OGH 3Ob225/15g

OGH3Ob225/15g20.1.2016

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Dr. Hoch als Vorsitzenden sowie die Vizepräsidentin Dr. Lovrek, die Hofräte Dr. Jensik und Dr. Roch und die Hofrätin Dr. Kodek als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei P*****, vertreten durch den Sachwalter Mag. Thomas Payer, Rechtsanwalt in Salzburg, dieser vertreten durch Dr. Harald Berger, Rechtsanwalt in Salzburg, gegen die beklagte Partei A*****, vertreten durch Dr. Ingrid Stöger und Dr. Roger Reyman, Rechtsanwälte in Salzburg, wegen Einwendungen gegen den Anspruch (§ 35 EO), über die Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Landesgerichts Salzburg als Berufungsgericht vom 20. August 2015, GZ 21 R 129/15i‑18, womit das Urteil des Bezirksgerichts Salzburg vom 24. Februar 2015, GZ 31 C 240/14f‑14, bestätigt wurde, den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2016:0030OB00225.15G.0120.000

 

Spruch:

Die Revision wird zurückgewiesen.

Die klagende Partei hat die Kosten ihrer Revisionsbeantwortung selbst zu tragen.

 

Begründung:

Der Kläger ist aufgrund eines am 17. Jänner 2006 geschlossenen Vergleichs verpflichtet, der Beklagten monatlich 700 EUR an Ehegattenunterhalt zu leisten. Zur Hereinbringung rückständigen sowie laufenden Unterhalts wurde der Beklagten wider den Kläger die Exekution bewilligt.

Der Kläger lebt aufgrund seines inzwischen verschlechterten Gesundheitszustands in einem Seniorenheim und hat dafür in Abhängigkeit von der Anzahl der Tage des Monats zwischen 2.329,60 EUR und 2.579,20 EUR zu bezahlen. Der Kläger erhält allerdings lediglich Pensionsbezüge von 1.982,14 EUR brutto und 1.034,62 EUR, darüber hinaus Pflegegeld der Stufe 3 in Höhe von monatlich 442,90 EUR, was eine Nettozahlung von monatlich 2.545,83 EUR ergibt. Der Antrag des Klägers, ihm Sozialhilfe zur Finanzierung des Heimaufenthalts zu bewilligen, wurde mit der Begründung abgelehnt, dass der Kläger im Hinblick auf seine Vermögens‑und Einkommenssituation überhöhte monatliche Unterhaltsbeiträge an die Beklagte leiste.

Die Beklagte erhält eine Alterspension von 659,05 EUR und ebenfalls Pflegegeld (Stufe 1 in Höhe von 154,20 EUR monatlich). Die Beklagte lebt in einer Wohnung, die im Eigentum einer ihrer Töchter steht und an der sie ein Nutzungsrecht hat. Sie hat hiefür Betriebskosten von 230 EUR monatlich zu zahlen.

Die Vorinstanzen gaben der Oppositionsklage des Klägers mit der Begründung statt, der Kläger sei nicht mehr in der Lage, auf sich allein gestellt zu wohnen, weshalb die Kosten der durch seine Erkrankung begründeten Unterbringung in einem Heim zur Gänze als Abzugspost von der Bemessungsgrundlage anzuerkennen seien. Dies habe zur Folge, dass dem Kläger nach Abzug der monatlichen Heimkosten von seinem durchschnittlichen monatlichen Einkommen kein, jedenfalls aber kein ausreichender Betrag verbleibe, um weiterhin Unterhaltszahlungen an die Beklagte zu leisten. Er benötige selbst auch noch Taschengeld, um sich etwa Dinge des täglichen Gebrauchs und Medikamente zu besorgen. Da der Kläger nicht auf Kosten eines Sozialhilfeträgers im Heim verpflegt werde, sondern nach wie vor reiner Selbstzahler sei, also die Kosten für seine Unterbringung zur Gänze aus eigenen Mitteln bestreite, komme § 324 Abs 3 ASVG über den Ersatzanspruch des Trägers der Sozialhilfe nicht zur Anwendung.

Das Berufungsgericht sprach (über Antrag der Beklagten nachträglich) aus, dass die ordentliche Revision zulässig sei, weil Rechtsprechung zur Frage fehle, ob ein dem Pensionsberechtigten verbleibender Freibetrag im Sinn des § 324 Abs 3 ASVG auch demjenigen „verbleibe“, der seine Unterbringungskosten selbst bezahle.

Die Revision der Beklagten, mit der sie die gänzliche Abweisung des Oppositionsklagebegehrens anstrebt, ist entgegen dem den Obersten Gerichtshof nicht bindenden Zulassungsausspruch des Berufungsgerichts nicht zulässig.

Rechtliche Beurteilung

Der Kläger ist aufgrund seiner Einkommens‑ und Vermögenslage nicht auf Kosten eines Trägers der Sozialhilfe in einem Heim untergebracht, sondern muss für die Unterbringungs‑ und Betreuungskosten selbst aufkommen. Die Regelung des § 324 Abs 3 ASVG, wonach für die Zeit der Pflege der Anspruch auf Pension (einschließlich allfälliger Zulagen und Zuschläge) bis zur Höhe der Verpflegungskosten, höchstens jedoch bis zu 80 vH, wenn der Pensionsberechtigte aufgrund einer gesetzlichen Verpflichtung für den Unterhalt eines Angehörigen zu sorgen hat, bis zu 50 vH dieses Anspruchs auf den Träger der Sozialhilfe übergeht, wenn ein Pensionsberechtigter auf Kosten eines Trägers der Sozialhilfe in bestimmten, näher bezeichneten Einrichtungen untergebracht ist, ist daher nicht anwendbar (vgl 10 Ob 29/14h).

Unterlässt es der Unterhaltspflichtige aus in seiner Sphäre liegenden Gründen, einen Antrag auf Gewährung einer öffentlich‑rechtlichen Leistung zu stellen, so muss er sich dieses mögliche Einkommen im Sinn der Anspannungstheorie für die Unterhaltsleistung anrechnen lassen (RIS‑Justiz RS0047385). Da der Kläger zwar einen Antrag auf Gewährung von Sozialhilfe stellte, damit aber nach den getroffenen Feststellungen keinen Erfolg hatte, kann ihm nicht vorgeworfen werden, sich nicht um weiteres Einkommen (Sozialhilfe) bemüht zu haben. Die als erheblich im Sinn des § 502 Abs 1 ZPO bezeichnete Frage nach einer (analogen) Anwendung des § 324 Abs 3 ASVG im Fall eines „Selbstzahlers“ ist daher nicht zu beantworten.

Dass die Ablehnung der Sozialhilfegewährung nicht nur zu Unrecht erfolgte, sondern es dem Kläger auch tatsächlich möglich und zumutbar gewesen wäre, gegen die Ablehnung Rechtsmittel zu ergreifen, also doch eine Sozialhilfe oder die Unterbringung auf Kosten des Sozialhilfeträgers und damit ein auch für Unterhaltszahlungen zur Verfügung stehendes Einkommen zu erreichen, hat die Beklagte nicht behauptet.

Das Pflegegeld dient ausschließlich der pauschalierten Abgeltung des Sonderbedarfs pflegebedürftiger Personen, weshalb es insoweit bei der Unterhaltsbemessung zur Gänze außer Betracht zu bleiben hat (RIS‑Justiz RS0013251). Dass der Kläger Betreuungsaufwand zu tragen hat, steht außer Frage. Das Pflegegeld kann daher nicht zur Finanzierung des Unterhalts der Beklagten herangezogen werden. Nach den von den Vorinstanzen getroffenen Feststellungen erreichen die monatlichen Heimkosten des Klägers nahezu jenen Betrag, der ihm an Pension einschließlich Pflegegeld (ohne Berücksichtigung von Unterhaltszahlungen an die Beklagte) ausbezahlt wird. Die von der Beklagten aufgeworfenen Fragen im Zusammenhang mit einer allfälligen Anrechnung von in den Heimkosten enthaltenen Betreuungsaufwendungen auf das Pflegegeld bzw umgekehrt stellen sich daher in Wahrheit nicht.

Die Revision ist mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückzuweisen.

Der Kläger hat die Kosten seiner Revisionsbeantwortung selbst zu tragen, weil er auf die Unzulässigkeit der gegnerischen Revision nicht hinwies.

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