European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2015:0050OB00223.15B.1123.000
Spruch:
Dem Revisionsrekurs wird Folge gegeben.
Die Entscheidungen der Vorinstanzen werden dahingehend abgeändert, dass der Beschluss lautet:
„ Urkunden
1. Kaufvertrag vom 11. 6. 2015
Bewilligt wird
1. in EZ ***** KG 23422 *****
auf Anteil B‑LNR 2
2 Anteil: ½
Peter S*****
GEB: ***** ADR: *****
zu 1/1 (bezogen auf den Anteil)
auf Anteil B‑LNR 3
3 Anteil: ½
Christine S*****
GEB: ***** ADR: *****
zu 1/1 (bezogen auf den Anteil)
die Einverleibung des Eigentumsrechts
für Susanne G*****
Verständigt wird
1) Mag. Alexander Winkler, GZ 188/2015, Weimarer Straße 5, 1180 Wien
2) Susanne G*****
3) Christine S*****
4) Peter S*****
5) Finanzamt N*****
6) Gemeinde M*****
7) Amt der ***** Landesregierung zH Hrn Landeshauptmann als Ausländergrundverkehrs-behörde, *****.“
Der Vollzug und die Verständigung der Beteiligten obliegen dem Erstgericht.
Begründung:
Aufgrund des Kaufvertrags vom 11. 6. 2015, begehrte die Antragstellerin an der, den beiden Verkäufern je zur Hälfte gehörigen Liegenschaft die Einverleibung ihres Eigentumsrechts unter Zusammenziehung der Anteile. Der vorgelegte Kaufvertrag enthält folgenden, vom Antragstellervertreter unterfertigten ‑ Stampiglienaufdruck: „Grunderwerbsteuer selbst berechnet am: 11. 6. 2015 zu ErfNr: 10‑204.972/2015 und abgeführt“.
Im ERV‑Antrag vom 2. 7. 2015 gab der Antragstellervertreter im Feld „Notiz“ folgende Erklärung ab:
„Die Grunderwerbsteuer wurde gem. § 11 GrEStG selbst berechnet und gem. § 13 GrEStG abgeführt.“
Das Erstgericht wies den Antrag der Käuferin auf Einverleibung des Eigentumsrechts ab und bewilligte nur dessen Vormerkung. Gemäß § 12 GrEStG 1987 sei der Parteienvertreter befugt, gegenüber dem Grundbuchsgericht je Erwerbsvorgang zu erklären, dass eine Selbstberechnung gemäß § 11 GrEStG vorgenommen worden sei und die Grunderwerbsteuer gemäß § 13 GrEStG abgeführt werde. Der Kaufvertrag sei zwischen zwei Verkäufern und der Antragstellerin als Käuferin geschlossen worden. Es handle sich um zwei Erwerbsvorgänge. Die im ERV‑Antrag aufscheinende Erklärung sei daher zu wenig.
Das Rekursgericht gab dem Rekurs der Antragstellerin nicht Folge und ließ den ordentlichen Revisionsrekurs zu. Rechtlich folgerte es, dass § 12 GrEStG 1987 in der seit 31. 5. 2014 geltenden Fassung Parteienvertreter berechtige, gegenüber dem Grundbuchsgericht je Erwerbsvorgang elektronisch zu erklären, dass eine Selbstberechnung gemäß § 11 vorgenommen worden sei und die Grunderwerbsteuer sowie die Eintragungsgebühr nach dem Gerichtsgebührengesetz (GGG), soweit dieses die gemeinsame Entrichtung mit der Grunderwerbsteuer vorsehe, gemäß § 13 abgeführt würden. Der Begriff „Erwerbsvorgang“ sei dabei im Sinn des GrEStG zu interpretieren. Unter der Überschrift „Erwerbsvorgänge“ zähle § 1 Abs 1 GrEStG jene Rechtsvorgänge auf, die der Grunderwerbsteuer unterlägen, soweit sie sich auf inländische Grundstücke bezögen. Dazu gehöre nach Z 1 ein Kaufvertrag oder ein anderes Rechtsgeschäft, das den Anspruch auf Übereignung begründe. Für jeden Erwerbsvorgang müsse nach dem Gesetzestext („je Erwerbsvorgang“) eine eigene Selbstberechnungserklärung abgegeben werden. Mehrere Erwerbsvorgänge lägen beispielsweise auch dann vor, wenn mehrere Personen, selbst Ehegatten (von einem Alleineigentümer) eine Liegenschaft erwerben. Erwerbe eine Person von mehreren Miteigentümern, so fänden so viele Erwerbsvorgänge und Steuerfälle statt, als Miteigentümer veräußern. Bei der Veräußerung von Grundstücken durch eine Miteigentumsgemeinschaft lägen daher grund-erwerbsteuerrechtlich immer mehrere Veräußerungsvorgänge vor.
Ungeachtet des Umstands, dass §§ 10a bis 10c GGV auf den gegenständlichen Fall nicht anwendbar seien, sei zu prüfen, ob aufgrund der Selbstberechnungserklärung für das Grundbuchsgericht klar sei, dass der Einverleibung keine Bedenken hinsichtlich der in § 160 BAO genannten Steuern (Grunderwerbsteuer, Stiftungseingangssteuer, Erbschafts‑ und Schenkungssteuer) entgegenstünden. Da hier mehrere Erwerbsvorgänge vorlägen und sowohl im (elektronisch übermittelten) Kaufvertrag als auch im ERV‑Antrag eine Selbstberechnungserklärung ohne entsprechenden Hinweis darauf erfolgt sei, sei diese Voraussetzung nicht gegeben. Ein Verbesserungsfall liege nicht vor, weil die unzureichende Erklärung einen inhaltlichen Mangel des Antrags (der Urkunde) abstelle.
Der ordentliche Revisionsrekurs sei zuzulassen, weil ‑ soweit überblickbar ‑ höchstgerichtliche Recht-sprechung zu der über den Einzelfall hinausgehenden Frage fehle, wie bei Vorliegen einer sämtlichen Erwerbsvorgänge regelnden einheitlichen Urkunde auf dieser (elektronisch eingebrachten) Urkunde bzw im ERV‑Antrag enthaltene Selbstberechnungserklärungen zu formulieren seien, um § 12 GrEStG zu entsprechen.
Der Revisionsrekurs der Antragstellerin ist zulässig und berechtigt.
Rechtliche Beurteilung
1.1 Nach § 160 Abs 1 Bundesabgabenordnung (BAO) ist für Eintragungen in das Grundbuch, denen Rechtsvorgänge über den Erwerb von Grundstücken zugrunde liegen, mit Ausnahme von Vormerkungen und Eintragungen nach den §§ 13, 15 und 16 LiegTeilG eine Bescheinigung des Finanzamts erforderlich, dass der Eintragung (unter anderem) hinsichtlich der Grunderwerbsteuer keine Bedenken entgegenstehen (Unbedenklichkeitsbescheinigung). Die Unbedenklichkeitsbescheinigung kann durch eine Selbstberechnungserklärung des Notars oder Rechtsanwalts im Sinn der §§ 11 ff Grunderwerbsteuergesetz (GrEStG) ersetzt werden ( Rassi Grundbuchsrecht² Rz 146).
1.2 Nach § 11 GrEStG 1987 sind Rechtsanwälte und Notare (Parteienvertreter) nach Maßgabe der §§ 12, 13 und 15 GrEStG befugt, die Steuer für Erwerbsvorgänge, die diesem Gesetz unterliegen, als Bevollmächtigte eines Steuerschuldners selbst zu berechnen, wenn die Selbstberechnung innerhalb der Frist für die Vorlage der Abgabenerklärung (§ 10 GrEStG) erfolgt.
1.3 § 12 GrEStG 1987 in der Fassung BGBl I 2014/36 berechtigt den Parteienvertreter, gegenüber dem Grundbuchsgericht je Erwerbsvorgang elektronisch zu erklären, dass eine Selbstberechnung gemäß § 11 vorgenommen worden ist und die Grunderwerbsteuer sowie die Eintragungsgebühr nach dem Gerichtsgebührengesetz‑GGG, BGBl Nr 501/1984 in der jeweils geltenden Fassung, soweit das GGG die gemeinsame Entrichtung mit der Grunderwerbsteuer vorsieht, gemäß § 13 abgeführt werden. Die nähere Regelung betreffend die Form, den Inhalt und den elektronischen Übermittlungsweg der Selbstberechnungserklärung wird einer Verordnung des Bundesministers für Finanzen im Einvernehmen mit dem Bundesminister für Justiz vorbehalten (§ 12 zweiter Satz GrEStG 1987).
1.4 Diese Regelungen finden sich in der Verordnung des Bundesministers für Finanzen betreffend die Grunderwerbsteuer‑Selbstberechnungserklärung und die Übermittlung von Daten an die Justiz (Grunderwerbsteuer-Selbstberechnungsverordnung; GrESt‑SBV), BGBl II 2015/156.
1.5 Nach § 1 Abs 1 GrESt‑SBV hat die Abgabenbehörde die für die Erhebung der Gerichtsgebühr erforderlichen und vom Parteienvertreter im Zug einer Selbstberechnung nach § 11 Abs 1 GrEStG 1987 über FinanzOnline erfassten Daten elektronisch der Justiz zu übermitteln. Bei jedem im Zug einer Selbstberechnung über FinanzOnline erfassten Erwerbsvorgang ist pro Erwerber als Schlüssel für die betreffenden Daten nach Abs 1 eine Vorgangsnummer zu generieren. Diese Vorgangsnummer ist dem Parteienvertreter ersichtlich zu machen. Die Selbstberechnungserklärung nach § 12 GrEStG 1987 erfolgt im Elektronischen Rechtsverkehr durch Bekanntgabe einer Vorgangsnummer (§ 1 Abs 2) durch den Parteienvertreter (§ 6 GrESt‑SBV).
1.6 Nach ihrem § 7 Abs 1 tritt die zitierte Verordnung mit 1. 7. 2015 in Kraft. Sie ist auf alle Erwerbsvorgänge anzuwenden, für die die Selbstberechnung nach dem 30. 6. 2015 vorgenommen wird.
1.7 § 10a Abs 1 Satz 1 Grundbuchs-gebührenverordnung (GGV), BGBl II 2015/157, sieht vor, dass nach Inkrafttreten der GGV die Eintragungsgebühr nach Tarifpost 9 lit b c 1 im Fall der Selbstberechnung der Grunderwerbsteuer (§ 11 GrEStG 1987 im Verein mit der GrESt‑SBV) bei dem für die Erhebung der Grunderwerbsteuer zuständigen Finanzamt zum Zeitpunkt der Fälligkeit der Grunderwerbsteuer zu entrichten ist.
1.8 Wird die Eintragungsgebühr nach Abs 1 entrichtet, sind nur jene Angaben nach § 1, § 2 Abs 1 und 3 sowie § 3 bis § 9 dieser Verordnung gegenüber der Justiz zu machen, die nicht von der Abgabenbehörde nach der GrESt‑SBV an die Justiz elektronisch zu übermitteln sind. Sollte die bei Selbstberechnungserklärung nach § 12 GrEStG 1987 durch den Parteienvertreter gemäß § 6 GrESt‑SBV bekannt gegebene Vorgangsnummer keinen Zugriff auf die Daten ermöglichen, so ist die Selbstberechnungserklärung (Berufung auf die Vorgangsnummer) unwirksam. Der Mangel ist nach § 82a Allgemeines Grundbuchsgesetz sowie im Vorschreibungsverfahren einer Verbesserung zugänglich (§ 10a Abs 2 Satz 1‑3 GGV).
1.9 Diese Regelungen sind nach der Übergangsbestimmung in § 11 Abs 2 GGV am 1. 7. 2015 in Kraft getreten.
1.10 Die Grunderwerbsteuer wurde nach der Erklärung des Antragstellervertreters (eines Parteienvertreters nach § 11 GrEStG 1987) auf dem elektronisch übermittelten Kaufvertrag am 11. 6. 2015 zu einer bestimmten Erfassungsnummer selbst berechnet. Zu diesem Zeitpunkt war die GrESt‑SBV noch nicht in Kraft getreten. Ebenso wenig galten die Vorgaben des § 10a GGV zur gemeinsamen Entrichtung von Grunderwerbsteuer und gerichtlicher Eintragungsgebühr bei dem für die Erhebung der Grunderwerbsteuer zuständigen Finanzamt.
1.11 Die Selbstberechnungserklärung des Antragstellervertreters hatte somit noch nicht diesen besonderen Vorgaben in GrESt‑SBV und GGV über Form, Inhalt und elektronischem Übermittlungsweg zu entsprechen. Der Antragstellervertreter war nicht verpflichtet, im ERV‑Antrag selbst dem Gericht eine Vorgangsnummer bekannt zu geben (§ 6 GrESt‑SBV) und seine Erklärung auf die gerichtliche Eintragungsgebühr zu beziehen.
1.12 Unter diesem Aspekt ist die Selbstberechnungserklärung ordnungsgemäß.
2.1 Der Verwaltungsgerichtshof definierte als Erwerbsvorgang im Sinn des Grunderwerbsteuerrechts den Umsatz des Grundstücks oder gemäß § 2 Abs 3 zweiter Satz GrEStG 1955 (gleichlautend im GrEStG 1987) des Teils eines Grundstücks vom Verkäufer an den Käufer. Kaufen Ehegatten daher gemeinsam ein Grundstück, so ist jeder der beiden Eheleute Steuerschuldner hinsichtlich des von ihm erworbenen Miteigentumsanteils. Wenn ein Grundstück in einem einheitlichen Vorgang von mehreren Miteigentümern veräußert oder von mehreren Personen zum Miteigentum erworben wird, sollen so viele Erwerbsvorgänge vorliegen, als sich Vertragsparteien gegenüberstehen (VwGH 19. 5. 1988 87/16/0062).
2.2 Im steuerrechtlichen Schrifttum vertreten Takacs (Grunderwerbsteuergesetz 5 § 12 GrEStG aF Rz 1.4) und Arnold/Arnold (Kommentar zum Grunderwerbsteuergesetz 1987 12 § 12 Rz 4) mit Hinweis auf den Wortlaut des § 12 GrEStG („je Erwerbsvorgang“) die Meinung, dass für jeden nach dem GrEStG gesondert zu besteuernden Erwerbsvorgang gegenüber dem Grundbuchsgericht eine eigene Selbstberechnungserklärung abgegeben werden müsse. Nach Arnold/Arnold (aaO Rz 8) darf das Grundbuchsgericht andernfalls nur die Vormerkung bewilligen, weil keine ordnungsgemäße Erklärung vorliegt.
2.3 Das Grundbuchsgericht ist aber keine Abgabenbehörde des Bundes. Inhaltliche Mängel der Selbstberechnungserklärung kann es im Grundbuchsverfahren als Hindernis einer beantragten Einverleibung nur dann aufgreifen, wenn es iSd § 94 Abs 1 Z 3 GBG begründete Zweifel an der Richtigkeit der Erklärung hat. Die Selbstberechnungserklärung ersetzt als Privaturkunde die Unbedenklichkeitsbescheinigung, die zwar kein Bescheid, aber eine öffentliche Urkunde ist ( Takacs aaO Rz 1.2 mwN).
2.4 Der Oberste Gerichtshof hat zu 5 Ob 29/01b = RIS‑Justiz RS0114862 kein Hindernis für die Einverleibung des Eigentumsrechts darin gesehen, dass die im Grundbuchsverfahren vorgelegte Unbedenklichkeits-bescheinigung weder alle Vertragspartner noch das Grundstück nannte, der dem zuständigen Finanzamt vorgelegte Kaufvertrag keinen Hinweis auf eine Bearbeitung durch das Finanzamt enthielt und die Geschäftszahl der notariellen Beurkundung in der Unbedenklichkeitsbescheinigung nicht angeführt wurde. Die Unbedenklichkeitsbescheinigung sei keine Grundbuchsurkunde iSd §§ 26 und 27 GBG. Sie müsse geeignet sein, die „Grundbuchssperre“ hinsichtlich einer bestimmten Eintragung zu beseitigen und müsse daher den bestimmten Erwerbsvorgang soweit individualisieren, dass die Identität mit dem zu verbüchernden Rechtsgeschäft und der Erklärung der Abgabenbehörde nicht ernsthaft zu bezweifeln sei. Ergeben sich aber keine ernsthaften Zweifel, dass die Unbedenklichkeitsbescheinigung die konkret begehrte Eintragung betreffe, sei das sich aus § 160 Abs 1 BAO ergebende Eintragungshindernis beseitigt. Das verbleibende Risiko eines Steuerausfalls durch eine ungenügende Identifizierung der steuerlich unbedenklichen Grundbuchseintragung habe die Finanzbehörde zu tragen.
3. Das von den Vorinstanzen angenommene Bewilligungshindernis liegt nicht vor. Das Grundbuchsgesuch war daher zur Gänze zu bewilligen.
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