gegen Sasa M***** und weitere Angeklagte wegen des Verbrechens der als Mitglied einer Bande begangenen Abgabenhehlerei nach §§ 37 Abs 1 lit a, 38a Abs 1 lit a FinStrG und weiterer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerde, die Berufung und die Beschwerde des Angeklagten Velibor V***** gegen das Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Graz als Schöffengericht vom 21. April 2015, GZ 8 Hv 24/15s‑189, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2016:0130OS00070.15S.0127.000

 

Spruch:

In teilweiser Stattgebung der Nichtigkeitsbeschwerde und aus deren Anlass wird das angefochtene Urteil, das im Übrigen unberührt bleibt, in den die Angeklagten Sasa M*****, Dragoljub Vu*****, Jovica P*****, Milena P*****, Velibor V***** und Zoran Ma***** betreffenden Aussprüchen über den Verfall in Ansehung der sichergestellten Kraftfahrzeuge und über die Wertersatzstrafen sowie die zu Letzteren bestimmten Ersatzfreiheitsstrafen aufgehoben und die Sache in diesem Umfang zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Landesgericht für Strafsachen Graz verwiesen.

Im Übrigen wird die Nichtigkeitsbeschwerde zurückgewiesen.

Mit seiner Berufung gegen die Wertersatzstrafe wird der Angeklagte Velibor V***** auf die Aufhebung verwiesen.

Die Beschwerde wird als unzulässig zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufung des Genannten wegen des Ausspruchs über die Freiheitsstrafe sind die Akten sodann dem Oberlandesgericht Graz vorzulegen.

Dem Angeklagten Velibor V***** fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Gründe:

Mit dem angefochtenen, auch unbekämpft in Rechtskraft erwachsene Schuld- und Strafaussprüche zu fünf weiteren Angeklagten enthaltenden Urteil wurde Velibor V***** des Verbrechens der „gewerbsmäßigen und als Mitglied einer Bande begangenen Abgabenhehlerei nach den §§ 37 Abs 1 lit a, 38 Abs 1, 38a Abs 1 lit a FinStrG“ (A/4) und mehrerer Finanzvergehen der Monopolhehlerei nach § 46 Abs 1 lit a FinStrG (D) schuldig erkannt.

Danach hat er im Bereich des Zollamts Wien vom Oktober 2014 bis zum 3. Februar 2015 vorsätzlich

A/4 als Mitglied einer Bande von mindestens drei Personen, nämlich Sasa M*****, Dragoljub Vu*****, Jovica P*****, Milena P*****, Zoran Ma***** und weiteren unbekannten Mittätern, unter Mitwirkung von jeweils zumindest zwei Bandenmitgliedern Sachen, nämlich Zigaretten mit darauf entfallenden Verkürzungsbeträgen von insgesamt 60.568,20 Euro, hinsichtlich welcher von unbekannten Mittätern ein Schmuggel begangen worden war, gekauft und verhandelt, indem er zumindest 1.575 Stangen Zigaretten bosnischer und serbischer Herkunft, die ab dem Jahr 2014 von unbekannten Tätern vorschriftswidrig in das Zollgebiet der Europäischen Union verbracht, von Sasa M***** in Kroatien und Zoran Ma***** in Ungarn übernommen und von diesen jeweils in W***** Dragoljub Vu***** übergeben worden waren (US 8 f), vom zuletzt Genannten kaufte und an weitere Abnehmer weiterveräußerte (US 10, 12 und 16);

D/ durch die zu A/4 geschilderten Handlungen Monopolgegenstände mit einer Bemessungsgrundlage von 63.000 Euro, hinsichtlich welcher von Sasa M*****, Dragoljub Vu*****, Zoran Ma***** und unbekannten Mittätern in Monopolrechte eingegriffen worden war, gekauft und verhandelt.

Rechtliche Beurteilung

Dagegen richtet sich die auf § 281 Abs 1 Z 5, 5a, 9 lit a, 10 und 11 StPO gestützte Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten Velibor V*****, der teilweise Berechtigung zukommt.

Dem Vorwurf der offenbar unzureichenden Begründung (Z 5 vierter Fall) zuwider hat der Schöffensenat die Feststellungen zur Menge der dem Beschwerdeführer von Dragoljub Vu***** überlassenen Zigaretten ohne Verstoß gegen Gesetze folgerichtigen Denkens oder grundlegende Erfahrungssätze (RIS‑Justiz RS0099413, RS0116732) eingehend auf die vernetzte Betrachtung der Angaben der Angeklagten Sasa M*****, Dragoljub Vu***** und Zoran Ma***** über die Anzahl der von ihnen durchgeführten Transportfahrten, die dabei beförderten Mengen und deren Aufteilung (US 13) und der Ergebnisse der durchgeführten Observationen und „Telefonüberwachungen“ (US 13 und 15 f) gegründet.

Die Tatrichter erachteten die Aussage des Angeklagten Dragoljub Vu***** ‑ soweit sie mit den Ergebnissen der Telefon- sowie der optischen Überwachung, den Observationsberichten (US 12 f, 14 f) und den weiteren Angaben der Angeklagten (US 13 f) in Widerspruch stand ‑ als nicht glaubwürdig (vgl US 14). Demnach waren sie entgegen der Mängelrüge (Z 5 zweiter Fall) ‑ dem Gebot zu gedrängter Darstellung in den Entscheidungsgründen (§ 270 Abs 2 Z 5 StPO) folgend ‑ nicht gehalten, seine von den getroffenen Feststellungen abweichenden Angaben zu der für die Begründung der Gerichtszuständigkeit entscheidenden (§ 53 Abs 2 lit b bzw § 53 Abs 1 und 3 iVm §§ 37 Abs 2, 46 Abs 2 [44 Abs 2] FinStrG) Menge der an den Beschwerdeführer überlassenen Zigaretten im Detail zu erörtern.

Der Nichtigkeitsgrund der Z 5a des § 281 Abs 1 StPO greift seinem Wesen nach nur dann, wenn aktenkundige Beweisergebnisse vorliegen, die nach allgemein menschlicher Erfahrung gravierende Bedenken gegen die Richtigkeit der bekämpften Urteilsannahmen aufkommen lassen (RIS-Justiz RS0119583).

Indem sich die Tatsachenrüge unter Hinweis auf die ‑ vom Erstgericht ausdrücklich gewürdigt - Kopie des Reisepasses des Angeklagten (vgl US 13), die „Telefonüberwachung“ (dazu US 14 f) und Angaben des Angeklagten Dragoljub Vu***** (US 13, 14 f) mit eigenen Erwägungen erneut gegen die festgestellte Menge der dem Nichtigkeitswerber überlassenen Zigaretten wendet, bekämpft sie bloß nach Art einer im kollegialgerichtlichen Verfahren nicht zulässigen Schuldberufung die tatrichterliche Beweiswürdigung.

Die das Vorliegen eines Gerichtszuständigkeit begründenden Verkürzungsbetrags bestreitende Rechtsrüge (Z 9 lit a) behauptet, das Erstgericht hätte die Tabaksteuer zufolge Einfuhr der Zigaretten aus einem Mitgliedstaat der Europäischen Union „finanzstrafrechtlich Selbstberechnungs-abgabe § 33 FinStrG zu unterstellen gehabt“, weshalb gemäß § 53 Abs 1 FinStrG erst ab einem strafbestimmenden Wertbetrag von mehr als 100.000 Euro gerichtliche Zuständigkeit vorliege. Damit geht sie prozessordnungswidrig nicht von den Feststellungen aus, wonach alle vom Beschwerdeführer gekauften Zigaretten bosnischer und serbischer Herkunft ab dem Jahr 2014 von unbekannten Tätern vorschriftswidrig in das Zollgebiet der Europäischen Union verbracht wurden, wobei sich die jeweiligen Schmuggelrouten bis Kroatien und Ungarn zurückverfolgen ließen (US 8, US 9 f). Auf der Basis dieser Konstatierungen liegt die maßgebende Wertgrenze bei 50.000 Euro und sind die (bei erstmaliger Verbringung in das Gebiet der Europäischen Union durch Einfuhr in die genannten Mitgliedstaaten in diesen oder aber bei mangelnder Feststellbarkeit des Eintrittsorts in die Europäische Union in Österreich) zu erhebende Einfuhr-Umsatzsteuer und Tabaksteuer Teil des strafbestimmenden Wertbetrags (§ 53 Abs 2 lit b FinStrG, § 2 Abs 1 lit c iVm §§ 35 Abs 5 und 37 Abs 4 FinStrG; dazu RIS-Justiz RS0086534, RS0129423; Lässig in WK 2 FinStrG § 35 Rz 2 und 40; Reger/Nordmeyer/Hacker/Kuroki , FinStrG Bd 1 4 § 35 Rz 122a, § 37 Rz 23a, 24b).

Soweit der Beschwerdeführer Feststellungen zur subjektiven Tatseite in Ansehung des „Herkunftslands“ der Zigaretten vermisst, leitet er nicht prozessordnungskonform aus dem Gesetz ab, warum zur Erfüllung des Tatbestands der Abgabenhehlerei das (konkrete) Herkunftsland vom Vorsatz des Täters erfasst sein sollte (vgl Lässig in WK 2 FinStrG § 37 Rz 10). Im Übrigen ist den Entscheidungsgründen hinreichend deutlich ( Ratz , WK-StPO § 281 Rz 19) sein Wissen darüber zu entnehmen, dass die ihm von Dragoljub Vu***** übergebenen Zigaretten zuvor von unbekannten Tätern vorschriftswidrig in das Zollgebiet der Europäischen Union verbracht worden waren (US 10 f iVm US 9 und US 8 [„diese illegalen Zigaretten“]).

Die gegen die rechtliche Unterstellung der dem Schuldspruch A/4 zugrunde liegenden Taten (auch) unter § 38a Abs 1 lit a FinStrG gerichtete Subsumtionsrüge (Z 10) übergeht die Konstatierungen zu dem in Ansehung des Beschwerdeführers vom Oktober 2014 (US 10) bis zum 3. Februar 2015 (US 2) reichenden Zusammenschluss sämtlicher Angeklagter (und weiterer unbekannter Mittäter) zur wiederkehrenden Begehung der angeführten „Zoll- und Abgabenhinterziehungen“ (US 9 und 11; gemeint ersichtlich: Abgabenhehlerei nach § 37 Abs 1 lit a FinStrG; vgl Lässig in WK 2 FinStrG § 38a Rz 4 und 6). Solcherart verfehlt sie den gesetzlichen Bezugspunkt.

Im dargestellten Umfang war die Nichtigkeitsbeschwerde daher gemäß § 285d Abs 1 StPO schon bei der nichtöffentlichen Beratung sofort zurückzuweisen.

Die Sanktionsrüge (Z 11 dritter Fall) zeigt zutreffend auf, dass das Erstgericht in Ansehung des den Beschwerdeführer betreffenden Ausspruchs der Wertersatzstrafe (US 5 und 18) die gemäß § 19 Abs 5 FinStrG zwingend vorgeschriebene Verhältnismäßigkeitsprüfung gänzlich unterlassen hat (US 20; RIS‑Justiz RS0088035).

Gleiches gilt für die in Ansehung der Angeklagten Sasa M*****, Dragoljub Vu*****, Jovica P*****, Milena P***** und Zoran Ma***** ausgesprochenen ‑ von diesen ungerügt gebliebenen ‑ Wertersatzstrafen (US 5 f und 18) sowie die ohne Differenzierung alle Angeklagten betreffenden Aussprüche über den Verfall der Kraftfahrzeuge, die zur Begehung der Finanzdelikte benutzt wurden (US 6, 9, 12 und 20): Auch insoweit ist die gemäß § 17 Abs 6 erster Satz und § 19 Abs 5 FinStrG gebotene Verhältnismäßigkeitsprüfung unterblieben (§ 281 Abs 1 Z 11 dritter Fall StPO).

Die „sichergestellten illegalen Zigaretten“ (US 6 und 20; vgl dazu ON 141 sowie den Abschlussbericht des Zollamts Graz vom 7. April 2015 [Band 1 der Beilagen zu „ON 168“], S 165 ff) sind hingegen mit Blick auf die Ausnahmebestimmung des § 17 Abs 6 zweiter Satz FinStrG, wonach bei Monopolgegenständen, bei welchen aufgrund ihrer Beschaffenheit zu besorgen ist, dass mit ihnen gegen Monopolvorschriften verstoßen wird, die Verhältnismäßigkeit des Verfalls nicht zu prüfen ist (vgl Lässig in WK 2 FinStrG § 17 Rz 22), von der aufgezeigten Nichtigkeit nicht betroffen.

Diese ‑ den Angeklagten zum Nachteil gereichenden, auch von Amts wegen wahrzunehmenden (§ 290 Abs 1 zweiter Satz erster Fall StPO) ‑ Rechtsfehler führen zur Aufhebung sämtlicher Aussprüche über den Wertersatz sowie die zu Letzterem bestimmten Ersatzfreiheitsstrafen und des Ausspruchs über den Verfall der sichergestellten Fahrzeuge schon bei nichtöffentlicher Beratung (§ 285e StPO, teils iVm § 290 Abs 1 zweiter Satz StPO). Im Umfang der Aufhebung war dem Erstgericht die neuerliche Verhandlung und Entscheidung aufzutragen.

Mit seiner Berufung gegen den Ausspruch der Wertersatzstrafe war der Angeklagte Velibor V***** auf die Aufhebung zu verweisen.

Die „gegen das mündlich verkündete Urteil“ bloß angemeldete Beschwerde (ON 198) war als unzulässig zurückzuweisen, weil gegen die Urteile der Landesgerichte als Schöffengerichte nur die Rechtsmittel der Nichtigkeitsbeschwerde und der Berufung offen stehen (§ 280 StPO). Einen gemäß § 494a Abs 4 StPO gemeinsam mit dem angefochtenen Urteil zu verkündenden und auszufertigenden Beschluss hat das Erstgericht nicht gefasst (vgl ON 188 S 31 f; ON 189).

Nach der Neubemessung der genannten Sanktionen werden die Akten zur Entscheidung über die vorliegende, gegen die Freiheitsstrafe gerichtete Berufung dem Oberlandesgericht Graz zu übermitteln sein.

Die Kostenentscheidung, die sich nicht auf das amtswegige Vorgehen bezieht ( Lendl , WK‑StPO § 390a Rz 12), beruht auf § 390a Abs 1 StPO.

Mit Blick auf § 290 StPO bleibt anzumerken:

1. Die (alle Angeklagten im Umfang von Schuldspruch A und darüber hinaus Sasa M***** zu Schuldspruch E betreffende) Annahme echter Idealkonkurrenz der Qualifikationstatbestände der Gewerbsmäßigkeit nach § 38 Abs 1 FinStrG und der Tatbegehung als Mitglied einer Bande nach § 38a Abs 1 lit a FinStrG (US 4 f und 16) ist angesichts der in § 38 Abs 1 erster Satz FinStrG enthaltenen Subsidiaritätsklausel rechtlich verfehlt ( Lässig in WK 2 FinStrG § 38 Rz 3; Ratz in WK 2 StGB Vor §§ 28 ‑ 31 Rz 36 und 38). Ein konkreter Nachteil für die Angeklagten ergibt sich daraus jedoch nicht: Weder wurde auf die bei Annahme gewerbsmäßiger Begehungsweise nach § 38 FinStrG zwingend zu verhängende Geldstrafe (§ 21 Abs 2 vierter Satz FinStrG) erkannt noch dieser Umstand bei der Strafbemessung (ungeachtet der gegenteiligen abstrakten Rechtsausführungen [US 16]) als erschwerend gewertet (US 20). Im Übrigen besteht nach entsprechender Klarstellung durch den Obersten Gerichtshof keine Bindung des Berufungsgerichts an diese fehlerhafte Subsumtion (RIS‑Justiz RS0118870, RS0129614; Ratz , WK‑StPO § 290 Rz 27a).

2. Die bei einem Schuldspruch wegen des Finanzvergehens des vorsätzlichen Eingriffs in Monopolrechte nach § 44 Abs 1 FinStrG (B) und der Monopolhehlerei nach § 46 Abs 1 FinStrG (D) entgegen § 21 Abs 2 vierter Satz FinStrG unterlassene Verhängung einer zwingend vorgesehenen Geldstrafe nach § 44 Abs 2 FinStrG bzw § 46 Abs 2 FinStrG gereicht den Angeklagten nicht zum Nachteil.

Stichworte