OGH 6Ob163/15m

OGH6Ob163/15m21.12.2015

Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Hon.‑Prof. Dr. Kuras als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Schramm, Dr. Gitschthaler, Univ.‑Prof. Dr. Kodek und Dr. Nowotny als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden und gefährdeten Partei Dr. T***** B*****, vertreten durch Gheneff ‑ Rami ‑ Sommer Rechtsanwälte OG in Wien, gegen die beklagten Parteien und Gegner der gefährdeten Partei 1. L***** GmbH, *****, 2. Dr. R***** G*****, 3. Mag. A***** S*****, beide *****, alle vertreten durch Dr. Maria Windhager, Rechtsanwältin in Wien, wegen Unterlassung und Veröffentlichung (Streitwert im Provisorialverfahren 35.000 EUR), über die außerordentlichen Revisionsrekurse aller Parteien gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts Wien als Rekursgericht vom 30. Juli 2015, GZ 5 R 98/15s‑19, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

 

Spruch:

Begründung

Rechtliche Beurteilung

1. Urheberrechtlicher Schutz von Werkteilen setzt voraus, dass auch der betreffende Teil als solcher die Schutzvoraussetzungen des Gesetzes erfüllt, also für sich allein die notwendige Individualität als „eigentümliche geistige Schöpfung“ im Sinne des § 1 Abs 1 UrhG aufweist (RIS‑Justiz RS0076935). Die Frage, ob ein Werkteil eigenständige Werkqualität hat und aus diesem Grund urheberrechtlich geschützt ist, hängt dabei von den Umständen des Einzelfalls ab und hat daher regelmäßig keine darüber hinausgehende Bedeutung (RIS‑Justiz RS0076935 [T3]). Dass es den hier im Revisionsrekurs herangezogenen Passagen aus dem Tagebuch des Klägers an einer sich vom Alltäglichen, Landläufigen, üblicherweise Hervorgebrachten abhebenden individuellen eigentümlichen Leistung (RIS‑Justiz RS0076397) fehlt, haben die Vorinstanzen in durchaus vertretbarer Weise angenommen. Der Kläger vermag damit in seinem außerordentlichen Revisionsrekurs eine erhebliche Rechtsfrage im Sinne des § 528 Abs 1 ZPO nicht darzulegen; auf die Frage der (allfälligen) Rechtfertigung eines Urheberrechtseingriffs durch Art 10 EMRK braucht somit nicht weiter eingegangen zu werden.

2. Zum Tagebuch des Klägers, aus welchem die Beklagten mehrere Passagen in ihrem Buch „Akte *****“ verwendeten, hat der Oberste Gerichtshof bereits in der Entscheidung 4 Ob 3/11m (jusIT 2011/61 [Thiele] = ÖBl 2011/56 [Büchele] = ecolex 2011/363 [Tonninger]) ausführlich Stellung genommen und der dortigen Beklagten eine wortidente Unterlassungsverpflichtung auferlegt wie das Rekursgericht den hier Beklagten.

2.1. Weshalb an den privaten Bemerkungen des Klägers nun ein höheres Veröffentlichungsinteresse bestehen sollte als zum Zeitpunkt der Entscheidung 4 Ob 3/11m und warum dies bei einer kommentierten Präsentation in Buchform anders zu beurteilen sein sollte als bei einer unkommentierten Wiedergabe des Tagebuchs im Internet, legen die Beklagten in ihrem außerordentlichen Revisionsrekurs nicht näher dar; die Veröffentlichung von Details über das Privatleben des Klägers kann die Aufarbeitung des „*****‑Skandals“ (weiterhin) kaum fördern, sodass an diesen Inhalten auch kein berechtigtes Interesse besteht (vgl dazu auch Thiele in Ciresa, Österreichisches Urheberrecht [1999] § 77 Rz 77).

2.2. Dass auch die Verbreitung einzelner Teile eines Tagebuchs nach § 77 UrhG zu beurteilen ist, bestreiten die Beklagten zutreffend nicht. Dass die vom Kläger beanstandeten Zitate aus dem Tagebuch, die von den Beklagten verwendet wurden, Aspekte seiner privaten Lebensgestaltung wiedergeben ‑ wobei auch diese Beurteilung eine solche des Einzelfalls ist ‑, hat das Rekursgericht ausdrücklich dargelegt.

2.3. Mit ihrer Argumentation, das Tagebuch des Klägers sei nicht (mehr) als vertraulich einzustufen, weil es bereits dem Untersuchungsausschuss des Bayrischen Landtags, der öffentlich tagte, vorgelegen sei und auch andere Medien bereits daraus zitiert hätten, übersehen die Beklagten die ständige Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs, wonach „vertrauliche Aufzeichnungen“ im Sinne des § 77 Abs 1 UrhG Aufzeichnungen und Mitteilungen sind, die nach der Intention des Verfassers nicht an die Öffentlichkeit gelangen beziehungsweise nur einem bestimmten Empfängerkreis zugänglich sein sollen (RIS‑Justiz RS0126874). Ob eine Aufzeichnung oder Mitteilung „vertraulich“ ist, ist deshalb einzig anhand der Intention des Verfassers oder Mitteilenden zu beurteilen (Gassauer‑Fleissner, Geheimhaltung, Offenbarung und Veröffentlichung von Daten in Informationsnetzwerken, ecolex 1997, 102). Der Schutz nach § 77 UrhG besteht auch dann, wenn Schriftstücke schon einmal (unter Verletzung des § 77 UrhG) der Öffentlichkeit zugänglich gemacht worden sind (A. Kodek in Kucsko, urheber.recht [2008] § 77 2.1; Thiele aaO § 77 Rz 41 ‑ jeweils mit weiteren Nachweisen).

2.4. Damit ist es aber auch den Beklagten in ihrem außerordentlichen Revisionsrekurs nicht gelungen, eine erhebliche Rechtsfrage im Sinne des § 528 Abs 1 ZPO aufzuzeigen.

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