OGH 6Ob234/15b

OGH6Ob234/15b14.1.2016

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Hon.‑Prof. Dr. Kuras als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Schramm, Dr. Gitschthaler, Univ.‑Prof. Dr. Kodek und Dr. Nowotny als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Verein für Konsumenteninformation, 1060 Wien, Linke Wienzeile 18, vertreten durch Mag. Nikolaus Weiser, Rechtsanwalt in Wien, gegen die beklagte Partei Mag. T***** K*****, vertreten durch Kaufmann & Lausegger Rechtsanwalts OG in Graz, wegen Unterlassung (Streitwert 24.000 EUR) und Veröffentlichung (Streitwert 5.000 EUR), über die außerordentliche Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Graz als Berufungsgericht vom 27. Oktober 2015, GZ 4 R 45/15t‑20, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2016:0060OB00234.15B.0114.000

 

Spruch:

Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen (§ 510 Abs 3 ZPO).

Begründung

Der Beklagte betreibt das Gewerbe der Vermittlung von Leistungen der Personenbetreuung. Dabei tritt er mit zu betreuenden Personen auf der einen Seite und Personenbetreuern auf der anderen Seite in rechtsgeschäftlichen Kontakt. In seinen vorgefertigten Vertragsmustern finden sich folgende Klauseln:

Das Entgelt für die Leistungen [des Beklagten] beträgt monatlich inklusive Umsatzsteuer gesamt 2.330 EUR. Dieser Kalkulation liegt die Annahme einer monatlichen Förderung von 550 EUR (Bundessozialamt) zugrunde, sodass die monatliche Gesamtbelastung abzüglich dieser Förderung 1.780 EUR beträgt.

[…]

Der Vertrag kann von beiden Vertragspartnern jederzeit unter Einhaltung einer dreimonatigen Kündigungsfrist jeweils zum Monatsletzten gekündigt werden.

Der Beklagte verpflichtet sich gegenüber den zu betreuenden Personen nicht nur zur bloßen Vermittlung von Personenbetreuern, sondern überdies ‑ unter dem Schlagwort Case-Management ‑ zu einem Bündel begleitender Maßnahmen während der Fortdauer des Betreuungsverhältnisses. So ist er nicht nur für die Auswahl geeigneter Betreuer sowie für deren Vorbereitung, Unterstützung und allfällige Schulung zuständig, sondern plant und organisiert auch die Ablöse unter den jeweiligen Betreuern inklusive An- und Abreise, ist als Zahlstelle für das Honorar der jeweiligen Betreuer tätig und unterstützt und berät die zu pflegende Person sowie deren Familie in Fragen der Personenbetreuung, im Umgang mit Behörden sowie bei Rechtsfragen, insbesondere im Förderwesen. Überdies lässt er in den Pflegehaushalten Qualitätskontrollen durchführen, soweit dies indiziert und erwünscht ist. Zu den Aufgaben des Beklagten im Rahmen des Case-Managements gehört es auch, für den Fall der Beendigung des Betreuungsverhältnisses für Ersatz zu sorgen, falls weiterer Betreuungsbedarf besteht.

Der unmittelbare Betreuungsvertrag kommt zwischen dem jeweiligen Personenbetreuer auf der einen Seite und der betreuten Person auf der anderen Seite zustande. Den jeweils betreuten Personen teilte der Beklagte lediglich auf Anfrage mit, welchen Teil des in der erwähnten Klausel angeführten Pauschalentgelts von insgesamt 2.330 EUR (vor Abzug der Förderung) sie den jeweiligen Personenbetreuern aufgrund des Betreuungsvertrags schulden.

Rechtliche Beurteilung

1. Nach § 6 Abs 3 KSchG ist eine in Allgemeinen Geschäftsbedingungen oder Vertragsformblättern enthaltene Vertragsbestimmung unwirksam, wenn sie unklar oder unverständlich abgefasst ist. Die in diesem Zusammenhang von den Vorinstanzen vertretene Auffassung, die vorliegende Entgeltklausel lasse den Verbraucher im Unklaren über seine Rechtsposition, weil aus ihr nicht mit der erforderlichen Deutlichkeit hervorgeht, dass mit dem jeweils vermittelten Betreuer noch ein eigener Vertrag zustande komme und dieser einen Teil des Entgelts erhalte, ist durchaus vertretbar. Der Oberste Gerichtshof hat bereits in der Entscheidung 2 Ob 59/12h (SZ 2012/83 = jusIT 2012/99 [Staudegger] = ecolex 2013/45 [Graf, 507] = RdW 2013/204 [Kellner, 190]) zu einem dem vorliegenden durchaus vergleichbaren Sachverhalt klargestellt, dass (dort) ein Gesamtpreis den Anforderungen des Transparenzgebots nicht gerecht wurde, weil für den Verbraucher nicht ersichtlich war, ob und welcher Anteil auf die von ihm durch Benutzung der Website (der dort Beklagten) in Anspruch genommene Vermittlungsleistung und welcher Anteil auf den (vom Verbraucher) mit dem Ticket erworbenen Anspruch auf Besuch der entsprechenden Veranstaltung entfiel; dort hatte ein Theaterkartenbüro auf seiner Website jeweils nur den Gesamtpreis angeführt, ohne diesen in den reinen Kartenpreis des Veranstalters und seine eigene Vermittlungsprovision aufzugliedern.

2. Damit ist aber auch die Auffassung des Berufungsgerichts, auch die Kündigungsklausel sei intransparent, durchaus vertretbar. Gerade weil der Beklagte gegenüber den zu betreuenden Personen den Eindruck vermittelt, sie erhielten bei ihm gewissermaßen „alles aus einer Hand“, wäre es notwendig, in den Vertragsformblättern transparent zu machen, dass sich die lange Kündigungsfrist von drei Monaten nur auf den Vermittlungsvertrag, nicht aber auch auf die einzelnen Betreuungsverträge bezieht (vgl diesbezüglich § 2 Abs 2 Z 7 V BGBl II 2007/278 [vierzehn Tage]). Allgemeine Geschäftsbedingungen müssen so gestaltet sein, dass der Verbraucher durch ihre Lektüre klare und verlässliche Auskunft über seine Rechtsposition erhält (RIS‑Justiz RS0115217 [T14]). Der Verbraucher wird durch die Kündigungsklausel des Beklagten aber bezüglich der unterschiedlichen Kündigungsfristen im Unklaren gelassen.

Im Übrigen trat zwischenzeitig mit 2. 1. 2016 die V BGBl II 2015/397 über die Standes- und Ausübungsregeln für die Organisation von Personenbetreuung in Kraft, die in § 9 Abs 2 Z 5 ausdrücklich vorsieht, dass auch ein Vermittlungsvertrag von beiden Vertragsteilen unter Einhaltung einer zweiwöchigen Kündigungsfrist zum Ende eines Kalendermonats aufgelöst werden können muss (vgl dazu, dass diese Regelung auf Verträge anzuwenden ist, die nach dem Inkrafttreten der neuen VO abgeschlossen werden, § 12 Abs 1 V BGBl II 2015/397).

3. Der Beklagte meint in seiner außerordentlichen Revision, es bestehe keine Rechtsprechung zur Frage, ob die Wiederholungsgefahr bei Anbot einer Unterlassungsverpflichtung nur dann wegfällt, wenn auch eine Konventionalstrafe angeboten werde. Er ist damit jedoch auf den Gesetzestext des § 28 Abs 2 KSchG zu verweisen, der ausdrücklich eine „mit angemessener Konventionalstrafe (§ 1336 ABGB) besicherte Unterlassungserklärung“ verlangt.

4. Der Zweck der Urteilsveröffentlichung, nämlich die Aufklärung der jeweiligen Verkehrskreise, ist nicht auf die unmittelbar betroffenen Vertragspartner beschränkt (7 Ob 44/13s ÖBA 2014/2041 [Writze]). Das berechtigte Interesse an der Urteilsveröffentlichung liegt bei der Verbandsklage auch darin, dass die Verbraucher als Gesamtheit das Recht haben, darüber aufgeklärt zu werden, dass bestimmte Geschäftsbedingungen gesetz- oder sittenwidrig sind (2 Ob 1/09z jusIT 2010/90 [Thiele]). Die Bereitstellung einschlägiger Informationen auf der Website des Unternehmers wird dem Aufklärungsbedürfnis der Allgemeinheit für sich deshalb im Regelfall nicht gerecht (4 Ob 117/14f). Im Übrigen stellt die Frage, ob und in welchem Umfang eine Veröffentlichung des Urteils nach den Umständen des Falls zur Aufklärung des Publikums geboten ist, ‑ von einer groben Fehlbeurteilung abgesehen ‑ regelmäßig keine erhebliche Rechtsfrage dar (RIS-Justiz RS0079820 [T20]).

Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)

Stichworte